Waldmann-Selsam: Baumschäden durch Mobilfunkstrahlung (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Samstag, 11.06.2022, 02:04 (vor 709 Tagen)

Dr. med. C. Waldmann-Selsam hat ein neues Märchenbuch über ihr Lebenswerk verfasst, die Beobachtung von Baumschäden, welche die Wanderärztin unbeirrt auf Mobilfunkeinwirkung zurückführt. Das Buch hat 102 Seiten, wird von dem "Elektrosensiblen"-Verein Weiße Zone Rhön herausgegeben und von dem Anti-Mobilfunk-Verein Diagnose-Funk für 7 Euro zzgl. Versandkosten angeboten.

Über Waldmann-Selsam und ihre Mission ist hier im Forum schon so ziemlich alles gesagt worden, was es zu sagen gibt. Dass ich das abgekaute Thema noch einmal aufkoche liegt an der Behauptung von Diagnose-Funk, seit 2005 dokumentiere die Ärztin akribisch den Einfluss von Mobilfunk-Sendeanlagen auf Bäume. Denn das Datum ist meinen Informationen nach gelogen.

Wie alles begann

Waldmann Selsam trat Ende 2004 der Anti-Mobilfunk-Szene bei und veranstaltete im Januar 2005 ihr erstes Bamberger Mobilfunk-Symposium, das zugleich ihr bislang letztes war. Fortan sammelte sie Kasuistiken von überzeugten Elektrosensiblen und publizierte die Top 25 ihrer Sammlung in Gestalt anekdotischer Fallgeschichten in einem Din-A5-Heftchen. Über Bäume verlor sie bis 2008 kein Wort. Im Mai 2006 geriet Waldmann-Selsam unter Druck, ihr wurde öffentlich eine Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht vorgeworfen, denn in ihrem Heftchen nannte sie anfänglich die Betroffenen beim Namen. Die Ärztin sammelte unermüdlich weiter und wiederholte ihren Fehler in jüngeren Ausgaben ihrer Sammlung nicht. Ihre Anerkennung außerhalb der Szene aber blieb aus. Im August 2006 wurde sie mit anderen Medizinern der Szene zu einem Fachgespräch ins Bundesamt für Strahlenschutz gerufen. Dort wurde ihr klar gemacht, ihre dilettantischen Fallberichte seien für eine qualifizierte Risikobeurteilung unbrauchbar, solange sich ihre Berichte nicht an den Standards guter wissenschaftlicher Praxis orientierten. Das muss weh getan haben. Doch es sollte noch schlimmer werden. Im April 2007 erschien im Spiegel die treffende Reportage eines Journalisten, der die Wanderärztin anlässlich ihrer Hausbesuche bei "Elektrosensiblen" begleitet hatte. Schon der Titel der Reportage ("Der Hamster ist Zeuge") lässt erahnen, außerhalb ihrer Filterblasen und Echokammern stößt die heilige Mission Waldmann-Selsams nicht auf Gegenliebe.

Weniger Ärger mit stummen Zeugen

Mutmaßlich gab die vernichtende Reportage den letzten Anstoß: Waldmann-Selsam sattelte um. Ab 2008 (es kann auch 2009 gewesen sein) dokumentierte sie nicht mehr die Fallgeschichten von Menschen, die der Überzeugung sind "elektrosensibel" zu sein, sondern wandte sich Gewächsen zu (meist Bäume), die ihrer Überzeugung nach durch Mobilfunk geschädigt wurden. Bereits vor ihr hatte der "Elektrosensible" Volker Schorpp mit pseudowissenschaftlichen Vorträgen über mobilfunkgeschädigte Bäume in der Szene einen gewissen Erfolg, der aus meiner Sicht freilich weniger der abwegigen These und deren Begründung geschuldet war, als dem Umstand, dass der Referent Doktor der Physik ist. Autoritäten aus den eigenen Reihen genießen bei Mobilfunkgegnern stets hohe Akzeptanz, selbst dann, wenn sie im minutentakt Unsinn erzählen.

Waldmann-Selsam schloss sich Schorpp an und eine zeitlang traten sie gemeinsam auf, um im Duett Vorträge über ihr Thema vor Gesinnungsgenossen in ganz Deutschland zu halten. Diese Phase ist jedoch vorbei, von Schorpp hört und sieht man seit vielen Jahren nichts mehr, wahrscheinlich hat er die Szene verlassen. Waldmann-Selsam blieb ihr treu. 2009 outete sie sich vor der Kamera von Spiegel-TV nun selbst als schwer "elektrosensibel" und unbeirrt aller Kritik sammelte sie fortan weiter ihre "Baumkasuistiken", die sie den Gutgläubigen der Szene unverdrossen hin und wieder in neuen Bildbänden vorlegt.

Absurder Versuch einer Beweisführung

Die Bildbände zeigen jedem Kind einen Zusammenhang zwischen kranken Bäumen und Mobilfunkmasten. Bei rd. 90 Mrd. Bäumen und rd. 73'000 Mobilfunkstandorten in Deutschland ist es auch nicht sonderlich schwierig, diesen Zusammenhang vielerorts zu finden und nur dann auf den Auslöser der Kamera zu drücken, wenn ein Baum Schäden zeigt, nicht aber, wenn ein Baum neben einem Funkmasten kerngesund ist. Die Anzahl ihrer Bilder ist deshalb bedeutungslos, sie beweist nichts. Bildbände von gesunden Bäumen neben Funkmasten in Deutschland hätten wahrscheinlich nicht 102 Seiten, sondern hunderttausend. Dem entscheidenden Punkt, ob zwischen Baumschäden und Mobilfunkexposition ein Kausalzusammenhang besteht, ist Waldmann-Selsam seit 2008 keinen Schritt näher gekommen. Wie denn auch, wenn sie ihre Zeit damit vergeudet, mit einer untauglichen Methode einen Scheinbeweis zu führen, von dem sie hofft, dass dieser mit zunehmender Masse (statt Klasse) glaubwürdiger wird. Mathematisch sieht das z.B. so aus: 102 x 0 = 0.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Radar, Geschäft, Waldmann-Selsam, Schorpp, Baumschäden, Richtfunk, Volkrodt, Bernatzky, Baumkasuistiken, Bildband


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