"Kompetenzinitiative" will Mobilfunk juristisch zu Fall bringen (Allgemein)
Die sogenannte Kompetenzinitiative hat Großes vor, sie will nicht weniger als einen Meilenstein für die Gesundheit des deutschen Volkes setzen. Mittel zum Zweck soll eine juristische Klage bis vor den BGH sein, die im Erfolgsfall Abwehr-, Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche legitimiert. Als schlagendes Beweismittel will die "Kompetenzinitiative" von ihr bei anerkannten Wissenschaftlern in Auftrag gegebene hochqualitative Studien vorlegen, die Richtern gar keine andere Wahl lassen, als im Sinne der Kläger zu entscheiden. Das klingt für mich verdächtig nach Stempelsitzung in einem Kinderpostamt. Die "Kompetenzinitiative" hingegen glaubt fest an den Erfolg ihres Projekts, doch da ist ein Problem mit der Personalie ihres Rechtsbeistands.
Den Stein ins Rollen brachte die "Kompetenzinitiative" (KO-Ini) im Dezember 2020, als sie ihr Projekt "Mobilfunk und Gesundheit – Juristische Klage" ankündigte und "herzlich" um Spenden dafür bat. Da Industrie und Politik sich der Risikowahrnehmung der KO-Ini partout nicht anschließen wollen, hieß es seinerzeit: "Wir halten eine neue Vorsorgepolitik, die Bürgerinnen und Bürger vor der weiter steigenden Strahlenbelastung schützt, für dringend erforderlich." Um die Wende zu erzwingen, stellten die Visionäre ein "interdisziplinäres" (Lieblingswort von Karl Richter, Gründer der KO-Ini) Projekt-Team zusammen, das der geplanten Klage mit wissenschaftlichen, medizinisch-ärztlichen und juristischen Kompetenzen und mit einem "bisher einmaligen Klage-Konzept" (damit sind die Beweisstudien gemeint) zum Durchbruch verhelfen soll. Über die Mitglieder des Projekt-Teams, insbesondere die beteiligten "Wissenschaftler", ließ die KO-Ini nichts verlauten, Drahtzieher des Projekts ist allem Anschein nach der in Anti-Mobilfunk-Kreisen gut bekannte Filmemacher Klaus Scheidsteger.
Weiter heißt es in der Ankündigung ziemlich enigmatisch:
Ein Ziel der Klage wird sein, Mobilfunkanlagen landesweit in allen Kontexten, die in Wohnraumnähe bestehen, gesundheitsverträglich zu machen, und ein Bewusstsein für die Gefährlichkeit künstlicher EMF und EMS zu schaffen. Eine qualifizierte juristische und wissenschaftliche Darlegung konkreter Standort-Situationen ist bereits ausgearbeitet. Der wissenschaftliche Beitrag wird von vorhergehenden, ortsspezifischen Studien auf mehreren Ebenen begleitet werden.
Diese inhaltlich weitgehend unverständlichen Ausführungen sind offensichtlich der bohrenden Sorge geschuldet, im Dezember 2020 nicht zu viel Konkretes über das Projekt preiszugeben. Der Feind könnte schließlich mitlesen und sich auf den Dolchstoß vorbereiten, der sein schändliches Treiben für immer beenden soll.
Der Rest der Ankündigung, die es hier im Original zu lesen gibt, gilt dem Einwerben von Spenden.
Nach Ankündigung der Klage kehrte Stille ein.
Neuigkeiten gab es erst wieder am 16. Juni 2021, als die KO-Ini mit Tilo Rößler, Radeberg (bei Dresden), in einem YouTube-Video den Rechtsanwalt präsentierte, der es kaum noch erwarten kann, die Klageschrift zu tippen. Warum ausgerechnet Rößler? Ein ungemein aufschlussreicher Fingerzeig findet sich in einem Karriereprofil Rößlers, in dem es am Ende heißt:
[...] Seit 2010 führt er die Leitung Abt. Wissenschaft und Forschung, Ausbildung memon bionic instruments GmbH, in Rosenheim und begleitet Forschungsprojekte mit Schwerpunkt „Auswirkungen künstlicher elektromagnetsicher Felder auf lebende Organismen“.
Wer's nicht glaubt findet hier eine jeden Zweifel beseitigende Bestätigung, auf was für eine Tretmine die KO-Ini gestiegen ist. Mit der Auswahl ihres Rechtsbeistands hat sie wieder einmal nachdrücklich gezeigt, dass alles, was hier im Forum über ihre "Kompetenzen" zu lesen ist, wahr sein muss.
Sichtlich ergriffen von der eminenten Bedeutung seines Auftrags durch die KO-Ini beantwortet Rößler in dem 9-Minuten-Video die Fragen eines nicht viel weniger ergriffenen Scheidstegers.
Beide sind sich einig, dass die Qualität der Beweisstudien für den Erfolg des Projekts von allergrößter Bedeutung ist und gar nicht hoch genug sein kann. Immer wieder betonen sie diesen ihren exzellenten Qualitätsanspruch, so als ob sich dadurch eine unantastbare Qualität der nicht näher beschriebenen Beweisstudien herbei reden lässt.
Leider fragt Scheidsteger seinen Gegenüber nicht, warum der Bestand an alarmierenden Studien denn nicht ausreicht, die Klage kraftvoll zu untermauern. Auch fragt er nicht, wie es möglich ist, dass jetzt diese super-hochwertigen alles Bisherige in den Schatten stellenden Alarmstudien quasi auf Bestellung durch die KO-Ini aus dem Hut gezaubert werden können. Vielleicht fragt er deshalb nicht, um den Eindruck zu vermeiden, in der Alarmstudiendatenbank EMF-Data von Diagnose-Funk seien ausnahmslos nur minderwertige Alarmstudien, die für das angestrebte große Ziel nicht gut genug sind. Rätselhaft bleibt auch, wie ein schillernder Rechtsanwalt und ein Filmemacher die Qualität wissenschaftlicher EMF-Studien überhaupt zutreffend beurteilen wollen, zumal auch in der KO-Ini weit und breit niemand ist, der dazu in der Lage wäre.
Glaubt man der Ankündigung des vermeintlich sensationellen Klagevorhabens, geht es dabei irgendwie um einen neuen Vorsorgeansatz im Mobilfunk. So ein Ansinnen ist nicht per se schlecht, wird es anständig begründet. Inzwischen aber weiß bald jedes Kind, dass, wenn von Mobilfunk überhaupt ein Gesundheitsrisiko ausgeht, dies nicht den Sendemasten zuzuschreiben ist, sondern den am Körper getragenen Endgeräten (Smartphones). Heißt: Wenn mehr Vorsorge, dann bezogen auf Endgeräte. Wobei, wie hier beschrieben, seit 2016 in der EU ein solches Plus an Vorsorge bereits Realität geworden ist, allerdings so unauffällig, dass es kaum jemand bemerkt hat.
Anwalt Rößler aber bekundet in dem Video etwas ganz anderes (Minute 1:45), Stammleser dieses Forums werden das baubiologische Zauberwort sofort erkennen:
[...] jetzt kann es beginnen. Jetzt kann es tatsächlich beginnen mit der Durchführung, mit der Umsetzung der Studien, so dass der juristische Akt die logische Konsequenz der Studienergebnisse ist und der menschliche Akt, dem folgend der Abbau des Mobilfunkmasten ist. [...]
Nimmt man Rößler beim Wort, will er den Abbau von Mobilfunkmasten erstreiten. Und Scheidsteger reagiert auf diesen offensichtlichen Blödsinn nicht. Warum? Weil beide aus meiner Sicht wissen, dass dieses Ziel unerreichbar bleibt und das gesamte Projekt der KO-Ini von A bis Z planmäßig zum Scheitern verurteilt ist. Das wahre Ziel des Projekts ist nicht das vorgegebene, sondern es ist wieder einmal nur der Weg zum (unerreichbaren) Ziel. Auf diesem Weg gibt es viele günstige Gelegenheiten sich mit Hilfe "nützlicher Idioten" (z.B. drittklassige Medien, Bürgerinitiativen) groß in Szene zu setzen und das Thema "Risiko Mobilfunk" gewinnbringend für Profiteure der Angst vor Elektrosmog zu verwursten. Das ist das wahre Ziel. Wetten, dass ...?!
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –