Einbahnstraße: Selbststigmatisierung "Elektrosensibler" (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Montag, 12.07.2021, 14:17 (vor 1190 Tagen) @ H. Lamarr

Ein typisches Merkmal Offener Briefe aus der Anti-Mobilfunk-Szene ist der Umstand, dass sie ohne Antwort (Entgegnung) im Internet herumstehen und die Autoren in ein günstiges Licht tauchen. Dafür gibt es zwei Gründe:

► der Adressat antwortet nicht, weil er sich von den Autoren des Offenen Briefs belästigt fühlt.
► der Adressat antwortet, die Autoren des Offenen Briefes zeigen jedoch kein Interesse, sich ihre Selbstdarstellung durch die Veröffentlichung von Gegenargumenten zerkratzen zu lassen.

Zur ersten Kategorie gehört z.B. der Verein "Weiße Zone Rhön", der die Interessen einer handvoll "Elektrosensibler" vertritt. Mit vorwurfsvollen Offenen Briefen terrorisiert der Verein bevorzugt Autoritäten der Politik, zuletzt am 15. Juni 2021 die "grüne" Kanzlerkandidation Annalena Baerbock. Doch auch dieser Versuch des Vereins, private Probleme der Vereinsmitglieder auf politischer Ebene zu sozialisieren, scheiterte bislang, denn Baerbock hat bekanntlich derzeit andere Sorgen, als sich um die Befindlichkeiten einer winzig kleinen gesellschaftlichen Randgruppe zu kümmern. Heißt: Bis 8. Juli 2021 wartete der Verein vergeblich auf Antwort aus Baerbocks Wahlkampfbüro, nicht einmal ein ebenso freundlicher wie nichtssagender Standardbrief kam aus Berlin in die Provinz. Das genannte Datum nennt der enttäuschte Verein auf seiner Website. Hin und wieder wird es aktualisiert, möglicherweise glaubt der Verein in Verkennung seiner Bedeutung, damit Handlungsdruck auf das Wahlkampfbüro ausüben zu können.

Für die These der Selbstdarstellung spricht, dass die Verfasser unbeantworteter Offener Briefe aus dem Schweigen der Adressaten nichts lernen, sondern unbelehrbar weiter machen. So präsentiert der Verein auf seiner Website einen nervtötenden Offenen Brief vom 29. September 2020 an gleich vier deutsche Bundesminister. Da Antwort ausblieb, ermahnte der Verein seine Opfer am 7. Januar 2021 auf denkbar unglückliche Weise, sich eines Besseren zu besinnen. Erst als auch dieser Ermahnung der Erfolg versagt blieb, hörte der Verein auf, sein Versagen weiter zu dokumentieren. Allerdings nur, um ein paar Monate später seine Erfolglosigkeit erneut zur Schau zu stellen, diesmal mit Baerbock. Dieses Vorgehen erinnert an eine (allerdings gestellt wirkende) Szene aus dem Film "Die lustige Welt der Tiere". Auf der Suche nach Nahrung hebt ein Affe einen Stein hoch und fällt vor Schreck in Ohnmacht, als sich darunter eine Schlange kringelt. So weit, so gut. Doch wieder erwacht, schaut der Affe erneut unter denselben Stein und fällt noch zwei weitere Mal in Ohnmacht, bis er kapiert hat, dass er diesen Stein besser in Ruhe lassen sollte.

Auch der Verein für Elektrosensible, München, glaubt mit dem stumpfen Schwert des Offenen Briefs eifrig herumfuchteln zu müssen, um sich als heldenhafter Kämpfer für die Belange "Elektrosensibler" zu inszenieren. Wenn ich die Trefferliste richtig ausgewertet habe, will sich dem kampfbereiten weißen Ritter jedoch partout kein schwarzer Ritter in den Weg stellen, es bleibt deshalb auch bei diesem Verein allein die (unglückliche) Selbstdarstellung als vermeintlicher Erfolg der langweiligen, vorwurfsvollen und stellenweise aufdringlichen Briefe übrig. Wer anspruchslos ist, gibt sich freilich schon damit zufrieden und verkennt, welch abschreckende Wirkung das öde Geschreibsel außerhalb der Echokammern der Autoren hat.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
EHS, Selbstdarstellung, Geltungsdrang, Stigmatisierung, Echokammer, Offener Brief


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