Elektrosmog-Grenzwerte: Bayer. Landtagsgrüne fordern Senkung (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 06.06.2013, 01:16 (vor 3995 Tagen)

Es ist Wahljahr. Und die Bayerischen Grünen erinnern sich, da war doch was ... So entstand der jüngste Elektrosmog-Antrag 16/16247 der grünen Landtagsfraktion, bei dessen Inhalt sich einem die Frage aufdrängt: Wer verfasste diesen Arztroman eigentlich – noch die Antragsteller oder schon die Einflüsterer eines sattsam bekannten Anti-Mobilfunk-Vereins? Und warum gibt es bei den Bayern-Grünen keine mehr, die sich gegen diese krampfhaft und stellenweise dilettantisch begründete Wiederbelebung eines schon stillgelegten Themas aussprechen, mit der Begründung, die komplexe Bewertung des Sachstandes doch bitte Experten vom Fach zu überlassen und nicht selbsternannten Experten der verschrobenen Anti-Mobilfunk-Szene? Achso, stimmt, es ist ja Wahljahr. Nun denn, da ist offensichtlich sogar die Exhumierung der Grenzwertfrage kein Tabu. Also gut, schaun' wir mal wie die Leiche beatmet wird, und wo die Pressluft entweicht.

************* Beginn Originaltext des Antrags *************

Elektrosmog - Forderung nach niedrigeren Grenzwerten im Sinn der Vorsorge

Der Landtag wolle beschließen:
Die Staatsregierung wird aufgefordert, sich über eine Bundesratsinitiative für eine deutliche Absenkung der Grenzwerte für hoch- und niederfrequente Strahlung einzusetzen.

Begründung: Handys und DECT-Schnurlostelefone stellen für viele kaum verzichtbare Begleiter dar, sorgen aber auch für ein stetiges Anwachsen elektromagnetischer Strahlung. Ursächlich für immer mehr Elektrosmog sind aber auch andere auf der Mikrowelle basierende Funktechniken wie Funknetzwerke (WLAN) und Schnurlosgeräte in der Peripherie von Personal Computern, digitaler terrestrischer Rundfunk, Warendetektionssysteme, Funkchips (RFID) etwa zur Optimierung der Logistik, mobile Multimediageräte und künftig auch der digitale Polizei- und Rettungsdienstfunk. Neben diesen Hochfrequenz-Anwendungen tragen auch niederfrequente elektrische und magnetische Wellen zur Belastung durch Elektrosmog bei. Quellen sind hier beispielsweise Hochspannungsleitungen, Stromleitungen im Haushalt und am Arbeitsplatz oder Transformatoren, so auch die von Haushaltsgeräten.

Zu den möglichen gesundheitlichen Gefährdungen durch Elektrosmog gibt es unterschiedliche Einschätzungen und Aussagen. Zahlreiche Ärzte machen auf Belege bzw. ernst zu nehmende Hinweise für die Bedenklichkeit von elektromagnetischen Feldern (EMF) aufmerksam. Auch nach den Ergebnissen aktueller Forschungsvorhaben kann keine Entwarnung gegeben werden. So sind auch nach den Arbeiten im Deutschen Mobilfunkforschungsprogramm die Klärung von Langzeitrisiken von Handynutzung und die Frage, ob und in welchem Umfang Kinder stärker als Erwachsene durch hochfrequente elektromagnetische Felder exponiert und damit belastet sind, offen.
Bislang sind die Grenzwerte für elektromagnetische Strahlung so festgelegt, dass eine Erwärmung des Körpers von mehr als einem Grad nicht erreicht wird. Ob diese Grenzwerte ausreichend sind oder nicht, war auch Gegenstand heftigster Diskussion in einer Expertenanhörung der Grünen Fraktion am 5. Juli 2012 zu diesem Thema. Die Auffassungen zwischen den Vertretern von Strahlenschutzkommission und Bundesamt für Strahlenschutz auf der einen Seite und den Experten der Mobilfunkgegner auf der anderen Seite waren sehr gegensätzlich.

Wenig vertrauensbildend ist allerdings die Weigerung der Industrie, strahlungsärmere Endgeräte entsprechend zu kennzeichnen. Zusätzliche Brisanz bringt die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), deren International Agency for Research on Cancer (IARC) im Mai 2011 die Nutzung „von Mobiltelefonen möglicherweise als krebserregend für den Menschen (Gruppe 2B), bezogen auf ein erhöhtes Risiko für ein Gliom, einer bösartigen Form von Hirntumor", eingestuft hat. Die Formulierung „möglicherweise" ist ein Kompromiss. An der Untersuchung des IARC haben 31 Wissenschaftler aus 14 Ländern mitgewirkt. Schwedische und israelische Wissenschaftler werden deutlicher: Sie gehen von einem 2 bis 5 fachen Krebsrisiko für Vieltelefonierer aus. „Viel telefonieren" ist definiert als eine halbe Stunde täglich!

Angesichts der Unsicherheit über mögliche gesundheitliche Belastungen durch elektromagnetische Felder und angesichts des weiteren Forschungsbedarfs muss der Staat im Sinn eines vorbeugenden Gesundheitsschutzes dafür Sorge tragen, dass die Bürgerinnen und Bürger möglichst wenig EMF ausgesetzt sind (Vorsorgeprinzip). Da die 26. Bundesimmissionsschutzverordnung, die die elektromagnetischen Felder regelt, derzeit überarbeitet wird, sollten entsprechende Vorsorgewerte bei der Neufassung eingeführt werden.

************* Ende Originaltext des Antrags *************

Dem mMn unqualifiziert begründeten Antrag stehen noch zwei Beratungen im Landtagsausschuss für Umwelt und Gesundheit bevor, die in einer Beschlussempfehlung für oder gegen den Antrag münden, bevor dieser dem Plenum vorgelegt wird. Bleibt zu hoffen, dass bereits der Ausschuss dem Antrag wegen Schimmelbefall in Gestalt erheblicher Substanzmängel eine förderliche Beschlussempfehlung verweigert.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Filz, Die Grünen, Landtag, Grenzwertsenkung, Klassifizierung, Populismus, Kamellen, Fördern, Industrie, krebserregend


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