Murray vs. Motorola: Mosgöller greift Speit an (Allgemein)
Am 13. Februar 2024 hinterlegten die Beschwerdeführer (Kläger) am Berufungsgericht einen 65 Seiten umfassenden Schriftsatz, mit dem sie ihre konsolidierte Rechtsauffassung begründen, das summarische Urteil der Vorinstanz sei wegen Verfahrensfehlern aufzuheben.
In dem Schriftsatz wird auch versucht, die fünf in erster Instanz an den Daubert-Beweiskriterien gescheiterten Sachverständigen zu rehabilitieren. Dabei werden alte "Reflex"-Wunden neu aufgerissen. Zu dem Sachverständigen Wilhelm Mosgöller heißt es dort u.a.:
Dr. Mosgoeller made clear that supposedly contrary study Speit (2007) could not possibly replicate Schwarz (2008) (published a year later) nor does Speit refer to Diem (2005), and that Speit followed flawed methodology and committed major error by not following the complete exposure practice to bring the exposed cells into the right position.133
Frei übersetzt:
Dr. Mosgoeller stellte klar:
► Die angeblich gegenteilige Studie von Speit (2007) konnte unmöglich Schwarz (2008) (ein Jahr später veröffentlicht) replizieren.
► Speit bezieht sich nicht auf Diem (2005)
► Speit benutzte eine fehlerhafte Methodik und beging einen großen Fehler, indem er die Expositionsmethode nicht vollständig befolgte, um die exponierten Zellen in die richtige Position zu bringen.133
In dem epischen Streit um Adlkofers Wiener/Berliner "Reflex"-Studien dachte ich, dass längst alles gesagt wurde. Doch jetzt bringt Mosgöller einen ganz neuen Aspekt ins Spiel indem er behauptet, der Replikationsversuch von Günter Speit (Universität Ulm) sei 2007 deshalb gescheitert, weil er die exponierten Zellen (mutmaßlich in der Expositionskammer) nicht richtig positioniert hatte. Bislang drehte sich die Auseinandersetzung um Speits gescheiterte Replikation darum, dass Speit vorgeworfen wurde, er habe die Zellen im Gegensatz zu den Originalexperimenten ausschließlich mit unmodulierten HF-Trägersignalen durchgeführt. Die Vorwürfe Adlkofers an Speit lassen sich hier nachlesen, Speits Entgegnung dort. Wie üblich reagierte Adlkofer wortreich auf die Entgegnung. Aus meiner Sicht war es seine Strategie, die eigentlichen Streitfragen zu verwässern. Durch ein unüberschaubares Gewirr von mit Polemik gespickten Vorwürfen und "Dokumentationen" gelang es dem Ex-Tabaklobbyisten von den kritischen Punkten der beiden "Reflex"-Studien abzulenken und die Diskussion auf Nebenkriegsschauplätze zu verlagern, auf denen er seine Kritiker gerne persönlich angriff.
Bei Mosgöllers jüngstem Einwand gegen Speits Replikationsversuch (2007) habe ich wieder den Eindruck, dass hier Ablenkung von der Tatsache betrieben wird, dass bis heute kein einziger Replikationsversuch der fraglichen "Reflex"-Studien geglückt ist. Den Grund dafür sieht ein Gutachter im Streit um Lerchls Fälschungsvorwürfe gegenüber "Reflex" bei den Originalstudien, die wegen technischem oder menschlichem Versagen fehlerhaft seien. Absichtliche Fälschung der Ergebnisse wollte der Gutachter nicht bestätigen, explizit ausgeschlossen hat er sie allerdings auch nicht.
Aus Speits Entgegnung geht hervor, dass er sich entgegen Mosgöllers Darstellung sehr wohl auf Diem (2005) bezieht. Auch das scheinbare Paradoxon, dass Speit (2007) Schwarz (2008) repliziert haben will, ist nicht ausgeschlossen. Denn wie im Johnston-Report zu lesen ist (siehe unten), ließ Adlkofer schon zuvor vorsorglich fragwürdige Ergebnisse unabhängig prüfen. Es könnte daher gut sein, dass Speit von Adlkofer beauftragt wurde, vorläufige Ergebnisse von Schwarz zu prüfen, lange bevor die umstrittene Publikation Schwarz (2008) erschien. Ob dies dann als vollwertige Replikation zu werten ist, hängt von Details ab und wäre zu diskutieren.
Mosgöller wurde von Adlkofer mit einer "Reflex-Nachfolgestudie" beauftragt (Exposition mit UMTS- statt mit GSM-Signalen), die später als Schwarz (2008) für Aufsehen sorgen sollte. Die statistischen Auffälligkeiten dieser Nachfolgestudie lösten 2008 die Auseinandersetzung zwischen Lerchl und Adlkofer aus, die bis Ende 2020 andauerte und mit einem OLG-Urteil endete, das es Lerchl verbietet, seine Fälschungsvorwürfe zu wiederholen. Entgegen anderslautender Meldungen aus Kreisen organisierter Mobilfunkgegner ist mit diesem Urteil jedoch keine Rehabilitation der umstrittenen "Reflex"-Studien verbunden.
Die Quelle 133 im Schriftsatz der Kläger verweist leider nur auf einen Anhang (Apx.) des Schriftsatzes, der nicht öffentlich einsehbar ist. Lediglich die zugehörige Fußnote (siehe unten) lässt erahnen, dass sich die Kläger auf Mosgöllers erstinstanzliche Anhörung am 13. September 2022 beziehen, deren Protokoll ebenfalls nicht veröffentlicht wurde. Die in der Fußnote lesbaren Äußerungen sind anscheinend welche von Mosgöller.
133 Apx., 4692, 4696, 4702-4703 [Daubert Hrg., 74:1-25, 78:11-23, 84:20-85:20 (Sept. 13, 2022 AM) (“You can’t replicate what hasn’t been done yet.”) (Due to Speit’s major flaws, he gave it no weight and did not include it.)]
Tiefe Einblicke in die dunkle Frühgeschichte der Wiener/Berliner "Reflex"-Studien gibt der von zwei Wissenschaftlerinnen verfasste Johnston-Report aus dem Jahr 2008.
Hintergrund
Reflex-Replikationen - Sammelstrang
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
gesamter Thread:
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