https://klaus-buchner.eu ist nicht sicher (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 17.01.2023, 23:23 (vor 482 Tagen) @ H. Lamarr

Die Europaabgeordneten Michèle Rivasi (Europe Écologie) und Klaus Buchner (ÖDP) haben einen Bericht in Auftrag gegeben, der massive Interessenkonflikte von ICNIRP nachweisen soll. Der 98-seitige Bericht (englisch), der von Rivasi und Buchner auch koordiniert wurde, ist jetzt unter dem Originaltitel "The International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection: Conflicts of interest, corporate interests and the push for 5G"*) veröffentlicht worden (Die Internationale Kommission zum Schutz vor nicht-ionisierender Strahlung: Interessenkonflikte, Unternehmensinteressen und der Schub zugunsten von 5G).

Mein Browser lehnte heute den Download des Buchner/Rivasi-Berichts ab mit der Begründung:

Die Verbindung mit dieser Website ist nicht sicher.
klaus-buchner.eu hat eine ungültige Antwort gesendet.

Momentan lässt sich der Bericht ersatzweise noch bei Michèle Rivasi downloaden.

Anlass, den alten Link überhaupt als "tot" zu bemerken, war eine fragwürdige Textpassage über Neil Cherry in der deutschen Druckfassung des Buchner/Rivasi-Berichts, herausgegeben von der sogenannten Kompetenzinitiative:

[...] Scharfer und langjähriger Kritiker der ersten ICNIRP-Richtlinien war Dr. Neil Cherry, Associate Professor für Umweltgesundheit. Im November 1999, vor Einführung der ICNIRP-Grenzwerte für Mobilfunkzellen in Neuseeland, führte Dr. Cherry im Auftrag des neuseeländischen Gesundheitsministerium/Umweltministeriums ein Gutachten über die ICNIRP-Grenzwertempfehlungen durch. [66] [...]

Quelle 66 führt zu dem besagten Papier von Cherry, eine schmucklose Word-Datei.

Spanisch kam mir in der Textpassage vor, dass Cherry im Auftrag des neuseeländischen Gesundheitsministerium/Umweltministeriums ein Gutachten verfasst haben soll, denn meine Recherchen zu dem 2003 verstorbenen Neuseeländer zeigten ein völlig anderes Bild.

Und es kam wie geahnt: In seinem Papier nennt Cherry weder das neuseeländische Gesundheitsministerium als Auftraggeber, noch das Umweltministerium. Er nennt überhaupt keinen Auftraggeber! Das Papier ist auch kein Gutachten, sondern eine offensichtlich von Cherry in Eigenregie vorgetragene Sammlung von Material zulasten von Icnirp anlässlich einer 2000/2001 stattgefundenen Anhörung vor dem australischen Oberhaus (Senat). Anlässlich der Einführung von 5G gab es übrigens wieder so eine Anhörung. Das "Gutachten" war bestenfalls ein retrospektives Parteigutachten für die Fraktion der Bedenkenträger im Senat. Und nur beim ersten Blick auf die Titelseite möchte man meinen, Cherrys Papier erschien im September 2000 zeitnah zu der Anhörung. Doch das stimmt nicht, es erschien erstmals 2002 und Cherry wollte es anscheinend gemäß seinem Copyright-Vermerkt bis 2005 mehrfach aktualisieren.

An der besagten Textpassage in der deutschen Druckfassung des Buchner/Rivasi-Berichts stimmt also mit Verlaub kein Wort.

Möglicherweise hat jedoch ein Übersetzer Mist gebaut und das englische Original beschreibt den tatsächlichen Sachverhalt korrekt:

[...] A fierce and long-standing critic of the first ICNIRP guidelines was Dr Neil Cherry, Associate Professor of Environmental Health. In November 1999, Dr Cherry was invited by the Ministry of Health/Ministry for the Environment of New Zealand to carry out a peer-review of the proposal to adopt the ICNIRP guidelines for cell sites in New Zealand. [...]

Nein, aus dem blödsinnigen "Professor für Umweltgesundheit" wird zwar ein erträglicher "Professor für Umwelt und Gesundheit", statt einem "Auftrag" ist es jetzt nur noch eine "Einladung" und aus dem "Gutachten" wurde eine "Qualitätsprüfung", doch auch das Original faselt unbelegt von zwei Ministerien, die Cherry eingeladen hätten, und verlegt den Schauplatz von Australien nach Neuseeland.

Auch das englische Original des Berichts ist damit Desinformation pur. Knackpunkt ist der irreführende Link auf das Cherry-Papier von 2002. Der zutreffende und seriöse Link wäre der auf die Anhörung in Australien 2000/2001 gewesen (siehe oben). Dann hätten sich die Autoren des Berichts noch damit herausreden können, dass Australien und Neuseeland in Sachen HF-EMF-Grenzwerte nicht getrennte Wege gehen, sondern Seite an Seite marschieren. Warum sie den leicht zu findenden Link verschmähten weiß ich nicht, vielleicht deshalb, weil die Leser dann nicht exklusiv die Standpunkte von Neil Cherry zu Gesicht bekommen hätten, sondern auch die von seinem Gegenspieler, dem Australier Mike Repacholi, der seinerzeit der erste Icnirp-Vorsitzende war. Wie dem auch sei, Fakt ist: Ein Jahr nach der Anhörung führte Australien mit einer gesetzlichen Regelung die Icnirp-Referenzwerte von 1998 ein, Neuseeland hatte dies bereits 1999 getan, jedoch auf eine gesetzliche Regelung verzichtet und stattdessen die Einhaltung der Icnirp-Referenzwerte in seine Umweltvorschriften aufgenommen.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Desinformation, Grenzwerte, Australien, Buchner, Cherry, Rivasi, Neuseeland, Icnirp-Referenzwerte, Buchner/Rivasi-Report


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