Spatenpauli: Meine Erinnerungen am Günter Käs (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 29.11.2012, 23:03 (vor 4168 Tagen) @ KlaKla

Es war ein grauer diesiger Novembertag, als Günter Käs in Pfaffenhofen, Bayern, zu Grabe getragen wurde. Und weil ich Süßholzgerasple ebenso wenig mag wie der Verstorbene, verzichte ich auf einen schmalzigen Nachruf, erinnere mich stattdessen lieber anekdotisch an meine Begegnungen mit "Professor Silberlocke".

Erstes persönliches Aufeinandertreffen
Leibhaftig gesehen habe ich ihn erstmals im März 2002. Meine Frau und ich waren damals frischgebackene Mobilfunkgegner und in so einer Situation kommt man auf die tollsten Ideen. Unsere war es: Wir lassen noch schnell bei uns messen, bevor "unser" Vodafon-Mast in Betrieb geht. Damit wir wissen, wie's zuvor war. Wie wir dann auf Günter Käs kamen, weiß ich nicht mehr, auf jeden Fall rückte er im März 2002 bei uns zur "Beweissicherung" an. Da wir im 3. Stock wohnen und kein Aufzug da ist, seufzte der damals 70-Jährige vernehmlich, als er die Treppe zu uns hoch bezwungen hatte. Ich wusste auf Anhieb, das muss der Käs sein, sein silbergrauer Haarschopf war unverkennbar. Den schweren Koffer mit dem Spektrumanalyser musste er selbst freilich nicht schleppen, dazu hatte er einen Helfer mit dabei.

Zur ersten Einschätzung, mit welcher Immission bei uns zu rechnen ist, packte Günter Käs einen kleinen HF-Detektor im knallblauen Gehäuse und mit Teleskopantenne aus. "Ja, Sie haben hier ja gar nichts" entfuhr es ihm spontan, als er den kleinen Kasten eingeschaltet und ein paar Sekunden das Display beobachtet hatte. Ich klärte ihn auf, dass "unser" Mast noch nicht senden würde, und wir nur scharf auf eine Referenzmessung seien. Später, nach Inbetriebnahme des Masten, würden wir dann ein zweites mal messen lassen. Zufrieden über diese Erklärung macht sich der Professor an die Arbeit und schwenkte in unseren Räumen direkt unterm Dach nach allen Regeln der Kunst seine Messantenne hin und her. Währenddessen versuchte ich (erfolgreich) einen genaueren Blick auf das kleine blaue Messgerät zu erhaschen, um herauszubekommen, wer der Hersteller ist und wie die Modellbezeichnung lautet.

Nach rund 30 Minuten war alles vorüber, Käs und sein Helfer verabschiedeten sich und ich hatte nichts besseres zu tun, als das Internet nach dem kleinen blauen Kasten zu durchstöbern.

Etwa eine Woche später kam mit der Post das Messprotokoll, jetzt hatten wir es schriftlich, dass bei uns "nix los ist". Und dass ein Professor als Messtechniker nicht zum Schnäppchenpreis zu haben ist, das merkten wir an der Rechnung: 394,40 Euro waren es, die am 15. März 2002 den Besitzer wechselten. Da dies auch in etwa der Kaufpreis für das kleine Blaue war, verzichteten wir auf die zweite Messung und schafften uns umgehend diesen HF-Detektor an, um fortan aus eigener Kraft zu "messen". Da im Datenblatt keine Angabe über die Messgenauigkeit zu finden war, rief ich beim Hersteller/Entwickler an und fragte nach. Die Auskunft war ernüchternd: Das Gerätchen sei eigentlich kein Messgerät, sondern ein "Detektor", das messtechnische Äquivalent zum feuchten Finger im Wind ...

Erster Telefonkontakt vor 25 Jahren
Erst etliche Jahre später kam ich dahinter, dass ich schon Ende der 1980-er Jahre mit Günter Käs Kontakt hatte. Damals war ich Redakteur einer Elektronik-Zeitschrift in München und mein Chefredakteur hatte mir das Thema "EMF-Grenzwerte in Ost und West" aufgebrummt. Ich glaube aber das Thema angestoßen hatte ursprünglich der berühmte Wissenschaftler Manfred von Ardenne, den mein Chef just zu dieser Zeit in der "DDR" interviewt hatte. Leider habe ich meinen damals entstandenen Artikel nicht mehr zur Hand, doch ich kann mich an ein Telefonat mit Günter Käs erinnern, der damals an der Hochschule der Bundeswehr forschte, und mir Material zur Verfügung gestellt hatte. Darin war eine Grafik über das Wachstum von Hefezellen in Abhängigkeit von der einwirkenden Funkfeldstärke zu sehen. Ein erstaunliches Bild, denn bereits bei winzig kleiner Immission nahm das Wachstum explosionsartig zu. Winzig klein bedeutet: Es war die elektrische Mindestfeldstärke, die von der Deutschen Bundespost zur Versorgung der Bevölkerung mit Fernsehprogrammen festgelegt worden war! Von dem Bild elektrisiert rief ich Käs in Neubiberg an, um Details zu erfragen. Doch der Professor bremste mich schnell herunter: Der Effekt sei zwar real, niemand aber könne ihn deuten, etwa ob daraus eine Gefährdung für Menschen abzuleiten sei. Als plakatives Beispiel für solche (athermischen) Effekte nannte er die Pupille: Die würde schon bei schwachem Lichteinfall anfangen, sich zusammenzuziehen, eine Gesundheitsgefährdung wäre damit aber nicht verbunden. Ich war beeindruckt.

Mein letzter Kontakt mit dem Radarexperten Käs war am 5. März 2010. Damals wollte ich von ihm wissen, ob Radar Bäumen schaden könnte. Auslöser der Anfrage waren die in der Szene kursierenden Horrorgeschichten, denen zufolge Radar oder Richtfunk "Schneisen durch den Wald brennen". Käs konnte dies in keiner Weise bestätigen.

Günther Käs lebt!
Ich meine, dass es zum Respekt gegenüber dem Toten gehört, seinen Namen richtig zu schreiben. Professor Käs hatte den Vornamen Günter und nicht Günther. Es ist schon seltsam, wie sich so ein Fehler in der Anti-Mobilfunk-Szene vervielfältigt, weil dort bevorzugt abgeschrieben wird, statt selbst zu recherchieren. Den Anfang in diesem peinlichen Reigen machte am 23. November Teilnehmer "Hesse" im hese-Forum - wer sonst. Am 25. November zog "Pirat" ebenso falsch im Gigaherz-Forum nach. Auch Dr. dent. C. Scheingraber schreibt den Namen in seinem Nachruf falsch. Die Website elektrosmognews wiederum gibt den Nachruf des Zahnarztes als Eigenleistung aus - freilich ohne den Fehler zu berichtigen. Was für ein ungewolltes Trauerspiel anlässlich des Ablebens von Prof. Käs. Unser Teilnehmer "KlaKla" war es, der den Namen von Günter Käs nicht deformierte, ausgerechnet "KlaKla", der sonst einer der ersten Anwärter wäre, Konrad Dudens Nachfolger in den Wahnsinn zu treiben.

Kein glühender Mobilfunkgegner
Der Verstorbene war zuletzt (im Ruhestand) für Mobilfunkgegner nicht immer der erhoffte Partner, der belanglos niedrige Messwerte in ein dramatisches Gefährdungsszenario umdeutet, wie dies einige Referenten der Szene virtuos praktizieren. Was Käs z.B. im Dezember 2011 aushalten musste, nur weil er einer Schar Wutbürger im bayerischen Valley nicht nach dem Mund redete, das lässt sich hier nachlesen. Der Mann aus Pfaffenhofen, er stand zuletzt dem IZgMF näher als den Anti-Mobilfunk-Vereinen, setzt z.B. bei seiner Deeskalation als Referent sinngemäß auf denselben Vergleich, wie wir ihn seit einigen Jahren verwenden.

SZ-Gedenkkerze: zahlen per Handy
Die letzte Anekdote ereignete sich schon nach dem Tod von Günter Käs. Auf der SZ-Gedenkseite kann man einem Verstorbenen eine Kerze stiften. Das wollte ich tun und entschied mich zuerst für die kostenpflichtige Kerze. Ein kluger Spruch von Tagore war schnell gefunden, doch als es ans Bezahlen ging, sollte ich meine Mobiltelefonnummer angeben - ausgerechnet! Das aber wollte ich a) Günter Käs posthum nicht antun und b) weiß ich meine Handynummer sowieso nicht auswendig. Also brach ich diese Stiftung ab - und wechselte zur Gratiskerze. Nicht einfach, sag' ich, mit nur 40 Zeichen auszukommen. Zu meiner Verblüffung sind jetzt aber beide Kerzen auf der Website zu sehen. Wieso die Kostenpflichtige ohne Bezahlung durch kam, ich weiß es nicht, vielleicht hat einen bei der SZ der Tagore-Trostspruch so angerührt, dass er ein Auge zudrückte.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Radar, Käs, Detektor, Richtfunk


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