Elektrosmog-Report: Verschwiegene ICNIRP-Mitglieder (Allgemein)
Der Elektrosmog-Report, Ausgabe August 2012, behauptet in seiner Meldung über die angeblich "Kritische Überprüfung der dänischen Kohortenstudie" folgendes:
"Am 17. Juli 2012 schreibt Leszczynski unter "In Expert We Trust" über die zweifelhafte Auswahl von "Experten" und die Etablierung von Expertengremien. Er beschreibt sie als private Clubs, in denen die Mitglieder alle derselben Meinung sind. Der Meinungsführende Club ist die ICNIRP, deren Mitglieder verschweigen, dass sie Kontakt zur Industrie haben."
Soweit der Auszug aus dem sogenannten "Fachinformationsdienst".
Zunächst einmal sei festgestellt, dass die Redaktion des Elektrosmog-Report die obige Passage Prof. Adlkofer unterschiebt, in Adlkofers PDF findet sich nicht die Spur davon. Das ist schlechter Stil, nicht nur journalistisch schlecht.
Warum ausgerechnet die Meinung von Prof. Leszczynski (finnischer Strahlenschutz) so bedeutsam ist, dass sie ohne Not in den Elektrosmog-Report eingeflossen ist, bleibt unklar. Wahrscheinlich liegt das daran, dass sonst niemand von Rang und Namen diese Meinung öffentlich vertritt, und Kritik an der ICNIRP dem dünnen Kampfblättchen der Mobilfunkgegnerei stets gut zu Gesicht steht, egal ob die Kritik berechtigt ist oder nicht.
Da ich organisierten Mobilfunkgegnern aus vielen schlechten Erfahrungen heraus kein Wort mehr glaube, prüfen wir die Behauptungen doch einmal gemeinsam am Original nach:
Das erste was auffällt ist: Leszczynski spricht nicht von "Clubs", sondern von einem "Club", nämlich der ICNIRP.
Tatsächlich ist Leszczynski in diesem Beitrag ungewöhnlich polemisch, wenn er z.B. den ICNIRP-Mitgliedern vorhält: "... the opinion is that there are no proven health effects and that in the future any health effects are unlikely or implausible."
Das angebliche "Verschweigen" von Industriekontakten liest sich bei Leszczynski jedoch anders: "One of the perpetual complaints about ICNIRP members is that they have links to industry and that they have hidden conflict of interest."
Was das für verdeckten Interessenkonflikte seien sollen, sagt der Finne allerdings nicht, möglicherweise meint er den Vorfall um Anders Ahlbom, der 2011 Wellen schlug. Ahlbom war früher Mitglied der ICNIRP gewesen, das was ihm zur Last gelegt wird ist mMn eine Mücke, die zu einem Elefanten aufgebläht wurde. Da gibt es auf Seiten der Mobilfunkgegner erheblich krassere Interessenkonflikte, angefangen beim kleinen Baubiologen bis hin zu dem ehemaligen Tabaklobbyisten, der sich seit zehn Jahren abmüht, Mobilfunk als ernsthafte Risiko-Konkurrenz gegenüber dem Tabakrauchen zu etablieren.
Was Frau Wilke vom Elektrosmog-Report und Prof. Darius Leszczynski den amtierenden ICNIRP-Mitgliedern an verdeckten Interessenkonflikten konkret vorwerfen, ich kann es beim besten Willen nicht erkennen oder nachvollziehen. Denn auf der Website der ICNIRP gibt es explizit zu diesem Punkt eine eigene Seite, auf der die berufliche Karriere und die DOI (Erklärung zu Interessenkonflikten) für jedermann ersichtlich ist. Das ist zum Teufel nochmal vorbildlich, denn wer hier lügt ist dran. So viel Transparenz findet man bei keiner einzigen Organisation der Mobilfunkgegner. Warum wohl nicht?!
Trivial ist aus meiner Sicht der Vorwurf, die Mitglieder der ICNIRP wären alle einer Meinung. Ja, nach außen wird dies sicher so sein, wie es intern zugeht, wissen nur die Mitglieder. Die ICNIRP unterscheidet sich damit in Nichts von den Vereinen der Anti-Mobilfunkszene, die, "wie unerwartet", sogar über die Vereinsgrenzen hinweg alle der Meinung sind, Mobilfunk mache krank und müsse - bis auf die Handys - ersatzlos abgeschafft werden .
Und zum Schluss noch einmal der Dauerlutscher: Sollten Frau Wilke und Herr Leszczynski etwas besseres wissen, einer juristischen Person namens ICNIRP eine Stimme zu geben, außer der Vereinsform, so mögen sie vortreten und konkrete Vorschläge machen. Diese werden mit Sicherheit das Interesse der Anti-Mobilfunk-Vereine finden, sowie die der bekannten Vereine TÜV, VDE und VDI.
Ich schätze Darius Leszczynski für seine unbequemen Kommentare, mit denen er sich gegen vorherrschende Meinungen stemmt und sich z.B. - ein heißes Eisen - über die Kronzeugen der Mobilfunkgegner, die überzeugten Elektrosensiblen, kritisch äußert. Seinen Beitrag “In Experts We Trust” …or should we? werde ich jedoch als Streichergebnis vormerken, denn er kann es mMn weitaus besser.
--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –