Leszczynski schlägt gesundheitspolitische EHS-Lösung vor (Elektrosensibilität)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 27.10.2022, 23:19 (vor 598 Tagen) @ Dariusz Leszczynski

Dariusz Leszczynski setzt sich weiter für die Belange von überzeugten Elektrosensiblen ein. Sein jüngster Anlauf ist ein Beitrag in der Zeitschrift Reviews on Environmental Health (The lack of international and national health policies to protect persons with self-declared electromagnetic hypersensitivity), mit dem er nicht weniger als eine globale gesundheitspolitische Antwort auf die Frage vorschlägt, wie Staaten künftig mit überzeugten Elektrosensiblen umzugehen gedenken. Interessanterweise entkoppelt Leszczynski diese Idee von der Voraussetzung, dass die Wissenschaft doch noch einen Kausalzusammenhang zwischen EHS und der Einwirkung schwacher EMF nachweisen kann. Dem Finnen zufolge genügt für seinen Vorschlag bereits die Überzeugung, unter EHS zu leiden und infolgedessen auch ohne EMF-Einwirkung reale Symptome zu entwickeln, die das Wohlbefinden einschränken. Laut WHO-Satzung wäre auch eine solche Situation als reales Gesundheitsproblem anzuerkennen.

Die (deutsche) Zusammenfassung von Leszczynskis Beitrag gibt tiefere Einblicke:

Elektromagnetische Hypersensibilität (EHS), auch bekannt als idiopathische Umweltintoleranz, die auf elektromagnetische Felder zurückzuführen ist (IEI-EMF), oder als Mikrowellenkrankheit, wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht als durch die Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern (EMF) verursacht angesehen. EHS ist nirgendwo auf der Welt als Krankheit anerkannt. Einige Studien haben grob geschätzt, dass 1-10 % der Bevölkerung in irgendeiner Form von EHS betroffen sein könnten. Da es jedoch keine Diagnosekriterien für EHS gibt, sind diese Schätzungen möglicherweise entweder zu niedrig oder zu hoch angesetzt. Da die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung EMF ausgesetzt ist, stellt die Möglichkeit der Entwicklung von EHS aufgrund von EMF-Einwirkung ein wichtiges Problem für die öffentliche Gesundheit dar, das weltweit angegangen werden sollte, auch wenn das individuelle Risiko der Entwicklung von EHS gering sein mag. Die WHO erkennt an, die Symptome, die EHS-Personen erfahren, können schwerwiegend sein und das tägliche Leben erheblich beeinträchtigen. Nach einer umfassenden Analyse internationaler und nationaler Dokumente scheint es derzeit jedoch keine Bemühungen zu geben, gesundheitspolitische Maßnahmen für den Umgang mit EHS zu entwickeln, ganz gleich, welche Ursachen das Phänomen hat. Die nationalen Regierungen folgen den Stellungnahmen der WHO und der Organisationen, die EMF-Sicherheitsstandards setzen, der Internationalen Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP) und dem Institute of Electrical and Electronics Engineers - International Committee on Electromagnetic Safety (IEEE-ICES). Konkrete gesundheitspolitische Empfehlungen für selbsterklärte EHS-Betroffene gibt es nicht. Die von selbsterklärten EHS-Betroffenen empfundenen Symptome beeinträchtigen jedoch ihr Wohlbefinden und sind gemäß Satzung der WHO ein Gesundheitsproblem. Unabhängig von den Ursachen der EHS-Symptome sollte daher diese eingeräumte Beeinträchtigung des Wohlbefindens weltweit durch die Entwicklung einer einheitlichen Gesundheitspolitik behandelt werden. Darüber hinaus sollten WHO, ICNIRP und IEEE-ICES Forschung befürworten und unterstützen, die verlässliche wissenschaftliche Erkenntnisse über die mögliche(n) Ursache(n) von EHS liefert. Ohne eine solche Forschung ist es nicht möglich, Diagnosemethoden zu entwickeln und mögliche Abhilfemaßnahmen zu ergreifen. Es ist dringend erforderlich, dass sich die WHO bei den nationalen Regierungen für die rasche Entwicklung einer umfassenden und gemeinsamen EHS-Gesundheitspolitik einsetzt.

Kommentar: Aus meiner Sicht ist es äußerst fraglich, ob Leszczynski mit seinem Vorschlag einen politischen Prozess der Willensbildung starten kann. Wozu auch? Wenn eine Person glaubt, sie leide kausal unter extrem schwacher EMF-Exposition und sie entwickelt schon beim Verdacht einer solchen Exposition schwerwiegende Symptome, dann sind die Gesundheitssysteme der Nationalstaaten darauf gut vorbereitet. Besagte Person bekommt auch ganz ohne spezifische EHS-Gesundheitspolitik die wahrscheinlich treffende Diagnose F22 "anhaltende wahnhafte Störung" und eine Therapieempfehlung, welche von der Person mutmaßlich boykottiert wird. Fertig. Hinzu kommt: Nur sehr wenige EHS sind so stark betroffen, dass sie ihr Leben nach der Störung ausrichten (z.B. Vermeidungsverhalten), die große Mehrheit hat Bagatellsymptome, die keiner Behandlung bedürfen. Um aus dieser für stark betroffene EHS unbefriedigenden Nummer herauszukommen würde es schon genügen, gäbe es weltweit nur einen einzigen EHS, der schwache EMF reproduzierbar mit statistischer Signifikanz und ohne Schummeleien erkennen könnte. Gegenwärtig ist jedoch nicht zu erwarten, dass ein solcher EHS jemals gefunden wird. Ergo wird es wohl so kommen: Leszczynskis Idee wird als ABM identifiziert – und abgeheftet.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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