Mein kleiner grüner Kaktus... (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 08.05.2007, 00:08 (vor 6217 Tagen) @ Finbarr

Wir sind eine IG und haben den Kampf gegen zahlreichen Masten auf benachbartem Silo aufgenommen.

Dann sollten Sie zu allererst einmal qualifizierte Messungen an den offenen Fenstern Ihrer BI-Mitglieder machen lassen, bevorzugt bei den Fenstern, die Sichtkontakt zum Silo zulassen. Wenn Sie dort Werte unter 1 mW/qm messen und bei Ihren Schlafplätzen vielleicht 100 µW/qm, brauchen Sie nicht weiter zu kämpfen, denn dann sind Sie auch aus kritisch wissenschaftlicher Sicht ungefährdet. Und sollte sich wider erwarten doch etwas bei Ihren Leuten einstellen, z.B. Schlaflosigkeit, dann können wir immer noch weiter diskutieren.

Leider wenig Unterstützung bei vielen Anwohnern und kein Interesse auf Seite des Silovermieters an Dialog mit uns bzw. Auskunft.

Das ist normal. Versuchen Sie auf dem Teppich zu bleiben und keine Panik zu verbreiten. Machen Sie sich bitte folgendes klar:

Der Sicherheitsabstand um die Sender auf ihrem Silo beträgt horizontal vielleicht 6 Meter. Das heißt, wenn alle Sender auf dem Silo auf allen Kanälen mit höchster Leistung senden, dann wird in 6 Meter Abstand der Grenzwert erreicht. Ich nenne dies mal den Fall A. Schlimmer kann es nicht kommen, denn die mächtigen Sender pumpen in diesem Fall alles in die Luft was sie haben und Sie stehen nur 6 Meter von den Masten entfernt. Okay?

So, und jetzt stellen Sie sich Fall B vor: Sie haben eine Autopanne und rufen mit Ihrem "Notfallhandy" Hilfe. Weil es regnet, führen Sie das Telefonat aus dem Auto heraus, so dass auch das kleine Handy auf volle Leistung regelt.

Und jetzt sagen Sie mir, wo Sie oder genauer gesagt Ihr Kopf schlechter dran ist: Im Fall A oder im Fall B?

Nun, normalerweise tippen die Leute immer auf Fall A und schätzen, dass diese Situation ein paar hundertmal übler ist als das simple Telefonat. Tatsächlich aber ist es umgekehrt! Das Handytelefonat belastet Ihren Kopf 25-mal stärker als die schier am Limit orgelnden Basisstationen. Kaum zu glauben, nicht wahr? Aber es ist so, denn für Handys gilt ein Teilkörpergrenzwert von 2 W/kg, für Basisstationen dagegen ein viel strengerer Ganzkörpergrenzwert von 0,08 W/kg - daher der Faktor 25. Und wann ist schon ein Senderstandort so ausgelastet, dass auf allen Kanälen volle Pulle gefunkt wird? Praktisch nie. Die Schieflage zu Lasten der Handys, die durchaus öfter auf volle Sendeleistung schalten, ist in der Praxis also sogar noch weit größer als nur der Faktor 25.

Das heißt, Sie bekämpfen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit den Masten das falsche Ziel. Wenn einer neben Ihnen in ungünstiger Lage mit dem Handy telefoniert, kriegen Sie mehr ab als vom Silo. Ja aber, werden Sie jetzt einwenden, die Handys strahlen ja nicht immer, die Antennen auf dem Silo aber schon! Stimmt. Und wieso sollte aus der schwachen bis schwächsten Dauerbefeldung ein Risiko resultieren? Weil ein paar Kritiker das behaupten? Auf bloßen Verdacht geäußerte Behauptungen wie diese hängen mir mittlerweile zum Hals raus, denn ich wohne mit meiner Familie unbeschadet seit ca. 5 Jahren in unmittelbarer Nähe mehrerer Sendemasten. Und bislang ist uns nichts Auffälliges geschehen. Allerdings: damals, nach Errichtung des nähesten Masten wollten wir ins Zelt auf einem nahen Parkplatz ziehen, weil uns nach Sichtung diverser Webseiten vor Angst die Knie schlotterten. Heute sehen wir vieles klarer und fürchten uns schon lange nicht mehr. Aber das war ein langer und mühsamer Weg, sich aus dem Dickicht der Angstmacher zu befreien und zu einer halbwegs sachlichen Mobilfunkkritik zu kommen.

Vielleicht dies noch: Wer ein Auto hat und sagt, er wolle es nur im Notfall benutzen, der erwartet dann mit Sicherheit Straßen auf denen er fahren kann. Wer ein Handy hat und sagt, er wolle es nur im Notfall benutzen, der darf sich nicht wundern, wenn die Betreiber vorsorglich schon mal Sender aufstellen. Zu Handys ja sagen, zu Sendemasten aber nein, dies führt Sie zwangsläufig in ein Dilemma, aus dem Sie sich so richtig nur durch Einstellen Ihrer Aktivitäten als Mobilfunkgegner (dann dürfen Sie unkritisiert telefonieren) oder mit dem Totalverzicht auf Handys befreien können. Die Grauzone dazwischen wird zwar immer wieder reich bevölkert, freilich mit nur einer Halbwertszeit von sagen wir mal: 3 Monaten.

Lieber desillusioniert Finbarr, als desinformiert!

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Notfallhandy, Sichtkontakt


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