Stoa-Bericht: Diagnose-Funk übernimmt Wortwahl des BfS (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Samstag, 30.08.2025, 21:34 (vor 1 Tag, 6 Stunden, 12 Min.)

Stoa, die Wissenschaftsberatung des EU-Parlaments (Science and Technology Options Assessment), veröffentlichte 2021 das Paper "Health impact of 5G". Für Freund und Feind war klar: Die 200 Seiten sind eine Studie. Dann aber kam das BfS und nannte das Paper wohlüberlegt einen Bericht. Das IZgMF folgte dieser Sprachregelung. Diagnose-Funk wollte bei Studie bleiben, scheiterte aber an der Inkonsequenz in den eigenen Reihen.

Für Außenstehende ist es völlig egal, ob das Stoa-Papier nun ein Bericht oder eine Studie ist. Denn freiwillig liest die 198 Seiten ohnehin niemand. Im Stuttgarter Führerbunker der deutschen Anti-Mobilfunk-Szene ist Peter Hensinger die Namensgebung des Papiers jedoch keineswegs egal. Klingt Studie doch prestigeträchtig nach seriöser Wissenschaft, Bericht hingegen nach einer gewöhnlichen Mitteilung. Ergo setzte Hensinger alles daran, seinem geliebten Stoa-Papier das Prädikat Studie zu erhalten. Und sei es nur, um sich demonstrativ der Sprachregelung des BfS zu verweigern. So empörte sich der Stuttgarter 2023 in einem bedeutungslosen Verbandsblatt u.a. über die angebliche "Abwertung der Ergebnisse der Stoa-Studie durch das Bundesamt für Strahlenschutz".

Peter Hensinger vs. wissenschaftlicher Diskurs

Was war geschehen? Zwei von 600 Abgeordneten des Deutschen Bundestages fragten bei der Bundesregierung nach, was von dem fraglichen Stoa-Dokument zu halten sei. Für die Bundesregierung antwortete laut Hensinger Staatssekretär Christian Kühn (Grüne, Umweltministerium): "Das in der Frage genannte Dokument ("Stoa Bericht") ist eine persönliche Ausarbeitung der Autorin. Der Bericht wurde nicht unabhängig extern begutachtet und erfüllt damit auch nicht grundlegende Ansprüche wissenschaftlicher Qualitätssicherung. Überdies schränken methodische und inhaltliche Schwächen seine Aussagekraft und die Validität der Schlussfolgerungen ein. Im wissenschaftlichen Diskurs erfährt er wenig Beachtung."

Hensinger entgegnet in seinem Artikel: "Die Formulierung 'Im wissenschaftlichen Diskurs erfährt er wenig Beachtung' ist eine vorgeschobene, nicht belegte Behauptung und drückt nur den offensichtlichen Wunsch aus, dass die Studie nicht gelesen werde." Dem kann ich nicht beipflichten. Denn die fehlende wissenschaftliche Beachtung des Stoa-Berichts resultiert intrinsisch schon daraus, dass das Papier exklusiv für Stoa verfasst wurde und nie in einem wissenschaftlichen Journal erschien. Doch erst mit einer solchen Fachveröffentlichung nimmt die wissenschaftliche Community ein neues Papier wahr. Damit fehlt dem Stoa-Bericht, ohne dass man explizit darauf eingehen muss, die elementare Voraussetzung für einen wissenschaftlichen Diskurs.

Ebenfalls wenig sachkundig behauptet Hensinger an anderer Stelle seines Artikels: "Im Sommer 2022 veröffentlichte der Technikfolgenausschuss des EU-Parlaments Stoa das Gutachten 'Health Impact of 5G' (Stoa-Studie)." In diesem kurzen Satz stecken nicht weniger als drei Fehler:

► Nicht im Sommer 2022, sondern am 22. Juli 2021 veröffentlichte Stoa den besagten Bericht.
► Stoa ist kein Ausschuss des EU-Parlaments, sondern in der Selbstsicht eine "Lenkungsgruppe".
► Hensinger benennt das Stoa-Papier zuerst zutreffend als "Gutachten" (mehr dazu weiter unten), vermasselt (überfrachtet) dann jedoch den Satz auf der Zielgeraden, weil er unbedingt noch seine fixe Idee von der "Stoa-Studie" an den Mann bringen wollte.

10:1 zugunsten von "Stoa-Studie"

Wie inkonsequent Diagnose-Funk bei der Unterdrückung von "Stoa-Bericht" zugunsten von "Stoa-Studie" auf der eigenen Website vorgegangen ist, belegt dort die Suche nach "Stoa-Bericht". Statt null Treffer (bei konsequenter Vermeidung) hatte ich heute immerhin 19 Treffer. "Stoa-Studie" kommt hingegen auf der Website derzeit 190-Mal vor. Dieses Verhältnis 10:1 kann sich jederzeit ändern, denn wenn ein fleißiges Lieschen des Stuttgarter Vereins auf der eigenen Website die Formulierung "Stoa-Bericht" entdeckt, ersetzt es den Begriff gegen "Stoa-Studie". So geschehen z.B. schon vor Jahren bei diesem Beitrag in der Zwischenüberschrift ...

Die politischen Forderungen der Stoa-Studie zusammengefasst

Bis 26.08.2021 hat diese Zwischenüberschrift noch gelautet ...

Die politischen Forderungen im Stoa-Bericht zusammengefasst

Stoa ordert wegen "athermischer Bioresonanzen" eigene Übersetzungen

Was das fleißigen Lieschen noch tolles kann: Die Seitenanzahl des Stoa-Berichts von 175 Seiten (ab 26.08.2021) auf 200 Seiten hochsetzen (seit 07.08.2024). Das kann nicht jeder, zumal der Original-Stoa-Bericht seit seiner Veröffentlichung ganz und gar unverändert geblieben ist. Mutmaßlich beziehen sich die 175 Seiten auf das englische Original, das allerdings von Anfang an 198 Seiten hat, und die 200 Seiten beziehen sich auf die deutsche Übersetzung durch Diagnose-Funk. Wie man hier nachlesen kann, ist die Übersetzung durch Diagnose-Funk stellenweise jedoch haarsträubend schlecht. Beispiel:

Original: "Athermal bioresponses exist, and indeed some frequencies are being used for therapeutic purposes in a number of branches of medicine."

Diagnose-Funk: "Es gibt athermische Bioresonanzen, und in der Tat werden einige Frequenzen zu therapeutischen Zwecken in einer Reihe von Bereichen der Medizin eingesetzt."

Offensichtlich hat auch Stoa erkannt, dass die unqualifizierte Übersetzung des Stoa-Berichts durch Diagnose-Funk den Ruf der Lenkungsgruppe beschädigen kann. Stoa beauftragte deshalb selbst die Übersetzung des englischen Originals in die Sprachen Deutsch, Spanisch, Französisch und Italienisch. Abrufen lassen sich diese Sprachversionen des Stoa-Berichts auf dieser Seite des Stoa-Webauftritts. Zur schnellen Beurteilung der Übersetzungsqualität habe ich das obige Beispiel geprüft und kann auf dieser dünnen Entscheidungsgrundlage unter Vorbehalt grünes Licht geben:

Qualifizierte Übersetzung: "Es gibt in der Tat athermische biologische Reaktionen, und einige Frequenzen werden sogar in manchen medizinischen Fachgebieten zu therapeutischen Zwecken eingesetzt."

Bericht oder Studie, das ist hier die Frage

Zum Schluss gehen wir noch der Frage nach, ob das BfS die Wortwahl "Stoa-Bericht" spontan aus dem Ärmel geschüttelt hat oder ob diese Sprachregelung auf einer stabilen Grundlage steht. Mit dieser Recherche habe ich die KI ChatGPT beauftragt und deren Ergebnisse auf Plausibilität geprüft.

Das BfS vermeidet bei der sogenannten "Stoa-Studie" (korrekt: Stoa report "Health impact of 5G") den Begriff Studie, weil es sich streng genommen nicht um eine originäre wissenschaftliche Studie mit eigenen Experimenten oder epidemiologischen Daten handelt, sondern um eine Literaturauswertung bzw. eine Review-Arbeit.

Studie (im engeren Sinn): eigene Datenerhebung, Hypothesenprüfung, festgelegtes Studiendesign (z. B. Kohortenstudie, Tierexperiment, In-vitro-Versuch).

Bericht/Report: Übersichtsarbeit, welche die vorhandene Literatur zusammenfasst und bewertet, aber keine eigenen neuen Ergebnisse liefert.

Die Stoa-Publikation von 2021 (Autoren: Belpoggi et al.) wurde im Auftrag des Europäischen Parlaments erstellt und trägt in der englischen Fassung offiziell den Titel "Study: Health impact of 5G", gehört aber zur Reihe Stoa-Reports. Im englischen Titel steckt also das Wort Study, im institutionellen Kontext bedeutet das aber eher Gutachten/Bericht und nicht "Studie" im wissenschaftlichen Sinne.

Das BfS ist hier sprachlich sehr präzise: Wenn das Amt von einer "Studie" spricht, meint es in aller Regel eine wissenschaftliche Originalarbeit. Die Stoa-Publikation ist dagegen eine Literaturauswertung, weshalb das BfS den Begriff "Bericht" wählt, um keine wissenschaftliche Eigenstudie zu suggerieren.

Dazu kommt noch ein zweiter Punkt: Das BfS wollte damit wohl auch Distanz zu dem Dokument signalisieren, weil das Papier nach Einschätzung des Amtes mehrere Mängel aufweist (kritisiert wurden z.B. Auswahl der Literatur, Gewichtung einzelner Befunde und fehlende methodische Transparenz).

Kurz gesagt: Das BfS spricht von einem Bericht, weil das Stoa-Papier keine eigenständige wissenschaftliche Studie ist, sondern eine politische Auftragsarbeit mit Literaturübersicht.

Hintergrund
Faktencheck: Diagnose-Funk feiert neue Stoa-Studie der EU (I)

--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

RSS-Feed dieser Diskussion

powered by my little forum