War Hubert Palm, Vater der Baubiologie, ein Idiot? (Allgemein)
Dr. med. Hubert Palm kokettierte in den 1960er Jahren damit, einige Architekten im In- und Ausland hätten ihm aufgrund seiner Arbeiten den Namen "Vater des baubiologischen Bauens" gegeben. Ob ihm diese Ehre gebühre bezweifelte er, er wolle sich aber bemühen, ihr gerecht zu werden. Palms Bemühen zeigte sich z.B. in seinem Buch "Das gesunde Haus", das als Bibel der Baubiologie gilt.
Zu jener Zeit bekämpften Baubiologen nicht Mobilfunk, sondern Beton. Besonders Stahlbeton. Er galt ihnen als saugefährlich, spätestens die 3. Generation, die in Stahlbetonbauten leben müsste, wäre zum Aussterben verurteilt. Als maßgebliche Ursache der angeblich mörderischen Eigenschaften des Stahlbetons erkannten die frühen Baubiologen die Stahlarmierung. Diese wirke wie ein Faradayscher Käfig, der elektrische Felder von Menschen fernhalte, was sich in allerlei Gebrechen bemerkbar machen würde.
Palm behauptete damals unter anderem semantisch wacklig:
Der im Betonbau lebende Mensch befindet sich, anders als die Bewohner von Holz- und Ziegelhäusern, in einem elektrischen Nullfeld und erleidet deshalb eine Disqualifizierung und Minderung seines Lebens in Richtung auf null hin, indem er an chronischer Müdigkeit mit Leistungsschwäche und qualitativer und quantitativer Hinsicht leidet.
Doch diese und weitere Behauptungen wurden Palm zum Verhängnis. Der Bundesverband der Deutschen Zementindustrie zwang ihn 1976 unter Androhung einer Vertragsstrafe von 5000 DM zu einer Unterlassungserklärung, die es ihm verbot, seine Behauptungen in Wort und Text noch einmal zu wiederholen.
Das Beklagen des elektrischen Nullfelds in Betonbauten ist das glatte Gegenteil von dem, was die Baubiologie heute treibt. Denn heute baut sie Schirmungen gegen elektrische Felder selbst ein, gegen Honorar natürlich, meist nachträglich und deshalb besonders teuer. Nichts dokumentiert den Schwachsinn, welcher der deutschen Baubiologie innewohnt, besser, als dieser bizarre Paradigmenwechsel bei elektrischen Feldern: Zuerst wurde deren Abwesenheit verdammt, später, mit Aufkommen der Mobilfunktechnik, deren Anwesenheit. Begründet wird beides mit pseudowissenschaftlicher Expertise.
Palms Panikmache vor dem Leben in Betonbauten wurde nicht allein von der Zementindustrie bekämpft. So machte sich schon 1969 in der Tageszeitung "tz", Ausgabe vom 16. Januar, ein Autor mit einer Glosse über den Herrn Doktor lustig. Die frappierende Ähnlichkeit der Schilderung mit Baubiologen und anderen selbsternannten Experten unserer Zeit ist meiner Erfahrung nach alles andere als rein zufällig:
Quelle: Gerd Danielewski, 1981, Geschäfte mit der Angst – Baubiologie zwischen Anspruch und Wirklichkeit
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –