Risiko 5G: Und was tut die WHO? (Forschung)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 28.07.2020, 21:28 (vor 1372 Tagen)

Auf ihrer Webseite 5G mobile networks and health gibt die WHO diverse Auskünfte, u.a. auch, was von ihr künftig in Sachen 5G zu erwarten ist (übersetzt mit deepl.com):

Die WHO führt eine Bewertung des Gesundheitsrisikos durch die Exposition gegenüber Hochfrequenzen durch, die den gesamten Hochfrequenzbereich, einschließlich 5G, abdeckt und bis 2022 veröffentlicht werden soll.

Die WHO wird die wissenschaftliche Evidenz in Bezug auf mögliche Gesundheitsrisiken durch 5G-Exposition überprüfen, sobald die neue Technologie eingesetzt wird und mehr Daten zur öffentlichen Gesundheit verfügbar werden.

Die WHO hat 1996 das Internationale Projekt zu elektromagnetischen Feldern (EMF) ins Leben gerufen. Das Projekt untersucht die gesundheitlichen Auswirkungen der Exposition gegenüber elektrischen und magnetischen Feldern im Frequenzbereich von 0-300 GHz und berät nationale Behörden beim Schutz vor EMF-Strahlung.

Die WHO setzt sich für die weitere Erforschung der möglichen langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen aller Aspekte der Mobilkommunikation ein. Die Organisation identifiziert und fördert entsprechende Forschungsprioritäten. Sie entwickelt auch Informationsmaterial für die Öffentlichkeit und fördert den Dialog zwischen Wissenschaftlern, Regierungen und der Öffentlichkeit, um das Verständnis rund um Gesundheit und Mobilkommunikation zu verbessern.

Mit der eingangs erwähnten Bewertung meint die WHO ihre lang erwartete neue EMF-Monographie, die im WHO-Sprachgebrauch auch EHC-Monograph heißt (Environmental Health Criteria). Die WHO bastelt seit vielen Jahre an ihrer EMF-Monographie, es ist nach 1993 erst die zweite, und legte im Oktober 2014 sogar schon einen ersten Entwurf (695 Seiten) zur öffentlichen Konsultation vor. Dieser löste den üblichen Hickhack vonseiten der Anti-Mobilfunk-Szene aus, die sich nicht hinreichend repräsentiert sah, und als dann auch noch ein schwerer Ebola-Ausbruch die volle Aufmerksamkeit der WHO auf Afrika zog, geriet die Monographie auf die lange Bank. Seit Ende 2019 plant die WHO nun einen zweiten Anlauf. Für die Ausarbeitung systematischer Übersichten zu zehn Fachgebieten wurden 300 Reviewer eingeladen, von denen 167 antworteten. Alle weiteren Verfahrensschritte zur Fertigstellung des Papiers hat die WHO <hier> auf gegenwärtig fünf Seiten dokumentiert.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
WHO, Monographie, Gesundheitsrisiko

Athermische Effekte: WHO bereitet Befreiungsschlag vor

H. Lamarr @, München, Dienstag, 15.02.2022, 23:56 (vor 804 Tagen) @ H. Lamarr

Heerscharen vernetzter Mobilfunkgegner in aller Welt haben sich daran abgearbeitet den Vorwurf zu verbreiten, Icnirp ließe allein wärmebedingte Wirkungen von HF-EMF gelten und streite alle athermischen Wirkungen unterhalb der Grenzwerte rigoros ab. Doch spätestens seit 11. Dezember 2020 trifft der Vorwurf nicht mehr ins Zentrum der Zielscheibe, überzeugte Mobilfunkgegner müssen sich wohl oder übel etwas Neues einfallen lassen.

Zum besagten 11. Dezember 2020 publizierte eine namhafte Arbeitsgruppe (Jos Verbeek, Gunnhild Oftedal, Maria Feychting, Eric van Rongen, Maria Rosaria Scarfì, Simon Mann, Rachel Wong und Emilie van Deventer) auf der Website des Fachblatts Environment International die bemerkenswerten Ergebnisse ihrer Umfrage unter Experten: "Prioritizing health outcomes when assessing the effects of exposure to radiofrequency electromagnetic fields: A survey among experts" (Volltext).

Mit ihrer Umfrage wollte die Arbeitsgruppe in Erfahrung bringen, welche gesundheitlichen Effekte einer HF-EMF-Exposition in der Fachwelt am meisten Besorgnis auslösen, wobei nicht nur die Bedeutung thermischer Effekte abgefragt wurden, sondern explizit auch die athermischer Effekte. Und weil sich unter den Autoren sowohl amtierende als auch nicht mehr amtierende Mitglieder der Icnirp-Kommission befinden, z.B. der amtierende stellvertretende Vorsitzende Eric van Rongen, darf man Icnirp aus meiner Sicht durchaus eine Teilhabe an der Aktion unterstellen, wenngleich das Akronym des einflussreichen Vereins in der Arbeit kein einziges Mal erwähnt wird. Formal bedeutet dies gemäß der Icnirp-Kommunikationsregeln, dass Mitglieder des Vereins als Vertreter ihrer Institutionen auftreten und nicht als Icnirp-Mitglieder. Theoretisch könnte die Kommission sich somit von der Mitwirkung ihrer Leute an der Umfrage distanzieren, tut sie es nicht, und dies tut sie seit mehr als zwölf Monaten nicht, betrachtet sie deren Handeln augenscheinlich nicht als Frevel.

Die lange Vorrede erklärt sich mit dem zweiten Satz im anschließend in deutscher Übersetzung wiedergegebenen Abstract des Papers. Denn auf verbissene Mobilfunkgegner und Icnirp-Hasser muss dieser noch verstörender wirken als die Umfrage an sich:

Die Exposition gegenüber hochfrequenten (HF) elektromagnetischen Feldern (EMF) (Frequenzen von 100 kHz bis 300 GHz) hat stetig zugenommen. Neben den wärmebedingten Wirkungen von HF-EMF gibt es möglicherweise auch andere, noch nicht näher spezifizierte biologische Wirkungen, die möglicherweise zu gesundheitlichen Auswirkungen führen könnten. Angesichts der großen Anzahl von Gesundheitsendpunkten, die untersucht wurden, wollten wir diejenigen in den Vordergrund stellen, die ein systematisches Review verdienen würden. Wir erstellten eine Liste aller in der Literatur berichteten gesundheitlichen Endpunkte und baten 300 HF-EMF-Experten und Forscher, diese gesundheitlichen Auswirkungen für eine systematische Review als dringlich, wichtig oder unwichtig einzustufen. Wir baten die Experten auch, die Gründe für ihre Priorisierung anzugeben. Von den 300 befragten HF-EMF-Experten haben 164 (54%) geantwortet. Sie stuften Krebs, wärmebedingte Wirkungen, Geburtskomplikationen, elektromagnetische Überempfindlichkeit, kognitive Beeinträchtigungen, nachteilige Schwangerschaftsfolgen und oxidativen Stress als die dringlichsten Ergebnisse in Bezug auf HF-EMF-Exposition ein. Für diese Ergebnisse werden systematische Reviews benötigt. Bei den wärmebedingten Folgen stützten sich die Experten bei der Einstufung der kritischen Folgen auf das, was aus Studien am Menschen oder an Tieren bekannt ist, bei Krebs und anderen Folgen stützten sie sich bei ihrer Bewertung hingegen auch auf die öffentliche Besorgnis. Um die Gesundheitsrisiken einer Exposition fundiert zu bewerten, ist es wichtig, Prioritäten für die gesundheitlichen Folgen zu setzen, die systematisch überprüft werden sollten. Hier haben wir gezeigt, dass dies auf eine umfassende und transparente Weise möglich ist.

Emilie van Deventer, EMF-Forschungskoordinatorin der WHO, ist für mich so etwas wie die Schirmherrin der Aktion. Und meiner Einschätzung nach sind die inzwischen schon begonnenen systematischen Reviews über die oben genannten Forschungsschwerpunkte ein Befreiungsschlag der WHO, um die äußerst diffuse HF-EMF-Forschungslage systematisch von qualitativ minderwertigen oder einfach nur ablenkenden Arbeiten zu befreien, um einen unverstellten Blick auf den wissenschaftlich relevanten Stand des Wissens zu bekommen. Den benötigt van Deventer ohnehin für die längst überfällige neue WHO-Monografie (EHC) über die Gesundheitsrisiken von HF-EMF.

Mobilfunkgegner und -kritiker könnten bei alledem unter die Räder kommen, denn bei der systematischen Bereinigung des Forschungsstandes könnte es passieren, dass ihnen lieb gewordene Dauerbefürchtungen, die jedoch vornehmlich auf Munkeln & Raunen beruhen wie grassierende elektromagnetische Überempfindlichkeit (EHS) oder neuerdings oxidativer Stress, nach der Bereinigung faktisch nicht mehr oder nur noch zurechtgestutzt vorhanden sind. Es ist freilich ebenfalls damit zu rechnen, dass der harte Kern der Anti-Mobilfunk-Szene das Unheil kommen sieht und schon begonnen hat, sich dagegen zu wappnen (z.B. mit "Gegenstudien"), wogegen das weiche Fruchtfleisch der Szene sein Heil aller Voraussicht nach bevorzugt in Verschwörungsmythen suchen wird.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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WHO, WHO-Monografie

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