Neuer Anlauf: Berkeley will Warnhinweise auf Handys erzwingen (Allgemein)
H. Lamarr , München, Donnerstag, 24.07.2014, 15:23 (vor 3760 Tagen)
Berkeley ist eine US-amerikanische Stadt im Alameda County in der nordkalifornischen San-Francisco-Bay-Area. Sie grenzt im Süden an die Stadt Oakland, im Osten an die Berkeley Hills und im Norden an die Stadt Albany. Berkeley hat 112'578 Einwohner.
Die Stadtverwaltung von Berkeley weiß sehr wohl, dass erst vor ein paar Jahren im benachbarten San Franzisko der Versuch gescheitert ist, Warnhinweise auf Handys und in den Schaufenstern von Handy-Shops zu erzwingen. Dennoch will die Stadt jetzt einen neuen Versuch in diese Richtung unternehmen, sozusagen als Probelauf auf Kleinstadtniveau. Wie die Website SFGate weiter berichtet, beabsichtigt die Stadt, den Text auf den geplanten Warnaufklebern mit einem Rechtsgutachten der Harvard-Universität abzusichern.
Warum ausgerechnet Berkeley? Die Nähe zu San Franzisko dürfte eine entscheidende Rolle gespielt haben. Wer aber hat die Stadtverwaltung aufgestachelt? Einiges deutet darauf hin, es war der Mobilfunkgegner Dr. Moskowitz, der vor Ort an der UC Berkeley School of Public Health wirkt und - was für ein Zufall - auch im Bericht auf SFGate zu Wort kommt.
Da es wenig sinnvoll ist, innerhalb der Grenzen eines Städtchens wie Berkeley Warnaufkleber für Handys beim Verkauf zur Pflicht zu machen, muss es noch einen anderen Grund geben, warum der neue Anlauf gewagt wird. Aus meiner Sicht ist dies die Signalwirkung, die sich Mobilfunkgegner weltweit von einem Erfolg in Kalifornien erhoffen. Und Berkeley wurde als Präzenzfall ausgewählt, weil die Bedingungen dort besonders günstig sind. Wer in den USA die Drahtzieher in der Anti-Mobilfunk-Szene sind, die ein solches Projekt schultern können, ist nicht ersichtlich, könnte sich bei den kommenden Auseinandersetzungen jedoch herauskristallisieren. Devra Davis jedenfalls hatte bereits in San Franzisko die Finger mit im Spiel.
Da sich seit der Pleite der Mobilfunkgegner in San Franzisko am Wissensstand über mögliche biologische Nebenwirkungen des Mobilfunks jedoch nichts Westliches geändert hat, gehe ich davon aus, auch Berkeley wird im juristischen Ringen baden gehen. Der Schaden durch einen solchen angstschürenden Warnaufkleber wäre aller Voraussicht nach wesentlich größer als der Nutzen. Da man sich vor Gericht allerdings so wie auf hoher See in Gottes Hand befindet, bleibt abzuwarten ob es nicht doch noch in ein oder zwei Jahren eine Siegesmeldung aus Kalifornien gibt.
Hintergrund
SAR-Kennzeichnung: Streit in San Franzisko
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– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
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Die Berkeley-Connection: Wie alles begann
H. Lamarr , München, Freitag, 25.07.2014, 01:03 (vor 3760 Tagen) @ H. Lamarr
Berkeley ist eine kleine Stadt. Bürgermeister Tom Bates steht daher nur acht Stadträten vor, einen für jeden der acht Stadtbezirke. Am 8. Juli fand die letzte Stadtratssitzung vor der Sommerpause statt, erst am 8. September tagt der Rat wieder. Als abends um 19:00 Uhr die Sitzung eröffnet wurde, fehlen Zwei: Stadtrat Moore und Bürgermeister Bates. Vielleicht haben sie der alten Helen Farnsworth ihre Aufwartung gemacht und darüber die Zeit vergessen, denn Helen ist dieser Tage 100 Jahre alt geworden. Die Sitzung wird dennoch abgehalten, wer fehlte, kann sich später anhand der 4-1/2-stündigen Videoaufzeichnung ein Bild davon machen, was im Sitzungssaal los war.
Die Tagesordnung umfasst mehr als 50 Punkte, die Stadträte haben daher einiges zu tun. Punkt 48 ist der, der uns hier interessiert. Es ist der Antrag (PDF, 2 Seiten, englisch) der beiden Stadträte Kriss Worthington und Maxwell Anderson: Der City Manager von Berkeley (Stadtdirektor) und der Gesundheitsausschuss mögen eine Verordnung auf den Weg bringen, die einen Warnaufkleber für Handys vorschreibt. Genauer gesagt: Der Aufkleber soll entweder im Einzelhandel auf die Verkaufsverpackungen von Handys geklebt werden oder schon vorher vom Hersteller oder Großhändler aufgeklebt worden sein. Auf jeden Fall müsste jede Verkaufsverpackung in den Regalen der Händler mit so einem Aufkleber versehen sein und drauf solle stehen, der Gebrauch von Handys könne Hirntumoren verursachen, wenn die Geräte mit weniger als zehn Millimeter Abstand zum Körper betrieben werden.
Die zehn Millimeter Abstand sind der Trick, mit dem die Initiatoren des Antrags hoffen, einen Rechtsstreit mit der Mobilfunkindustrie zu gewinnen. Denn auch in den Benutzerhandbüchern von Handys würden die Hersteller davor warnen, Handys näher als zehn Millimeter am Körper zu betreiben.
Unklar ist mir, wie ein z.B. in der Gesäßtasche in verbotenem Abstand getragenes Handy einen Hirntumor auslösen soll. Es sei denn, das Hirn des Betroffenen hat sich einen neuen Platz gesucht, bei manchen Mitmenschen scheint mir dieser Verdacht gar nicht so abwegig zu sein ...
Ob der Zehn-Millimeter-Trick den Antrag tatsächlich gerichtsfest machen wird bleibt abzuwarten.
Auch für den Text, der auf dem Aufkleber stehen soll, gibt es schon einen Vorschlag, dem ich allerdings wegen Überlänge und inhaltlicher Schwächen wenig Chancen einräume:
"The World Health Organization has classified wireless transmissions from cell phones as 'possibly carcinogenic,' based on an increased risk for brain cancer. Refer to the instructions in the phone or your user manual for the manufacturer's recommended distance to keep the phone from the body during use."
Ich sehe schon die Leute in Berkeley, wie sie telefonierend herumlaufen, die einen mit einem Stück Styropor zwischen Ohr und Handy, andere mit einem Toastbrot oder Papiertaschentüchern als akustisch durchlässigen Abstandshalter. Wahrscheinlich wird die Krimskramsbranche sich innerhalb von Tagen der Produktidee bemächtigen und Handy-Abstandshalter für alle Lebenslagen anbieten. Geschafft hat diese Branche den Durchbruch, wenn auch Vodafone, O2 und Telekom ihren Kunden die Abstandshalter als Gadget anbieten werden .
Derjenige, der sich den Warntext für Worthington und Anderson ausgedacht hat, ist Lawrence Lessig, Professor des Rechts und Direktor des "Edmond J. Safra Center for Ethics" an der Harvard Universität.
Klingelt's?
Nein? Also dann: Lessig war der Unglücksrabe, der voraussichtlich auf Betreiben von Devra Davis im November 2011 ausgerechnet den Ex-Tabaklobbyist Franz Adlkofer eingeladen hatte, an der Harvard Law School einen langen Vortrag über institutionelle Korruption in der Mobilfunkdebatte zu halten. Lessig ist in dem Video von der Veranstaltung als Vorredner Adlkofers zu sehen. Ab Minute 7:00 stellt er seinen Gast vor, die Passage "Smoking and Health" (Forschungsrat Rauchen und Gesundheit) so hastig, dass ich den genauen Wortlaut trotz mehrfachem Abhören nicht verstehe.
Die Harvard Universität liegt an der Ostküste nahe Boston, rund 5000 km von Berkeley entfernt. Wie kommt es, dass die beiden Berkeley-Stadträte bereits in ihrem Antrag den von Lessig ausgearbeiteten Textentwurf präsentieren konnten? Aus meiner Sicht gibt es dafür nur eine Erklärung: Die beiden sind nur die Überbringer, ausgearbeitet wurde der Antrag von den Mobilfunkgegnern, die schon in San Franzisko die Finger mit drin hatten und nun versuchen, mit Berkeley die fixe Idee mit dem Warnaufkleber doch noch zu verwirklichen.
Sollte der Aufkleber in Berkeley tatsächlich kommen, sehe ich einen Nutzen nur für die vielen Geschäftemacher mit der Elektrosmog-Angst in aller Welt, denn die Szene wird die Meldung schnell verbreiten und als Präzedenzfall hochjubeln. Einen Nutzen für die Bevölkerung sehe ich nicht, auch der Bundesgesundheitsminister warnte viele Jahre lang vergeblich auf jeder Zigarettenschachtel in Deutschland. Dabei kann Zigarettenkonsum tödlich enden, dieses Risiko ist seit langem wissenschaftlich unstrittig belegt. Bei Handys ist dagegen noch nichts unstrittig belegt, die verwirrende Warnung von Lessig kann so auch ein Schuss nach hinten sein, und mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen.
Doch noch ist es nicht so weit, noch hat der Stadtrat von Berkeley nicht über den Antrag von Worthington und Anderson beraten und abgestimmt. Das soll Medienberichten zufolge frühestens am 8. September passieren.
Hintergrund
Medienberichte zum geplanten Sticker von Berkeley
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Berkeley: Fortsetzung am 28. Oktober
H. Lamarr , München, Freitag, 26.09.2014, 00:35 (vor 3697 Tagen) @ H. Lamarr
Am 8. Juli fand die letzte Stadtratssitzung vor der Sommerpause statt, erst am 8. September tagt der Rat wieder.
Ob Handys in Berkeley einen Warnaufkleber tragen müssen, das soll nun vom Stadtrat am 28. Oktober 2014 entschieden werden.
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Berkeley: Merkzettel vom Händler statt Aufkleber aufm Handy
H. Lamarr , München, Sonntag, 16.11.2014, 23:27 (vor 3645 Tagen) @ H. Lamarr
Am 8. Juli fand die letzte Stadtratssitzung vor der Sommerpause statt, erst am 8. September tagt der Rat wieder.
Ob Handys in Berkeley einen Warnaufkleber tragen müssen, das soll nun vom Stadtrat am 28. Oktober 2014 entschieden werden.
Von dem ursprünglich geplanten Warnaufkleber für Handys ist nicht allzu viel übrig geblieben, obwohl US-Mobilfunkgegner am 17. Oktober noch einmal Druck machten. Am 28. Oktober empfahl der Stadtrat dem Stadtdirektor von Berkeley lediglich, zu veranlassen, dass beim Verkauf eines Handys in der Stadt der Einzelhändler dem Kunden einen Zettel überreichen muss auf dem stehen sollte:
"The Federal Government requires that cell phones meet radio frequency (RF) exposure guidelines. Don't carry or use your phone in a pants or shirt pocket or tucked into a bra when the phone is turned ON and connected to a wireless network. This will prevent exposure to RF levels that may exceed the federal guidelines.
Refer to the instructions in your phone or user manual/or the recommended separation
distance."
Die Medien berichteten lange vor der Entscheidung am 28. Oktober ziemlich ausführlich über den Anlauf Berkeleys. Das, was dann tatsächlich beschlossen wurde, ist jedoch so unspektakulär, dass die Medien (bislang) nicht mehr darauf angesprungen sind.
Meine Meinung: Der praktische Nutzwert des Merkzettels geht zu Zeiten des Internets gegen Null. Das eigentliche Ziel der Stadt wird damit verfehlt. Ob von dem Merkzettel eine nennenswerte Signalwirkung ausgeht, wird sich zeigen müssen. Wer die Aktion dahingehend zuerst vermarktet dürfte zu den Drahtziehern gehören, die dem Stadtrat Max Anderson die fixe Idee eingeflüstert haben.
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City Manager Referral: Cell phone ordinance referral to City Manager (PDF, 6 Seiten, englisch).
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Berkeley, Lessig und die Harvard Law School
H. Lamarr , München, Donnerstag, 28.05.2015, 16:29 (vor 3452 Tagen) @ H. Lamarr
Von dem ursprünglich geplanten Warnaufkleber für Handys ist nicht allzu viel übrig geblieben ...
Einstimmig mit 9:0 Stimmen beschloss der Stadtrat von Berkeley in erster Lesung eine Verordnung (PDF, 4 Seiten, englisch), der zufolge Handy-Verkäufer in der Stadt Kunden über mögliche Gesundheitsrisiken aufklären müssen, wenn Handys unmittelbar am Körper getragen werden. Sollte die Verordnung auch die zweite Lesung im Stadtrat ohne Widerstand passieren, könnte die Verordnung noch im Juli 2015 inkraft treten.
Wie die GSMA meldet, hat Lawrence Lessig von der Harvard Law School die Stadträte beraten, der Professor musste auf Anfrage jedoch einräumen, er selbst halte sich nicht an die Abstandsempfehlung in der Verordnung (1 cm bis 1,5 cm Distanz zum Körper), sondern trage sein Handy in der Gesäßtasche. Wie hier ausgeführt gibt es eine direkte Verbindungslinie zwischen Lessig und dem Ex-Tabaklobbyisten Franz Adlkofer, der um 2003 herum zum Mobilfunkgegner konvertierte. Offensichtlich ist es Adlkofer und der Amerikanerin Devra Davis gelungen, den Politaktivisten Lessig, der sonst nicht auf den Kopf gefallen ist, auf die Seite der Mobilfunkgegner zu ziehen.
Kommentar: Aus meiner Sicht beruht die Verordnung von Berkeley auf veraltetem Kenntnisstand. Begründung hier. Im Vergleich zu Deutschland sind die USA mit Blick auf Handys bei der Kundeninformation rückständig, SAR-Werte sind dort eher unbekannt. Hierzulande werden SAR-Werte zwar intensiv kommuniziert, auch von Fachzeitschriften, das Interesse der Handykäufer an niedrigen SAR-Werten ist jedoch schwach.
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Berkeley: Diagnose-Funk verbreitet Schnee von gestern
H. Lamarr , München, Sonntag, 30.04.2017, 23:40 (vor 2749 Tagen) @ H. Lamarr
Wie ist denn nun diese Geschichte in Berkeley ausgegangen? Den Anstoss, sich noch einmal um diesen Sturm im Wasserglas der Vorstadt von San Francisco zu kümmern, gab kürzlich Diagnose-Funk. Der Anti-Mobilfunk-Verein fordert ...
... dass auf allen Endgeräten (Smartphones, Tablets, DECT-Telefone, Babyphones, WLAN-Router) Warnhinweise angebracht werden, wie das in Berkeley (USA) gesetzlich angeordnet wurde [...] (Quelle)
Die Recherche ergab: Diagnose-Funk behauptet wieder Stuss. Das ist ärgerlich, dieser Verein ist nicht imstande, einfachste Zusammenhänge richtig wieder zu geben, zu groß ist seine Lust am Dramatisieren.
Hier nun das, was tatsächlich in Berkeley passiert ist:
Nachdem der Stadtrat von Berkeley die Aufklärung über Handy-Risiken beschlossen hat, trat die Verordnung am 21. März 2016 in kraft. Seither sind Handy-Händler in dieser Stadt verpflichtet, Kunden mit einem Schild im Verkaufsraum oder Schaufenster (ab 8,5 Zoll x 11 Zoll, Schrift mindestens 28 Punkt) oder mit einem Handzettel für die Kunden (ab 5 Zoll x 8 Zoll, Schrift mindestens 18 Punkt) darauf hinzuweisen, dass Mobiltelefone vorsorglich besser nicht direkt am Körper getragen werden sollten.
Bild: http://www.saferemr.com/2014/11/berkeley-cell-phone-right-to-know.html
Eine Verpflichtung, einen Warnhinweis auf alle Endgeräte zu kleben, wie von Diagnose-Funk behauptet, gibt es nicht. Diese unausgegorene Idee wurde in Berkeley schon nach kurzer Zeit fallen gelassen. Und auch die dramatische aber falsche Formulierung "gesetzlich angeordnet" statt des schlichten aber zutreffenden Begriffs "Verordnung" zeigt, wie ungenau Diagnose-Funk es mit der Wahrheit nimmt.
Die CTIA (Vereinigung der US-Mobilfunkindustrie) klagte gegen Berkeleys Verordnung und erreichte im September 2015 einen Teilerfolg: Aus dem damals vorgeschlagenen Hinweistext musste eine Passage gestrichen werden ("This potential risk is greater for children", siehe weiter unten). Der CTIA reichte dies nicht, sie zog weiter in die nächste Instanz, unterlag dort jedoch am 21. April 2017 knapp: Eine Richterin der 3-köpfigen Jury äußerte "ernste Zweifel" am Urteilsspruch. Immerhin gab das Berufungsgericht der CTIA sogar recht, es gäbe keine Hinweise darauf, dass Handys eine schädliche Wirkung hätten. Weitere Details zu diesem Urteil in dem Reuters-Beitrag When the government can make businesses talk.
Der Berg kreißte und gebar ein Mäuslein: Ein Hinweisschild in den Schaufenstern von Handy-Läden in Berkeley ist das Ergebnis eines rund drei Jahre dauernden Verfahrens. Die Kosten dafür müssen enorm hoch gewesen sein.
Interessant ist, wie schnell sich im Laufe des Verfahrens der Text auf dem Hinweisschild zum großen Ärger der organisierten Anti-Mobilfunk-Szene verändert hat. Ich habe mit dem Hinweis in seiner jetzigen unaufgeregten Form überhaupt kein Problem, ein Smartphone im BH muss nun wirklich nicht sein. Denn anders als Handys entwickeln Smartphones je nach App-Ausstattung selbsttätig erhebliche Sendeaktivitäten, da können ein bisschen Vorsorge und ein paar Millimeter Abstand nicht schaden. Und hier nun die Berkeleyer Metamorphose dessen, was als "Hund der Baskervilles" losstürmte und am Ziel als "Pudel" angetrottet kam:
Juli 2014: "The World Health Organization has classified wireless transmissions from cell phones as 'possibly carcinogenic,' based on an increased risk for brain cancer. Refer to the instructions in the phone or your user manual for the manufacturer's recommended distance to keep the phone from the body during use."
November 2014: "The Federal Government requires that cell phones meet radio frequency (RF) exposure guidelines. Don't carry or use your phone in a pants or shirt pocket or tucked into a bra when the phone is turned ON and connected to a wireless network. This will prevent exposure to RF levels that may exceed the federal guidelines.
Refer to the instructions in your phone or user manual/or the recommended separation
distance."
September 2015: "To assure safety, the Federal Government requires that cell phones meet radio frequency (RF) exposure guidelines. If you carry or use your phone in a pants or shirt pocket or tucked into a bra when the phone is ON and connected to a wireless network, you may exceed the federal guidelines for exposure to RF radiation. This potential risk is greater for children. Refer to the instructions in your phone or user manual for information about how to use your phone safely."
März 2016: "To assure safety, the Federal Government requires that cell phones meet radiofrequency (RF) exposure guidelines. If you carry or use your phone in a pants or shirt pocket or tucked into a bra when the phone is ON and connected to a wireless network, you may exceed the federal guidelines for exposure to RF radiation. Refer to the instructions in your phone or user manual for information about how to use your phone safely."
Hintergrund
Urteil des Berufungsgerichts vom 21. April 2017
Parade der Warnschilder
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
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Berkeley: Never-ending-Story um Handy-Verordnung
H. Lamarr , München, Donnerstag, 04.07.2019, 22:18 (vor 1954 Tagen) @ H. Lamarr
Der Berg kreißte und gebar ein Mäuslein: Ein Hinweisschild in den Schaufenstern von Handy-Läden in Berkeley ist das Ergebnis eines rund drei Jahre dauernden Verfahrens. Die Kosten dafür müssen enorm hoch gewesen sein.
Wenn es ums Prinzip geht, spielt Geld offensichtlich eine untergeordnete Rolle. Wie Joel M. Moskowitz berichtet, dauert der Rechtsstreit mit der CTIA um die im Mai 2015 verabschiedete und am 21. März 2016 in Kraft getretene Handy-Verordnung von Berkeley noch immer an. Am 1. Juli 2019 bestätigte nun ein Bezirksgericht mit 2:1 Stimmen, Berkeley habe rechtens gehandelt Handy-Shops zu verpflichten, ihre Kunden im Interesse des Verbraucherschutzes ausdrücklich auf die Sicherheitshinweise der Gerätehersteller aufmerksam zu machen (siehe oben).
Die CTIA kann gegen das jüngste Urteil Berufung einlegen, indem sie eine mündliche Verhandlung mit elf Richtern beim Berufungsgericht und/oder beim Obersten Gerichtshof der USA beantragt. Darüber hinaus handelt es sich bei dem Streitgegenstand, der in den letzten vier Jahren ausgefochten wurde, um den Antrag der CTIA auf einstweilige Verfügung mit dem Ziel, Berkeleys Verordnung solange vom Vollzug auszusetzen, bis Bundesgerichte den Fall verhandelt und die dann endgültige Entscheidung getroffen haben.
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Kleine Chronik der Warnhinweise-auf-Handy-Vorstöße
H. Lamarr , München, Sonntag, 27.07.2014, 00:42 (vor 3758 Tagen) @ H. Lamarr
Berkeley ist eine US-amerikanische Stadt im Alameda County in der nordkalifornischen San-Francisco-Bay-Area. Sie grenzt im Süden an die Stadt Oakland, im Osten an die Berkeley Hills und im Norden an die Stadt Albany. Berkeley hat 112'578 Einwohner.
Die Stadtverwaltung von Berkeley weiß sehr wohl, dass erst vor ein paar Jahren im benachbarten San Franzisko der Versuch gescheitert ist, Warnhinweise auf Handys und in den Schaufenstern von Handy-Shops zu erzwingen.
Bislang gibt es fünf regionale politische Anläufe, Warnaufkleber auf Handys durchzusetzen. Gelistet sind hier keine bloßen Willensbekundungen von Politikern, sondern Vorstöße, die auf parlamentarischer Ebene stattfanden:
Januar 2010, Maine, USA: Ein Gesetzesentwurf der Abgeordneten Andrea Boland (federführende Initiatorin) wird an den Gesundheitsausschuss des Parlaments von Maine zur Bearbeitung weitergeleitet. Der Entwurf sieht nicht entfernbare Warnhinweise auf der Vorder- und Rückseite von Handy-Verkaufsverpackungen sowie auf der Rückseite von Handys vor. Dort sollen sie mindestens 30 Prozent der Fläche einnehmen. Text: "WARNING, THIS DEVICE EMITS ELECTROMAGNETIC RADIATION, EXPOSURE TO WHICH MAY CAUSE BRAIN CANCER. USERS, ESPECIALLY CHILDREN AND PREGNANT WOMEN, SHOULD KEEP THIS DEVICE AWAY FROM THE HEAD AND BODY." Der Gesundheitsausschuss empfiehlt im März 2010 die Ablehnung des Entwurfs, das Parlament von Maine folgt dieser Empfehlung noch im gleichen Monat.
Juni 2010, San Franzisko, USA: Die Stadt San Franzisko erlässt eine Verordnung, dass in der Stadt und ihrem Landkreis nur noch Handys verkauft werden dürfen, wenn deren SAR-Wert für den Käufer ersichtlich ist (San Francisco's cell phone right-to-know ordinance). Händler sind z.B. verpflichtet, für die in Schaufenstern ausgestellten Handys mit Schildchen den SAR-Wert jedes Geräts zu benennen, einer grundsätzliche Erklärung des SAR-Werts bereit zu halten und den Käufer darauf hinzuweisen, dass er vom Händler mehr Aufklärung über den SAR-Wert erfragen kann. Im Oktober 2011 tritt die Verordnung in Kraft. Die Mobilfunkbranche klagt dagegen und bekommt Recht. Am 7. Mai 2013 zieht die Stadt San Franzisko ihre Verordnung zurück.
März 2012, Israel: Zwei Abgeordnete der Knesset reichen im israelischen Parlament den Gesetzesentwurf für einen Warnaufkleber ein, den alle in Israel verkauften Handys tragen sollen. Text: "Warning - the Health Ministry cautions that heavy use and carrying the device next to the body may increase the risk of cancer, especially among children." Aktueller Stand: unbekannt.
Januar 2014, Hawaii, USA: Vier Senatoren des US-Inselstaates Hawaii reichen im Senat die Gesetzesvorlage für eine Warnung ein, die nicht entfernbar auf der Rückseite aller Handys angebracht sein soll, die in Hawaii über den Ladentisch gehen. Der Warnhinweis soll mindestens 30 Prozent der Rückseite einnehmen und in fetter Schrift sagen: "To reduce exposure to radiation that may be hazardous to your health, please follow the enclosed safety guidelines." Aktueller Stand: Nach der ersten Lesung wurde der Entwurf an drei Ausschüsse weiter geleitet. Zwei davon haben dem Entwurf mit Änderungen jedoch ohne Gegenstimmen bereits zugestimmt. Am 13. Februar passierte der revidierte Entwurf in zweiter Lesung den Senat. Gegenwärtig befasst sich der dritte Ausschuss (Commerce and Consumer Protection) mit dem Papier.
Juli 2014, Berkeley, USA: Zwei Stadträte der US-Kleinstadt Berkeley beantragen eine Verordnung, die für Händler im Stadtgebiet auf allen Handy-Verkaufsverpackungen folgenden Text vorschreibt: "The World Health Organization has classified wireless transmissions from cell phones as 'possibly carcinogenic,' based on an increased risk for brain cancer. Refer to the instructions in the phone or your user manual for the manufacturer's recommended distance to keep the phone from the body during use." Aktueller Stand: Der eingereichte Entwurf der Verordnung soll erstmals am 8. September 2014 im Stadtrat diskutiert werden.
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– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
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Chronik, Ausland, Warnaufkleber, Fernsehteam
Kleine Chronik der Warnhinweise-auf-Handy-Vorstöße
H. Lamarr , München, Sonntag, 27.07.2014, 14:48 (vor 3757 Tagen) @ H. Lamarr
Aktueller Stand: unbekannt.
Ist aber bei Knesset-Abgeordnetem Khenin angefragt, obgleich Politiker in Israel derzeit andere Sorgen haben und ich daher die Antwortwahrscheinlichkeit < 30 % einschätze.
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