«Publish or perish»: Studien fälschen ohne Aufwand (Forschung)

H. Lamarr @, München, Freitag, 03.09.2021, 21:19 (vor 1003 Tagen)

Die Studie klingt abstrus, publiziert wurde sie trotzdem. Mit automatisch generierten Artikeln verschaffen sich Forscher Jobs und Renommee. Auch die Verlage verdienen daran.

Der Mathematiker Alexander Magazinov las vor einigen Monaten in einem wissenschaftlichen Fachmagazin einen Artikel, dessen Wortwahl abseits der üblichen Fachterminologie ihn stutzig machte. Er kontaktiere zwei Wissenschaftler, von denen er wusste, dass sie sich für Fälschungen in wissenschaftlichen Publikationen interessieren. Die drei konnten dann nicht nur die echten Fachbegriffe rekonstruieren. Ihnen wurde bald auch klar, wie diese zustande gekommen waren. «Hier handelt es sich um Sätze, bei denen eine spezielle Software, ein sogenannter Spinbot, etwas andere Wörter als die anerkannten Fachbegriffe verwendet hat» erklärt Labbé. Solche teilweise kostenlos im Internet zugängliche Software werde von Autoren verwendet, die eine Veröffentlichung ohne wissenschaftliche Eigenleistung verfassen wollten. Oder anders ausgedrückt, die ohne Aufwand fälschen wollen.

Es gebe ausser den Spinbots auch noch andere softwarebasierte Methoden für jene, die ohne Schweiss und Fleiss Texte erzeugen wollen, erzählen die drei Forscher. Manche Programme generieren automatisch ganze Passagen oder gar Texte. Aus vier bereits publizierten Zusammenfassungen entsteht eine fünfte, aus drei Einleitungen anderer Veröffentlichungen eine vierte. Auch werden Bilder, Grafiken und Tabellen aus der publizierten Fachliteratur gestohlen, mithilfe von Photoshop leicht verändert und als neue Daten präsentiert.

Magazinov schätzt, dass allein in den Computerwissenschaften mehrere tausend gefälschte Publikationen veröffentlicht wurden. Andere Experten befürchten gemäss einem Artikel in der Fachzeitschrift «Nature» ähnliche Ausmasse für ihre eigenen Fachbereiche. Abgedruckt wurden die Fälschungen in Dutzenden von Fachmagazinen, auch von renommierten Verlagen wie Elsevier, Springer oder Wiley. Hunderte wurden allein in diesem Jahr mit Warnhinweisen versehen, nachdem Fälschungsdetektive ihre Erkenntnisse auf der Plattform pubpeer.com präsentiert hatten.

Vor allem Autoren aus China und Indien fallen gemäss dem «Nature»-Artikel durch eine Vielzahl gefälschter oder erfundener Fachartikel auf. Doch unabhängig vom Heimatland der Autoren, ihre Motivation ist immer dieselbe: Sie benötigen eine bestimmte Anzahl an Publikationen, um einen Job in der Forschung zu bekommen oder der Kündigung zu entgehen. «Publish or perish», «Publiziere oder geh unter», nennt man das in der Wissenschaftergemeinde. Doch oftmals bleibt wenig Zeit, die benötigten Publikationen seriös, sprich durch echte Forschungsarbeit, zu erstellen. Fehlen die Daten, aber das Ende des Zeitvertrags naht, dann werden sie eben erfunden. zum kompletten Artikel in der NZZ ...

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Wissenschaft, Fälschung, Manipulation, Spinbot

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