Russland - Jugendgesundheit, Mobilfunk, Tabak (Allgemein)
Immer mal wieder erscheint das "Russische Nationale Komitee zum Schutz vor Nicht- Ionisierender Strahlung (RNCNIRP)" auf der Weltbühne, um als Kronzeuge im Kampf gegen die Vergabe von Mobiltelefonen in Kinderhand dienen zu dürfen:
"Eine Resolution des Russischen Nationalen Komitees zum Schutz vor Nicht- Ionisierender Strahlung (RNCNIRP) kommt zum Schluss, dass wenig Zweifel an einer ,kontinuierlichen Zunahme von Krankheiten von Kindern bestehen, die von der RNCNIRP als „mögliche Krankheiten“ aufgrund von Handy- nutzung identifiziert wurden", hiess es z.B. erst jüngst in der Kleinen Anfrage einer Grünen-Parlamentariergruppe an die Bundesregierung.
Man reibt sich verwundert die Augen. Denn Russland hat in puncto Kinder- und Jugendgesundheit ganz andere Probleme, als sie der Handykonsum seiner jugendlichen Nutzer darstellen:
"Derzeit leben in Russland gut 27 Millionen Kinder und Jugendliche im Schulalter von 5 bis 19 Jahren. Das sind über vier Millionen weniger als im Volkszählungsjahr 2002, weil es „heute in Russland keinen einzigen gesunden Schüler gibt“. So wörtlich der Mitte November 2006 publizierte Bericht der Russischen Akademie medizinischer Wissenschaften (RAMN), der die Symptome aufzählt: Vor allem grassieren Haltungsschäden wie Rückgratverkrümmung und Muskelatrophie, außerdem Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts und schließlich Sehschäden: Mussten eingangs der 1990er Jahre nur 15 Prozent aller Kinder Brillen tragen, so sind es heute 40 Prozent."
Diese Quelle stellt auch fest:
"Als „Hauptfeind der Kindergesundheit“ hat die RAMN die Schulkantinen ausgemacht" ...
"Hinzu kommt die gnadenlose nagruzka russischer Kinder, ihre Überlastung mit Schulstunden und Hausaufgaben, die zusammen fast den ganzen Tag ausfüllen." ...
"1974 erregte ich in einer Leningrader Buchhandlung die stürmische Heiterkeit einiger Soldaten, als ich ein großes Plakat kaufte, das später zwei Jahrzehnte lang meine Bürowand zierte. Im Hintergrund ist ein volltrunkener Mann mit Wodka-Pulle zu erkennen, im Vordergrund ein weinendes Kind, das sagt: „So einen Papa will ich nicht!“ Ein ausdrucksstarkes Plakat gegen Alkoholmissbrauch, aber doch ein rührend hilfloser Versuch, gegen die in Russland seit über 1.000 Jahren endemische Trunksucht anzugehen."
Eine andere Quelle teilt Bedenkliches zum Tabakkonsum mit. Dieser ist in Russland bereits bei Kindern vergleichsweise hoch:
"In der Altersgruppe der 11-Jährigen wurde für die russische Föderation der höchste Anteil von Jugendlichen, die regelmäßig rauchen, festgestellt", und auch bei den 13- bis 15-Jährigen fänden sich Russland und die Ukraine "unter den ersten fünf Ländern." Die Angaben fußen auf Datenerhebungen im Rahmen der internationalen Kinder- und Jugendgesundheitsstudie in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation (HBSC).
Da kann man dann schon stutzig werden. Enorme Defizite in der russischen Jugend- und Gesundheitspolitik. Klar erkannte Ursachen für diesen Zustand. Unter diesen: der im weltweiten Vergleich übermäßige Tabakkonsum als ein erwiesener Treiber der Schädigung der Kinder- und Jugendgesundheit.
Es wirkt absurd, dass inmitten dieser Zustandsbeschreibungen, im bekanntlich transparentesten Land der Welt, ein "Russisches Nationales Komitee zum Schutz vor Nicht-Ionisierender Strahlung (RNCNIRP)", im Gegensatz zu anderen seriösen, international arbeitsteilig ermittelten Studienerkenntnissen, ausgerechnet den Handygebrauch als Ursache für die "kontinuierliche Zunahme von Krankheiten von Kindern" entdeckt haben will.
Ach ja, und: Tabak, Mobilfunk.
Da war doch was.
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"Ich habe eiserne Prinzipien. Wenn sie Ihnen nicht gefallen, habe ich auch noch andere." (Groucho Marx)