Künstliche Aufregung in der Schweiz blieb folgenlos (Technik)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 13.05.2025, 18:05 (vor 6 Tagen) @ H. Lamarr

28. September 2023 (Motion 23.4244): Handys strahlen stärker, als erlaubt. Endlich auch in der Schweiz die NIS-Grenzwerte prüfen!


Keine Mehrheit für Schlatters Motion

Auf Schlatters Motion vom September 2023 im Nationalrat reagierte im November 2023 der Schweizer Bundesrat (Regierung) und empfahl dem Rat die Ablehnung der Motion. Nachzulesen sind sowohl die Motion als auch die Stellungnahme des Bundesrates hier. Dann kehrte Stille ein, die erst am 7. Mai 2025 beendet wurde, denn an diesem Tag stimmte der Nationalrat über die Motion ab. Zuvor gab es zwei Reden: Schlatter begründete noch einmal ihre Motion, Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider wiederholte den Standpunkt des Bundesrates. Dann wurde abgestimmt. Das Ergebnis ist deutlich: Für die Motion stimmten 62 Nationalräte, dagegen 130. Enthaltungen gab es keine. Damit ist die Motion vom Tisch.

Vernunft gewinnt gegen Bauch

Mag schon sein, dass Schlatter ihre Motion mit guten Absichten verfasste. Aus meiner Sicht blickt sie jedoch nicht durch die vielen Schichten der HF-EMF-Grenzwertproblematik. So kümmerte sie sich nicht um das Ausmaß der Überschreitungen und auch nicht um die Tatsache, dass beruflich exponierte Personen (Feuerwehr, Polizei ...) schon seit eh und je das 5-fache an Maximalexposition verglichen mit Privatleuten aushalten müssen (SAR = 10 W/kg im Kopf und Rumpf, 20 W/kg an den Extremitäten). Da ist es dann gesundheitlich ziemlich unerheblich, wenn eine Privatperson an den Extremitäten statt 4 W/kg vielleicht 4,5 W/kg aushalten muss. Da dies jedoch eine Grenzwertüberschreitung ist, wird sie von den Franzosen genauso verfolgt, als wären statt 4,5 W/kg sagen wir mal 16 W/kg berechnet worden. Ob 130 der Schweizer Nationalräte dies besser durchschaut haben als die Motionärin, weiß ich nicht, aus meiner Sicht spricht aus dem Votum jedenfalls Vernunft.

Im Vertrauen auf die Franzosen

Wozu das Rad teuer noch einmal erfinden? Die Franzosen (ANFR) publizieren alle ihre Konformitätsprüfungen an Smartphones öffentlich, in diese Datenbank kann jeder reinschauen und seine eigenen Schlüsse ziehen. Deutschland betreibt mit der BNetzA zwar ebenfalls Marktbeobachtung an Smartphones, mWn jedoch eher sporadisch und nicht so systematisch wie die Franzosen. Dennoch wird hierzulande von der BNetzA kein TamTam veranstaltet, wenn die Franzosen mal wieder ein auch in Deutschland vermarktetes Gerät bei einer Grenzwertüberschreitung erwischen. Warum kein TamTam? Weil das Problem sich in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle von selbst löst, indem der Hersteller des betroffenen Geräts mit einem automatisch installierten Firmwareupdate umgehend die Konformität bei allen in Europa verkauften Modellen gewährleistet. Ohne einen Finger krumm zu machen, kommen so z.B. auch die Deutschen und die Schweizer in den Genuss konformer Smartphones. In Sachprosa formuliert: Solange die Vogelscheuche ANFR Smartphonehersteller für den EU-Markt mit Kontrollmessungen verunsichert, können andere europäische Staaten davon profitieren und gut und gerne auf eigenbrötlerische Vogelscheuchen verzichten.

Im Gigaherz-Forum wird der komplexe Sachverhalt selbstverständlich anders gesehen und mit dem mMn einfältigen Populismus "Das Argument des Bundesrates: Kosten statt Gesundheit" auf einen rhetorischen Schulterwurf reduziert. Die Argumentation des Bundesrates ist aus meiner Sicht freilich auch nicht überzeugend gewesen, hat aber anscheinend bei 130 (von 200) Nationalräten gefruchtet.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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