Dr. Stanley Hall berichtete 1897 über die größten Ängste der Amerikaner. Dazu sammelte er Fallberichte von Kollegen ein und kam so auf 1701 Personen, die mit Mehrfachnennungen von 6456 Ängsten geplagt wurden. Die häufigsten Ängste ordnete Hall 30 Kategorien zu und konnte so 5037 Ängste einordnen. Spitzenreiter (603 Nennungen) war die Angst vor Gewittern, gemeinsam mit anderen "Himmelsphänomenen" wie Stürme, Meteore, Kometen oder Nebel kam diese Kategorie auf insgesamt 996 Nennungen. An zweiter Stelle rangierte die Angst vor Reptilien (483) an dritter Stelle die Angst vor Dunkelheit (432). Am wenigsten fürchteten sich die Amerikaner damals vor kaltem Wasser (8), heißem Wasser (10) oder einer Sonnenfinsternis (14).
In einer aktuellen Angst-Umfrage (2017) der Chapman Universität, USA, tauchen Gewitter nicht mehr auf, Reptilien sind auf Rang 44 von 80 gefallen und vor Dunkelheit fürchtet sich im Neon-Zeitalter anscheinend auch kein Amerikaner mehr (aber: knapp 20 Prozent der Befragten nannten Angst, nachts alleine unterwegs zu sein). Kuriosester Neuzugang gegenüber 1897: Angst vor Zombies (Rang 78). Mobiltelefone (cell phone) und Sendemasten (cell towers) spielen auch bei der Umfrage in den USA keine Rolle, auch dort wurde nicht danach gefragt. Für die überaus fleißige US-Szene organisierter Mobilfunkgegner muss es enttäuschend sein, trotz der großen Anstrengungen, Ängste in der Bevölkerung zu wecken oder zu schüren, von Angstforschern nicht wahrgenommen zu werden. Ebenso gut kann es hingegen sein, dass alle, die sich intensiv mit der Anti-Mobilfunk-Szene beschäftigen einer Wahrnehmungsverzerrung unterliegen und die "Ängste vor Funkwellen" im Konzert der tausenden von Ängsten unangemessen laut hören, viel zu laut im Vergleich zu unbeteiligten Personen, die das vermeintlich starke Elektrosmog-Gezeter gar nicht oder nur am Rande wahrnehmen. Die kümmerliche Teilnahme an allen Elektrosmog-Foren deutet darauf hin, dass diese Interpretation die zutreffende ist.
Soweit ich das verstanden habe kranken die Umfragen daran, dass die Befragten ihre Ängste nicht frei nennen dürfen, sondern sich welche aus einer vorgegebenen Liste aussuchen müssen. Auf diese Weise sind zwar Vergleiche und Trendaussagen möglich, andererseits bleiben "neue" Ängste außen vor, wenn sie vom Fragensteller nicht für wichtig genug eingestuft werden, um in den Fragenkatalog aufgenommen zu werden.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –