Zwischenfazit: Deutschland spricht nicht über 5G (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 08.12.2020, 19:51 (vor 1253 Tagen) @ H. Lamarr

Seit rd. 1 Monat ist die Diskussionsplattform der Dialoginitiative nun am Netz, den ersten Beitrag schrieb vor 29 Tagen am 9. November 2020 – lange vor der Auftaktveranstaltung vom 1. Dezember –, "Maria S.", die wissen wollte "Was bedeutet der mögliche 5G-Netzausbau für die Natur?" Bis zum 1. Dezember tröpfelten nur 16 Beiträge ein, für die sich kein gemeinsamer Nenner finden lässt. "Elektrosensibilität" war in diesen 22 Tagen für keinen Teilnehmer Thema.

Das Bild änderte sich schlagartig am Tag der Auftaktveranstaltung. Aufgescheucht durch Ankündigungen in den Medien strömte jedoch nicht Deutschland auf die Plattform, sondern nahezu 100 Prozent Mobilfunkgegner und -kritiker stellten sich ein, klar erkennbar an den Fragen. Allein am 1. Dezember kamen so 104 zusätzliche Startbeiträge zustande (ohne Berücksichtigung von Antworten und Kommentaren). Heute sind es insgesamt 362 Startbeiträge mit ungezählten Antworten und Kommentaren. Die Dominanz der Gegner erklärt sich plausibel damit, dass die Anti-Mobilfunk-Szene über ihre Netzwerke zum Fluten der Diskussionsplattform aufgerufen hat. Ziel: Vortäuschen einer bundesweit starken Opposition gegen 5G. Sollte es diese starke Opposition überhaupt geben, ist sie meiner Beobachtung nach ein Potemkinsches Dorf, gebaut von wenigen Aktivisten und gefördert durch starke mediale Blähungen und Aufstände im Cyberraum.

Meiner Einschätzung zufolge lassen sich bislang höchstens fünf Prozent der Teilnehmer auf der Diskussionsplattform der Dialoginitiative als ergebnisoffene informationshungrige Bundesbürger einstufen, 95 Prozent sind Mobilfunkgegner und -kritiker. Auffallend hoch ist die Anzahl der Beiträge, die sich mit "Elektrosensibilität" beschäftigen, ihren Anteil an der Anzahl aller Beiträge schätze ich auf 40 Prozent bis 50 Prozent. Dieses Thema ist demnach maßlos überrepräsentiert. Mutmaßlich haben sich besonders "Elektrosensible" verabredet, die Diskussionsplattform zu vereinnahmen, um das Thema als wichtiger erscheinen zu lassen, als es tatsächlich ist. Gespür für Maßhalten, um nicht unglaubwürdig zu erscheinen, ist etlichen Vertretern dieser Gruppe seit jeher fremd.

Die Substanz der Beiträge ist aus meiner Sicht überwiegend gering bis sehr gering. Wie üblich werden mehr oder weniger bizarre Behauptungen aufgestellt, Geschäftemacher versuchen sich ins Gespräch zu bringen, Esoteriker spinnen vor sich hin und einige bekannte Mobilfunkgegner versuchen, sich als Wei(s)se aus dem Abendland in Szene zu setzen. Nur wenige Beiträge durchbrechen diese Regel.

Auch die Diskussionen zeigen das gewohnte Bild, es werden lediglich Positionslampen gesetzt, konstruktive Diskussionen sind die seltene Ausnahme. Diese Ödnis lässt sich zum Teil auch der Diskussionsplattform anlasten, die am Bedarf vorbei konzipiert wurde, unerträglich unübersichtlich und umständlich zu bedienen ist. Bescheidene drei Diskussionsebenen (Startbeitrag, Antwort, Kommentar) würgen Diskussionen frühzeitig ab, die restriktive Zeichenbegrenzung pro Beitrag zwingt zu komprimierten wenig detaillierten Texten, schützt einen im Gegenzug jedoch vor Romanschreibern.

Die Moderation ist unauffällig, greift selten ein und stuft die Meinungsfreiheit offenbar höher ein als den Schutz der Teilnehmer vor offensichtlichen Stuss- und Spaßbeiträgen. Diese große Toleranz deutet darauf hin, dass die Diskussionsplattform ein möglichst reales Abbild dessen bleiben soll, was auf der Plattform stattfindet. Vermutlich werden die Beiträge später einer soziologischen Analyse unterzogen, die zu einer zielgruppengerechten Risikokommunikation verhelfen soll.

Dass Otto-Normalverbraucher auf der Plattform so gut wie nicht vertreten ist, deutet darauf hin, der großen schweigende Mehrheit der Deutschen ist das Gezeter um 5G wurscht. Dies wiederum korreliert mit Beobachtungen der Schweizer Meldestelle für "elektrosensible" Nutztiere und meiner persönlichen Einschätzung, dass das Thema "Risiko 5G/Mobilfunk" medial aufgebläht seit jeher wesentlich größer erscheint, als es tatsächlich ist.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Esoterik, Analyse, Geschäftemacher, Blendwerk, Fehleinschätzung, Pseudowissen, Esoteriker, Dialoginitiative


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