Magda Havas will Covid-19 infolge 5G-Einwirkung belegen (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Montag, 23.11.2020, 02:07 (vor 1278 Tagen)

Die kanadische Biologin/Botanikerin Magda Havas versuchte im April 2020 die selbst gestellte Frage zu beantworten: Is there an association between covid-19 cases/deaths and 5G in the United States? Erwartungsgemäß kam die EMF-Alarmsirene zu den beängstigenden Schlussfolgerungen, ja, wo in den USA 5G in Betrieb ist, schnellen die Covid-19-Erkrankungszahlen in die Höhe und noch mehr die Todesfälle. Was ist daran dran?

Havas veröffentlichte ihre Beantwortung der selbst gestellten Frage auf ihrer privaten Website. Und dort schätzt sie ihr Publikum gleich zu Beginn als ziemlich unbedarft ein, weist sie doch in ihrer Betrachtung über einen möglichen Zusammenhang von Covid-19 und 5G in den USA explizit auf eine Banalität hin:

NOTE: 5G and 5 GHz are not the same.

So einem Publikum kann man risikolos Pseudowissenschaft vorsetzen, Widerspruch ist nicht zu befürchten. Havas' (eigene) Ausführungen lauten dann so:

I compared the average number of cases, deaths, and tests for covid-19 per million population in states with and without 5G and this is what I found (Table 1). Note: The data are standardized for population, which enables us to compare states with smaller and larger populations.

[image]

The average (mean) number of covid-19 tests per 1 million people is similar for the have (with 5G) and have not (without 5G) states. Covid-19 cases per million are 95% higher and covid-19 deaths per million are 126% higher in states with 5G. Whether these results are due to some factor other than 5G and whether this association will persist as time goes on remains to be seen.

Im Original folgt dann noch eine Grafik. Diese zeigt für die 51 Bundesstaaten der USA, (19 noch ohne 5G, 32 mit 5G; Stand April 2020) die Anzahl an Covid-19-Erkrankungen und -Todesfällen. Dass gemäß Legende der Grafik die Balken der Todesfälle in den 5G-Bundesstaaten rot markiert sein müssten, tatsächlich aber orange sind, ist schludrig, aber nicht weiter wichtig.

Der große Rest ihrer Betrachtungen ist nicht auf Havas' Mist gewachsen, sondern eine stützende Fremdauswertung, auf die ich nicht eingehe.

Gemäß Havas ist die Anzahl der Covid-19-Erkrankungen in US-Bundesstaaten mit 5G im Durchschnitt um 95 Prozent höher als in Bundesstaaten ohne 5G, die Anzahl der Covid-19-Todesfälle ist sogar um 126 Prozent höher.

Nun bin ich kein Wissenschaftler, der Magda Havas' Betrachtung nach allen Regeln der Kunst zerpflücken könnte. Da Havas, wenn sie Betrachtungen über EMF anstellt, jedoch ausnahmslos Alarmierendes findet und breit streut, bin ich der Kanadierin gegenüber äußerst skeptisch eingestellt. So halte ich bereits den Ansatz ihrer Betrachtung, einen Zusammenhang zwischen 5G und Covid-19 dokumentieren zu wollen, für laienhaft, weil Havas damit zwar irrationale Ängste befeuern, nicht aber einen Kausalzusammenhang beweisen kann. Reichlich unscharf ist Havas auch in der Benennung ihrer Untersuchungsobjekte, mal sind es (siehe Original) nur 58 5G-Städte in 32 Bundesstaaten, dann aber vergleicht sie Bundesstaaten mit 5G ganz ungezwungen mit Bundesstaaten ohne 5G und orakelt, die Normierung ihrer Zahlen auf "1 Million Einwohner" pro Bundesstaat führe zu einem zulässigen Vergleich. Das aber kaufe ich ihr nicht ab. Denn eine mMn interessante Zahl taucht bei ihr überhaupt nicht auf, nämlich die Bevölkerungsdichte in den einzelnen Bundesstaaten, die ein Indiz für das Covid-19-Ansteckungsrisiko ist.

Auffallend nebulös ist zudem, was Havas über die 5G-Frequenzen in den USA schreibt:

5G consists of three frequency bands that can be labeled sub 1 GHz (i.e. below 1 GHz); sub 6 GHz and then much higher frequencies called mmwaves. Some states have 5G mmWaves while others do not.

Aha. Das liest sich so, als würden die USA irgendwie flächendeckend mit 5G versorgt, speziell mit den gefürchteten "neuen" sub-6-GHz-Frequenzen. Das aber ist ein Trugschluss, denn das z.B. bei uns bereits genutzte 3,6-GHz-Band wurde in den USA erst im August 2020 versteigert, es konnte also zum Zeitpunkt von Havas' Grübeleien noch gar nicht die Amerikaner verstrahlen und für Covid-19 anfällig machen! Dann vielleicht die Millimeterwellen? Nein, das 25-GHz-Band ist in den USA zwar bereits für 5G frei gegeben, die winzigen Abdeckungsflächen bei diesen Frequenzen, sie sind das diametrale Gegenteil von flächendeckend, können deshalb keine nennenswerte Auswirkung auf die Bevölkerung ganzer US-Bundesstaaten haben. Bleiben im April 2020 als wirklich relevant nur die Frequenzen um 1 GHz übrig, die seit ungefähr 30 Jahren weltweit für Mobilfunk verwendet werden und bestens erforscht sind.

Dies und mehr grummelt bei mir als Unmut über Havas' Beitrag vor sich hin, ist aber weder Fisch noch Fleisch.

Eine weitere Überlegung aber hat mMn etwas mehr Substanz: Wenn ein Netzbetreiber ein neues Netz errichtet, wo fängt er dann damit an? Sprechen keine Lizenzauflagen dagegen, fängt er dort an, wo er am meisten Profit mit dem neuen Netz machen kann. Ergo errichten Netzbetreiber neue Netze am liebsten in bevölkerungsreichen Städten und Regionen, wo viele Kunden emsig ihr Mobiltelefon nutzen. Dies sollte unstreitig sein. Wo die Bevölkerungsdichte hoch ist, ist jedoch auch das Ansteckungsrisiko für Covid-19 hoch. Dies sollte ebenfalls unstreitig sein. Beide, Covid-19 und 5G, fühlen sich also überall dort am wohlsten, wo die Bevölkerungsdichte hoch ist. Damit aber stand das Ergebnis von Havas' Betrachtung schon fest, bevor sie überhaupt die Idee dazu hatte!

Machen wir die Gegenprobe. Die US-Bundesstaaten mit der höchsten Bevölkerungsdichte (gemäß obigem Link) sind:

► New Jersey
► Florida
► Ohio
► Rhode Island
► Pennsylvania
► New York
► Massachusetts
► Connecticut
► Delaware
► District of Columbia

Stimmt die simple Überlegung, müsste in allen diesen zehn Bundesstaaten 5G in Betrieb und zugleich Covid-19 ein überdurchschnittliches Problem sein.

Gemäß Havas' Grafik galt für diese Bundesstaaten im April 2020:
(Die "Platzziffer" nennt den Covid-19-Betroffenheitsrang eines Staates unter den 32 5G-Bundestaaten bzw. den 19 Nicht-5G-Bundesstaaten):

New Jersey: 5G = ja; Covid-19-Platzziffer = 2 von 32
Florida: 5G = ja; Covid-19-Platzziffer = 16 von 32
Ohio: 5G = ja; Covid-19-Platzziffer = 18 von 32
Rhode Island: 5G = ja; Covid-19-Platzziffer = 4 von 32
Pennsylvania: 5G = ja; Covid-19-Platzziffer = 8 von 32
New York: 5G = ja; Covid-19-Platzziffer = 1 von 32
Massachusetts: 5G = ja; Covid-19-Platzziffer = 3 von 32
Connecticut: 5G = nein; Covid-19-Platzziffer = 1 von 19
Delaware: 5G = nein; Covid-19-Platzziffer = 2 von 19
District of Columbia: 5G = ja; Covid-19-Platzziffer = 6 von 32

Die obige Liste bestätigt die Überlegung recht deutlich, denn in praktisch allen gelisteten 5G-Bundestaaten ist Covid-19 ein überdurchschnittlich großes Problem. Jedoch nicht, wie es Havas darstellt, weil 5G möglicherweise Mitverursacher der Covid-19-Seuche ist, sondern nur deshalb, weil in allen diesen Bundesstaaten die hohe Bevölkerungsdichte die Ausbreitung von Covid-19 stärker begünstigt als in bevölkerungsarmen Bundesstaaten – die wegen der geringeren Kundenanzahl auch nicht erstrangig mit 5G ausgestattet wurden. Der Zusammenhang, den Havas entdeckt haben will, ist daher aus meiner Sicht nur ein Scheinzusammenhang. Und ich behaupte: Sie selbst weiß dies nur zu gut, sonst hätte sie ihre Betrachtungen aufgehübscht zu einer "wissenschaftlichen Studie" bei irgendeinem Journal eingereicht. Doch das traute sie sich nicht. So blüht der Unsinn nur auf ihrer privaten Website, um wenigstens auf diesem Weg die Bevölkerung mit pseudowissenschaftlich verbrämten Fake News zu verunsichern. Sicherheitshalber hat sie gegen einen Vorwurf wie den meinen ein unscheinbares Feigenblättchen in ihren Beitrag eingewoben und bekennt:

Whether these results are due to some factor other than 5G and whether this association will persist as time goes on remains to be seen.

Vor und nach diesem verdrucksten Bekenntnis rührt die Ruheständlerin ungeniert dieselbe Trommel, die sie seit vielen Jahren rührt und zu einer der Säulenheiligen der orientierungssuchenden Anti-Mobilfunk-Szene gemacht hat.

Hintergrund
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Magda Havas' Spuren im IZgMF-Forum

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Kausalzusammenhang, Havas, USA, Pseudowissen, Covid-19, Bevölkerungsdichte


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