Schweiz: Omnibus-Erhebung 2023 sieht weniger EMF-Furcht (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 06.05.2025, 20:25 (vor 9 Stunden, 52 Minuten)

Omnibus-Erhebungen sind Mehrthemenbefragungen. Sie sollen rasch aktuelle politische oder wissenschaftliche Fragestellungen beantworten. Die Resultate liegen rund sechs Monate nach der Erhebung vor. Beim Omnibus handelt es sich um ein flexibles Instrument, das rasch Informationsbedürfnisse aus der Verwaltung, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft aufnehmen und beantworten soll. Das Bundesamt für Statistik (BFS) legt die Themen der Omnibuserhebungen fest.

Merkmale
► Stichprobe bei 3000 Personen
► flexible Themenwahl nach Bedarf
► repräsentative Informationen auf Ebene Schweiz
► kann nicht von den Kantonen aufgestockt werden

[image]2023 war es wieder einmal soweit, nach 2011, 2015 und 2019 wurde die Einschätzung von elf Gefahren für Mensch und Umwelt durch die Schweizer Bevölkerung vom BFS erneut abgefragt.

2023 wurden Biodiversitätsverlust, Klimawandel und Wasserknappheit als grösste Gefahren gesehen, mit jeweils 49%, 48% bzw. 47% der Bevölkerung, die diese als sehr gefährlich für Mensch und Umwelt einschätzen. Gegenüber der letzten Befragung sind einige Meinungsänderungen zu beobachten, wobei dies besonders auf die Kernkraftwerke zutrifft: Zwischen 2019 und 2023 ist der Bevölkerungsanteil, der diese als sehr gefährlich für Mensch und Umwelt einschätzt, von 41% auf 26% zurückgegangen. In dieser Zeitspanne ebenfalls deutlich abgeschwächt haben sich die Einschätzungen zur Gefährlichkeit von Pestiziden (53% vs. 43%), Gentechnik in der Herstellung von Lebensmitteln (36% vs. 29%) sowie Mobilfunkantennen (18% vs. 14%).

Methodenwechsel: 2019 und 2023 war die Teilnahme nicht nur telefonisch, sondern auch per Online-Fragebogen möglich, wobei sich 90% bzw. 95% für Letzteres entschieden. Seit und inklusive 2019 wird zudem ein neues Gewichtungsmodell verwendet. Infolge dieser beiden methodischen Anpassungen sind die Resultate bis 2015 nur bedingt mit denjenigen ab 2019 vergleichbar.

Uneingeschränkt vergleichbar sind jedoch die Zahlen für 2019 und 2023. Und die machen deutlich: Nachdem die 5G-Paranoia 2019 dafür gesorgt hat, dass rd. 18 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer Mobilfunk für "sehr gefährlich" hielten, ist dieser Anteil 2023 mit rd. 14 Prozent wieder deutlich zurück gegangen. Die üblichen Verdächtigen werden versuchen, diese Verluste mit dem Entfachen einer 6G-Paranoia auszugleichen. Dann wird es spannend sein zu beobachten, ob sich die Bevölkerung mit den alten Tricks noch einmal für dumm verkaufen lässt. Ignoriert man den Methodenwechsel, ist der Anteil derjenigen, die Mobilfunkantennen für "sehr gefährlich" oder für "eher gefährlich" halten, 2023 mit 48,4 Prozent so klein wie noch nie bei einer Omnibus-Erhebung.

[image]Weil sich die Prozentwerte in der BFS-Grafik nur grob abschätzen lassen, zeigt die Tabelle links für die Gefahr "Mobilfunkantennen" die genauen Prozentwerte der bislang vier Omnibus-Erhebungen.

[image]Nicht ganz so erfreulich sind die Erhebungsdaten, wurde nach der Wahrnehmung von Umweltbedingungen in der Wohnumgebung gefragt mit Blick auf Mobilfunkantennen oder Hochspannungsleitungen (BFS-Grafik links). Die Empfindungen gegenüber Strahlung von Mobilfunkantennen oder Hochspannungsleitungen haben sich seit 2019 nicht signifikant verändert. 2023 fühlten sich 25 Prozent der Bevölkerung davon "sehr gestört" oder "eher gestört". Gut daran ist, dass dieser Anteil trotz Doppelung (Mobilfunk + Hochspannung) nur etwa halb so groß ist wie der Anteil der Bevölkerung, der Mobilfunkantennen für gefährlich hält. Entnommen habe ich die kleine zweite BFS-Grafik dieser Ausgabe der Publikation BFS Aktuell.

Hintergrund
Rezeption älterer Omnibus-Erhebungen im IZgMF-Forum

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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