Fall Brown: Die Legende von den Pariser Bibliotheken (Elektrosensibilität)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 04.03.2021, 23:39 (vor 1174 Tagen) @ H. Lamarr

Diagnose-Funk hat die Meldung von der Website der Bürgerwelle (BW) Schweiz erbeutet und verwurstet diese nun auf der eigenen Website mit dem Orginaltitel und einem selbst erfundenen Untertitel ...

Diagnose-Bürgerwelle verweisen in ihrer Meldung auf einen W-Lan-Bann in Pariser Bibliotheken:

2008 wurden WLAN-bedingte Beschwerdesymptome von Mitarbeitern in Pariser Bibliotheken bekannt. Die Gewerkschaften schalteten sich ein, und die neuen WLAN-Anlagen der Bibliotheken wurden ausser Betrieb genommen.

Soso ...

Das IZgMF-Forum weiß es besser.

Nicht "in Pariser Bibliotheken" wurde 2008 W-Lan außer Betrieb genommen, sondern nur in einer, nämlich der französischen Nationalbibliothek (BNF). "Beschwerdesymptome" der Belegschaft wurden seinerzeit nicht kolportiert. Zu entnehmen ist dies einer Meldung, die über die französischen Spinner von Next-up und Gigaherz-Evi den Weg ins IZgMF-Forum fand. Immerhin bei der Jahreszahl 2008 liegen Diagnose-Bürgerwelle richtig und, ja, einer anderen Quelle zufolge hatte tatsächlich eine übereifrige Gewerkschaft (FSU) die Vorsorgemaßnahme der Bibliotheksleitung provoziert.

Weiter kennt das IZgMF-Forum den Grund für das, was bei den deutsch-schweizerischen Mobilfunkgegnern schief gelaufen ist. Denn wenige Monate vor der BNF schalteten Ende 2007 in Paris vier andere Bibliotheken W-Lan ab und dieser Schritt wurde tatsächlich mit von der Belegschaft gemeldeten Gesundheitsbeschwerden begründet. Der Kulturbeauftragte der Stadt sagte seinerzeit, man müsse die Sorgen der Mitarbeiter ernst nehmen, egal ob die Klagen des Personals psychologische oder andere Gründe hätten.

Rückblickend lässt sich heute sagen: Die fünf Pariser Bibliotheken wurde 2007/2008 von einer kleinen Massenpsychose des Personals bzw. des Managements heimgesucht, mutmaßlich befeuert durch unqualifizierte Medienberichte über angebliche W-Lan-Risiken, welche von organisierten Mobilfunkgegnern mit großem Fleiß breit gestreut werden.

[image]Bild: Alle 28 Bibliotheken in Paris sind mit W-Lan ausgestattet.

Gemäß Wikipedia gibt es in Paris 28 Bibliotheken inkl. der Parlamentsbibliothek, den Museums-, Hochschul- und Fachbibliotheken sowie der BNF. Die Webseite Best library wifi in Paris listet nun ebenfalls 28 Bibliotheken, die ALLESAMT W-Lan bieten, die meisten gratis, der Rest gegen Bezahlung. Mit dabei ist die Nationalbibliothek BNF, sie bietet ihren Besuchern W-Lan (wieder) unentgeltlich an, spätestens seit 2017. Bereits 2012 stattete die BNF an zwei Standorten insgesamt 430 Leseplätze auch mit Kabel-Lan-Zugangspunkten für Internetrecherchen aus.

Diagnose-Bürgerwelle verbreiten den Schnee von 2007/2008 als wäre dieser auch 2021 noch Neuschnee. Warum? Weil sie mit allen Mitteln irrationale Ängste gegenüber W-Lan schüren wollen und belastbare Sachargumente fehlen. Da die Wissenschaft nach den Vorstellungen von Diagnose-Funk nicht lieferte, beauftragte der Verein kurzerhand gegen Honorar eine Gesinnungsgenossin im Ruhestand mit der Anfertigung einer "W-Lan-Review". Diese wurde 2018 in einer wissenschaftlich bedeutungslosen Verbandszeitschrift publiziert und postwendend vom Bundesamt für Strahlenschutz als "unwissenschaftlich" verworfen. Unter diesen kargen Umständen ist es nachvollziehbar, dass sich Diagnose-Bürgerwelle selbst an mehr als zehn Jahre alte Strohhalme wie die Legende von den Pariser Bibliotheken klammert.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Legende, Paris, Kolportage, WLan, Bibliothek, Gewerkschaft


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