Frankreich: Ergebnisse der Smartphone-Marktkontrolle 2021 (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 11.12.2022, 17:55 (vor 1056 Tagen)

Die nationale französische Funknetzagentur (Agence nationale des fréquences, ANFR) veröffentlichte am 7. Dezember 2022 die Ergebnisse der SAR-Messungen, die sie im Jahr 2021 an 141 Mobiltelefonen von 31 Herstellern durchführen ließ. Drei Mobiltelefone überschritten die zulässigen Grenzwerte.

Mit 141 Geräten ließ ANFR 2021 gegenüber 2020 (95 Geräte) nahezu 50 Prozent mehr Mobiltelefone auf deren Grenzwerteinhaltung testen. Im Rahmen ihrer Aufgabe, die Exposition der Öffentlichkeit gegenüber elektromagnetischen Wellen zu beobachten und den Markt zu überwachen, lässt ANFR SAR-Messungen an Mobiltelefonen durchführen, welche die Behörde bei Testkäufen in häufig besuchten französischen Verkaufsstellen erworben hat. Von den geprüften Mobiltelefonen waren 42 Prozent mit 5G ausgestattet.

Von den 141 Smartphones wurden bei 135 die SAR am Körper (Rumpf) gemessen, bei 14 die SAR am Kopf und bei 132 die SAR an den Gliedmaßen (Arme, Beine).

Ergebnisse
 
► Bei den SAR-Messungen am Kopf wurden keine Verstöße gegen den Grenzwert 2,000 W/kg festgestellt, die gemessenen Werte lagen zwischen 0,167 W/kg und 0,925 W/kg mit einem Medianwert von 0,398 W/kg.

► Bei den SAR-Messungen am Rumpf lagen die Messwerte zwischen 0,439 W/Kg und 2,86 W/kg, mit einem Medianwert von 0,894 W/kg. Der Grenzwert 2 W/kg wurde von zwei Geräten überschritten.

► Bei den SAR-Messungen an den Gliedmaßen lagen die Messwerte der 132 getesteten Mobiltelefone zwischen 1,13 W/kg und 5,26 W/kg, mit einem Medianwert von 2,190 W/kg. Der Grenzwert von 4 W/kg wurde von drei Geräten überschritten.

Wurde eine Grenzwertüberschreitung erkannt, leitete ANFR gegen den Hersteller Verfahren zur Einhaltung der Grenzwerte ein. Nicht konforme Modelle erhielten ein Firmware-Update, das die Einhaltung der Grenzwerte bewirkte. ANFR prüft, ob ein Update die gewünschte Wirkung hat. Wie wichtig eine solche Nachmessung sein kann zeigt ein Vorfall auf dem Jahr 2022.

Aufmerksame Leser werden sich anhand obiger Angaben fragen, warum nur drei und nicht fünf Mobiltelefone als Grenzwertsünder ertappt wurden (zwei bei der SAR-Messung am Rumpf, drei bei der Messung an den Gliedmaßen). Der vermeintliche Widerspruch erklärt sich damit, dass von den drei Geräten, die bei der SAR-Messung an den Gliedmaßen patzten, zwei zusätzlich bei der Messung am Rumpf den Grenzwert überschritten, also einen Doppelfehler begingen.

Wenn von 141 geprüften Smartphones drei den Grenzwert rissen, entspricht dies einer Quote von rd. 2,1 Prozent. Gemäß Statista wurden 2021 rd. 1,35 Mrd. Smartphones verkauft. Wendet man mit dem Mut zur Lücke die Quote auf diese Verkaufszahl an, kamen 2021 weltweit rd. 28,6 Mio. Smartphones in Umlauf, die bei schlechter Verbindung unzulässig stark strahlen.

ANFR lässt Mobiltelefone schon seit vielen Jahren auf Einhaltung der SAR-Teilkörpergrenzwerte hin testen. Wie sich seit 2012 über die Jahre hinweg die Minimal-, Median- und Maximalwerte der SAR-Messung am Kopf und am Rumpf verändert haben, zeigen die beiden folgenden Grafiken. Nur der Median (blauer Balken) wird dort numerisch beziffert, die Minimal- und Maximalwerte (Endpunkte der vertikalen schwarzen Linien) müssen an der Y-Achse abgelesen werden. Für beide Grafiken gilt: Alles was über 2 W/kg hinaus geht bedeutet eine unzulässige Grenzwertverletzung:

Jahresstatistik der SAR-Messungen am Kopf (2012 bis 2021).
[image]

Jahresstatistik der SAR-Messungen am Rumpf (2012 bis 2021).
[image]
Grafiken: ANFR

In der unteren Grafik lässt sich gut erkennen, dass 2016 etwas passiert sein musste, was seither zu höheren SAR-Werten bei der Messung am Rumpf führt. Was war das? An den Mobiltelefonen hatte sich 2016 nichts grundsätzlich geändert, wohl aber an der SAR-Messvorschrift. Waren bis April 2016 in der EU Abstände von bis zu 25 mm zwischen der Rückseite eines Mobiltelefons und der Messsonde des SAR-Messplatzes zulässig, durften nach dem Stichtag 5 mm Abstand nicht mehr überschritten werden. Die geänderte Messvorschrift bildete das Nutzungsverhalten eines Mobiltelefons realistischer ab, wenn die Geräte in einer Hosentasche oder Hemdtasche dicht am Körper getragen werden. Infolge des geringeren Abstands kann mehr elektrische Energie ins Körpergewebe eindringen, wodurch der SAR-Wert ansteigt. Unklar an den beiden Jahresstatistiken ist, auf wie viele geprüfte Geräte sich die älteren Wertangaben stützen.

Um eine Grenzwertüberschreitung zu vermeiden kann der Gerätehersteller die maximale Sendeleistung eines Smartphones gezielt drosseln. Übertreibt er dabei, glänzt das Gerät mit niedrigen SAR-Werten, unter schwierigen Verbindungsbedingungen schneidet das Gerät jedoch schlechter ab als Konkurrenten mit höheren SAR-Werten.

Hintergrund
Bericht über die SAR-Messungen 2021 (französisch)
Alle SAR-Messungen inkl. technische Berichte (Open Data auf data.anfr.fr)
SAR-Grundlagen (französisch)

--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

RSS-Feed dieser Diskussion

powered by my little forum