NTP-Replikation in Korea/Japan: Zwischenstand (III) (Forschung)

H. Lamarr @, München, Samstag, 10.06.2023, 01:53 (vor 364 Tagen) @ H. Lamarr

Vortrag Young Hwan Ahn (Korea)

Young Hwan Ahn (private Ajou University, Süd-Korea) machte zunächst die Ziele der beiden NTP-Replikationen deutlich:

► Bewertung des karzinogenen Potenzials eines CDMA-Signals (900 MHz) bei 2-jähriger Exposition von männlichen Harlan-SD-Ratten.

► Validierung (Prüfung) von Teilen der NTP-Studie hinsichtlich des karzinogenen Potenzials.

Verantwortlich für die Replikation in Korea ist das Korea Institute of Toxicology (KIT), in Japan ist es das Daiyu-kai Institute of Medical Science, Inc. (Dims).

Die Expositionskammern (Reverberation Chamber, RC) wurde von Etri (Korea) und NIT (Japan) entworfen. Gebaut wurden sie von KSC Ltd., Cheongju, Korea. Jede Studiengruppe bekam im Februar 2020 zwei Kammern für die Scheinexposition und die Exposition. Validiert wurden die Kammern vor Ort von Etri und NIT. Die Original-NTP-Studie verwendete 21 Kammern.

Je Kammer passten beim US-Original 90 Ratten inkl. Käfig hinein, bei den Replikationen waren es bis zu 75 Ratten. Der homogen befeldete Raum war bei NTP 1,5 m x 1,5 m x 1,5 m groß (B x L x H), bei den Replikationen geringfügig kleiner (1,5 m x 1,5 m x 1,3 m)

Ungewöhnliches Detail am Rande
Die Original-NTP-Studie fand in Chicago statt, die Replikationen in Daejeon (Korea) und Nagoya (Japan). Die drei Städte liegen ungefähr auf demselben Breitengrad, haben also in etwa gleiche Abstände zum Äquator. Damit soll aus Sicht des Postingautors von vornherein verhindert werden, dass vom Original abweichende Studienergebnisse mit voneinanander stark abweichenden Breitengrad-Positionen (unterschiedliche geophysikalische Bedingungen), der ausführenden Labore begründet werden könnten.

Worin sich die Original-NTP-Studie und die beiden Replikationen unterscheiden und wo Übereinstimmung herrscht, zeigte Ahn mit Bild 1:

Bild 1: US-Original und Replikationen der NTP-Studie im Vergleich
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Alle Bilder: KIT

28-Tage-Studie
Über die 28-Tage-Studie berichtet Ahn die Gewichtsentwicklung und die Nahrungsaufnahme der Versuchstiere. Die rektal gemessene Temperatur der Versuchstiere vor und nach der Exposition unterschied sich um weniger als 1 °C.

► Pathologische Analyse derzeit (Stand Juni 2022) in Arbeit
► Institutionelle Überprüfung und Gegenkontrolle durch KIT und Dims
► Weitere Diskussion in einem bilateralen Treffen
► Abschlussbericht wird veröffentlicht

Erwähnenswert: Die 28 Tage sind nicht mit der Expositionsdauer gleich zu setzen. Denn diese war länger. Die Tiere wurden bereits während der Schwangerschaft des Muttertiers befeldet (16 Tage) und in der Stillphase (21 Tage). Die 28-Tage-Befeldung beziehen sich auf die Zeitspanne nach der Entwöhnung der Jungtiere. Dies gilt sinngemäß auch für die 2-Jahre-Studie.

Vorläufiges Ergebnis der 2-Jahre-Studie
Hier gab es bei den Koreanern einen unerwarteten Störfall. Vier exponierte Ratten wurden 13 Wochen nach Entwöhnung tot in der Expositionskammer aufgefunden. Über die Todesursachen gab es keine Angaben. Der Vorfall führte zu einer Änderung des Studienplans, damit die Anzahl von 70 Ratten pro Gruppe beibehalten werden konnte. Ahn dokumentierte die Folgen des Störfalls in seiner Präsentation nur knapp, so dass die folgende Erklärung spekulativ ist.

Ursprünglich war geplant, alle Gruppen mit 75 Ratten auszustatten, von denen am Ende der 13. Woche je fünf für die genotoxikologischen Tests hätten entnommen werden sollen (siehe Teil II) und nur die restlichen 70 Tiere je Gruppe die 2-Jahres-Studie absolvierten. Wegen des unerwarteten Ablebens der vier Ratten in der Expositionsgruppe kurz vor dem Entnahmezeitpunkt schrumpfte der Bestand der Expositionsgruppe von 75 auf 71 Tiere und er wäre für die Restlaufzeit der 2-Jahre-Studie auf 66 geschrumpft, hätte man auch noch die fünf Kandidaten für die Gentox-Tests entnommen. Um die Restlaufzeit wie geplant dennoch mit 70 Ratten pro Gruppe durchzuführen zu können, entschied man sich, der Expositionsgruppe ein Tier zu entnehmen, den beiden anderen Gruppen fünf und vorerst auf die Gentox-Tests zu verzichten. Diese Tests wurden nach Abschluss der 2-Jahre-Studie, als die Expositionskammern wieder frei waren, mit einem Neustart der 13-wöchigen Prozedur mit nun nicht fünf, sondern 20 Ratten pro Gruppe, nachgeholt. Wegen dieser Verzögerung werden die finalen Ergebnisse der Replikationen wahrscheinlich erst 2024 publiziert.

Über die Gewichtsentwicklung der Tiere in der 2-Jahre-Studie berichtete Ahn:

► Signifikant niedriger bei den exponierten Ratten (Tag 1 bis Tag 176) im Vergleich zu Käfigkontrollen und Scheinexposition.

► Signifikant niedriger bei exponierten Ratten und Käfigkontrollen (Tag 204 bis Tag 400) im Vergleich zu scheinexponierten Ratten.

Zwischen Tag 8 und Tag 463 war auch die Nahrungsaufnahme der exponierten Ratten signifikant niedriger als die der Ratten in den beiden anderen Gruppen.

Die Überlebensquoten in den drei koreanischen Versuchsgruppen bis zur Woche 75 (von 104) zeigt Bild 2. Den auffälligsten Unterschied zu den Überlebensquoten in den japanischen Versuchsgruppen (siehe Teil II) zeigen die koreanischen Käfigkontrollen mit 100 Prozent Überlebensquote. In Woche 75 hatten die japanischen Kontrollen bereits acht oder neun von 70 Tieren verloren. Übereinstimmend zeigen beide Replikationen (allerdings zu unterschiedlichen Zeitpunkten), dass die scheinexponierten Gruppen mehr Ausfälle haben als die exponierten. In Bild 2 fehlt bei der Legende der Farbcode für die grüne Kurve, diese zeigt die Überlebensquote der scheinexponierten Tiere. Über die Todesursachen der scheinexponierten und exponierten Tiere machte Ahn keine Angaben.

Bild 2: Überlebensquote in den drei Gruppen (Korea).
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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