Frankreich: Wertverlust von Immobilien wegen Mobilfunkantennen (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 12.06.2025, 21:56 (vor 2 Tagen)

Gigaherz-Forumteilnehmer "Leser" erzählt ohne Quellenangabe vom Pech eines Ehepaars 1000 Kilometer weiter westlich in der Bretagne. Angeblich geht es um den Wertverlust von Immobilien wegen Mobilfunkantennen. Tatsächlich aber geht es um den kuriosen Sonderfall eines Immobilienverkaufs, der schon in trockenen Tüchern war, bevor die Funkmastplanung eines Netzbetreibers die Verkäufer unabsichtlich zurück auf Los beorderte.

"Leser" will einem den Wertverlust von Immobilien wegen Mobilfunkantennen glauben machen. Das spröde Thema Wertverlust, das zu keiner Zeit eine erhellende Objektivierung durch glaubhaft belegte konkrete Zahlen erlebte, gehört seit spätestens 2003 zum Standardrepertoire empörter Mobilfunkgegner. Seit einigen Jahren hat es jedoch an Abschreckungswirkung verloren, da Wohnraum ohne stabile Mobilfunkversorgung mittlerweile abschreckender geworden ist. Konkrete Fälle von Wertverlustängsten sind deshalb heutzutage selten, so selten, dass "Leser" für sein Posting das Ehepaar in der Bretagne bemühen musste.

Simulation auf einer Zufahrtsstraße: ohne Funkmast (links), mit Funkmast (rechts)
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Bilder: Bouygues Telecom

Echt dumm gelaufen

Das Paar Jessica und Steeven Paul hat Medienberichten zufolge vor einem Jahr in der Stadt Plérin das am Stadtrand gelegene Haus an der Rue de La Ville Agan 15 erworben und an vielen Wochenenden selbst renoviert. Doch dann verschob sich die berufliche Perspektive der beiden 30-Jährigen in Richtung Südfrankreich und sie beschlossen, das Haus wieder zu verkaufen. Es fand sich auch ein Interessent. Doch dann informierte der Makler das Paar darüber, dass der französische Mobilfunknetzbetreiber Bouygues Telecom beantragt habe, dicht vor ihrem Haus am Rand eines Feldes ab Juli 2025 einen rd. 30 Meter hohen Funkmast zu errichten. Die Pauls informierten den Kaufinteressenten, der daraufhin prompt absprang. Jetzt steckt das Ehepaar in der Klemme.

Das Problem sozialisieren

In solchen Fällen ist es gängige Praxis, dass die betroffenen Anwohner alle Hebel in Bewegung setzen, um den Bau des Funkmastes zu verhindern. Ein besonders beliebter Hebel soll die öffentliche Aufmerksamkeit mithilfe der Medien auf das Problem der Anwohner lenken. Da ist dann zu lesen, dass der Funkmast vom Typ Pylon nur fünf Meter vom Haus der Pauls entfernt stehen wird. Tatsächlich sind es zehn Meter, wie einem PDF von Bouygues, das bei der Stadt hinterlegt wurde, zu entnehmen ist. Das Papier gibt zu dem geplanten Funkmast nahezu alle technischen Details preis. Doch ob fünf oder zehn Meter, der Abstand ist auf jeden Fall so klein, dass die Bewohner des Hauses nicht an dem Funkmast vorbeischauen können. Insofern kann ich den Ärger der Pauls gut nachvollziehen. Dem Bürgermeister von Plérin ergeht es nicht anders. Er hat Medienberichten zufolge bereits kund getan, die Stadt würde nach Ersatzstandorten für den Funkmast Ausschau halten. Die im Juli 2024 angefertigte Bauzeichnung (unten) zeigt zwischen dem Haus des Ehepaars und dem Standort des Masten eine lange Hecke. Diese hätte im Erdgeschoss einen bescheidenen Sichtschutz gewährleistet, doch es gibt sie nicht mehr.

Bauzeichnung: Zwischen dem Haus der Pauls (15) und dem Funkmast liegen nur 10 Meter
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Schema F: Petition starten

Ein Nachbar der Pauls hat eine Online-Petition gestartet und argumentiert gegen den Funkmast mit angeblich erwiesenen Gesundheitsrisiken. Also Schema F. Gegenwärtig haben 1057 Personen die Petition unterschrieben. Wie viele Unterschriften aus Plérin mit seinen rd. 14'500 Einwohnern kommen ist unklar, denn unterschreiben kann jedermann überall.

Die Pauls haben andere Sorgen, ihnen kann es egal sein, ob der Funkmast die Anwohner verstrahlt oder nicht, sie ziehen so oder so um nach Südfrankreich. Dem Ehepaar kann es auch egal sein, welche Funksysteme der Funkmast bekommen soll (geplant sind UMTS, LTE, 5G), für sie zählt nur eines: Der geplante Mast muss so schnell wie möglich weg, damit sie ihr Anwesen gut verkaufen können. Es geht hier also statt um Gesundheit vor allem um Geld und das nur deshalb, weil die Pauls wegziehen wollen. Ohne Funkmast vor der Nase dürfte der Verkaufserlös merklich höher sein als mit Funkmast. Bouygues Telecom hat die Pauls in eine schwierige Situation gebracht, das kann man mMn schon so sehen. Bleibt es bei dem Standort, ist es mutmaßlich Sache von Gerichten zu klären, ob Bouygues Telecom für den geringeren Verkaufserlös des Hauses, Steeven schätzt die Einbußen auf 30 Prozent, aufkommen muss.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Wertverlust, Immobilie

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