Faktencheck Grauer Star: Gesprächsdauer & Leistungsregelung (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 23.04.2023, 13:38 (vor 392 Tagen) @ H. Lamarr

Alle gaben an, über acht bis zwölf Jahre hinweg ihr Mobiltelefon täglich mindestens vier bis maximal sechs Stunden genutzt zu haben. Die starke Nutzung der Mobiltelefone erklärt Roth damit, die Mehrheit der Patienten stamme aus beratenden Berufsgruppen (Makler, Anlageberater, Anwälte) die beruflich häufig telefonieren müssten.

Mag ja sein, dass diese ungewöhnlich starke Nutzung tatsächlich vorlag, sollte der Augenarzt jedoch nur nach der "Nutzung" gefragt haben, könnte dies zu undifferenziert gewesen sein. Denn schon 2013 erreichte das mit Mobiltelefonen abgewickelte Datenvolumen in Deutschland 267 Mio. GByte. Beim Datenabruf (E-Mail, Internet, Apps ...) wird ein Mobiltelefon nicht an den Kopf, sondern in der Hand gehalten. Gemäß Jahresbericht 2013 der BNetzA gab es seinerzeit 103,35 Mio. Mobilfunkteilnehmer (M2M ist da schon rausgerechnet), die 110 Mrd. Gesprächsminuten abgehenden Verkehr hatten. Dies ergibt im Durchschnitt eine Gesprächsdauer von rd. 3 Minuten täglich. Unter der Annahme, dass ankommender Verkehr gleich stark war, wären wir bei täglich durchschnittlich 6 Minuten. Roths Patienten wollen hingegen 240 Minuten bis 600 Minuten täglich telefoniert haben. Ausschließen kann ich das nicht, wahrscheinlicher ist mMn jedoch, dass in diesen Zeitspannen von ihnen auch Datenverkehr abgewickelt wurde und die Gesprächsminuten mit dem Mobiltelefon am Kopf weniger waren.

Was Roths Praxisbericht wirklich wertlos macht

Einflussreicher ist der Aspekt der Leistungsregelung, die bereits bei GSM-Mobiltelefonen ab 1992 gegeben ist. In unserem Linienbusprojekt konnten wir zeigen, dass Mobiltelefone im GSM900-Modus je nach Verbindungsqualität mit Peak-Sendeleistungen zwischen 20 mW bei guten Verbindungen und 2000 mW bei schlechten Verbindung arbeiteten. Diese Variation um Faktor 100 macht deutlich, dass allein aus der Gesprächsdauer kein valider Rückschluss auf die Immission der Augen möglich ist. Anschauungsbeispiel: Wer 500 Minuten mit 20 mW telefoniert hat denselben Energieeintrag in die Augen wie einer, der 5 Minuten mit 2000 mW telefoniert. Roths Zeitangaben suggerieren lediglich eine starke EMF-Immission der Augen, tatsächlich kann es wegen der Leistungsregelung situationsabhängig jedoch völlig anders gewesen sein. Auch aus diesem Grund ist sein Praxisbericht faktisch wertlos, da er eine maßgebliche Variable der Immission nicht berücksichtigt.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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