Faktencheck: Können Smartphones Grauen Star verursachen? (IV) (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Samstag, 22.04.2023, 16:06 (vor 380 Tagen) @ H. Lamarr

Diagnose-Funk verbreitet den Artikel von Roth einschließlich einer ergänzenden Interpretation der Ergebnisse auf dieser Webseite.

Schauen wir uns abschließend an, wie der Anti-Mobilfunk-Verein Diagnose-Funk den Praxisbericht von Dr. med. Hans-Walter Roth verwurstet hat.

Framing: Das Blatt "Der Augenspiegel" bringt Roths Privatstudie wohlweislich unter dem Kolumnentitel "Praxisbericht". Mutmaßlich will die Redaktion damit deutlich machen, dass sie den Artikel nicht als wissenschaftliche Studie wertet. Im Originaltext verwendet der Autor selbst nur auf der letzten Seite für sein Werk zweimal den Begriff "Retrospektivstudie". Diagnose-Funk hingegen versucht mit Framing den Praxisbericht zum wissenschaftlichen Werk eines "Augenarztes und Wissenschaftlers" aufzuwerten. Der Verein bezeichnet in seinem Text die Arbeit von Roth ausnahmslos als "Studie". Darauf aufbauend versucht der Verein wiederholt seine Leser mit dem Framing einzuwickeln, Roths "Studie" habe eine EMF-Schadwirkung "nachgewiesen" oder ein Risiko "bestätigt". Beides ist falsch, die mängelbehaftete Privatstudie eines Augenarztes kann weder das eine noch das andere leisten.

Kolportage: Diagnose-Funk kommt über eine Kolportage von Roths Paxisbericht nicht hinaus, jegliche sach- oder sogar fachkundige Bewertung des Inhalts fehlt. Fälschlich behauptet der Verein, der von Roth berichtete Zusammenhang zwischen Smartphonenutzung und Grauem Star sei ursächlich, also ein Kausalzusammenhang. Für so eine Behauptung hätte Roth jedoch eine randomisierte kontrollierte Studie (RCT) durchführen müssen und keine mängelbehaftete Beobachtungsstudie. Eine einzelne Beobachtungsstudie, selbst wenn sie sorgfältig geplant und durchgeführt wird, kann niemals einen Kausalitätsnachweis erbringen. Offensichtlich ist dem Stuttgarter Verein der Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität nicht klar. Dies wiederum ist verständlich, denn für wissenschaftliche Studien ist dort kein Wissenschaftler zuständig, sondern ein gelernter Drucker Ruhestand.

Copy-Paste: Einen Großteil seines Textes bestreitet der Verein mit wortwörtlicher Textübernahme aus Roths Artikel. Die entscheidende Textpassage, in der Roth die Auswahlkriterien für seine Fallgruppe schildert und dabei einen gravierenden Fehler begeht, klammert Diagnose-Funk bei seiner Textübernahme aus.

Schrottflinte: Verirrt sich ein Websurfer auf eine Seite von Diagnose-Funk, versucht der Verein den Besucher mit einer Fülle von "Begleitinformationen" auf seiner Website zu halten. Dies trifft auch für die momentan relevante Seite zu, die von den Stuttgartern über den eigentlichen Sachverhalt hinaus mit Textfragmenten und Links zu "ähnlichen" Sachverhalten aus dem Fundus des Vereins gestreckt wurde (z.B. Ausführungen über den Blaulichtanteil von Handy-Displays). Die Links zu Hässig et al., die in diesem Sammelsurium von Füllstoff zu finden sind, lassen einen indes schmunzeln. Nicht, weil die unbestätigten Studien des Schweizer Veterinärs schlecht gemacht wären, sondern weil sie Grauen Star bei Kälbern von Milchkühen in Zusammenhang mit EMF-Exposition des Muttertiers während der Tragzeit durch Funkmasten belegen wollten. Hätten die ungeborenen Kälber Mobiltelefone benutzt, wäre ein Zusammenhang zu Roths Erkenntnissen nachvollziehbar. So aber sind die Links eher nur spaßig. Michael Hässig hat seine Forschung an Kälbern, die mit Linsentrübung zur Welt kamen, 2015 aufgegeben. Zu seinen Bemühungen inspiriert wurde der Wissenschaftler von dem öffentlichen Getöse, das der Schweizer Landwirt Sturzenegger ab etwa 2006 mit gütiger Unterstützung durch organisierte Mobilfunkgegner veranstaltete. Hässig konnte einen Kausalzusammenhang zwischen schwacher HF-EMF-Exposition und Kälbern mit Grauem Star nicht nachweisen. Frustriert räumte er 2016 ein: "Die Problematik scheint in der Öffentlichkeit grösser zu sein, als sie wirklich ist, möglicherweise deshalb, weil sich in der Vergangenheit einige wenige betroffene Landwirte wirkungsvoll mediales Gehör verschaffen konnten." An der "Gehörverschaffung" war Diagnose-Funk maßgeblich beteiligt, Hinweise auf Hässigs Scheitern sind auf der Website des Stuttgarter Vereins hingegen so häufig wie Eisbären in der Sahara.

Früher wurde bei Diagnose-Funk noch der Name des Autors genannt, der einen Artikel auf der Website des Vereins zu verantworten hatte, häufig war es Peter Hensinger. Da wusste man wenigstens, wer der Täter war und konnte diesem gezielt auf die Finger klopfen. Hat möglicherweise zu weh getan. Diagnose-Funk nennt schon seit vielen Jahren keine Autoren mehr, kommen diese aus den eigenen Reihen.

[Admin: Text im ersten Blickpunkt ergänzt am 23.04.2023]

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Manipulation, Irreführung, Kausalität, Kolportage, Faktencheck, Autor, Korrelation, Framing, Roth, Beobachtungsstudie


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