Europarat: Wie P. Hensinger sein Publikum für dumm verkauft (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 03.01.2017, 14:04 (vor 2891 Tagen) @ KlaKla

weiter 12:10 min: Der Umweltausschuss des Europarates forderte 2011 ein Verbot von WLAN in Schulen.

Mit dieser Behauptung verarscht Hensinger die Zuhörer in einer Art und Weise, die ich nur als dreist bezeichnen kann. Solche harte Kritik an dem Stuttgarter bedarf einer guten Begründung: Bittesehr ...

Am 11. April 2011 verabschiedete der Ausschuss „Umwelt und Landwirtschaft, kommunale und regionale Angelegenheiten“ des Europarats einstimmig den von Jean Huss vorgelegten Entwurf für die Resolution „The potential dangers of electromagnetic fields and their effect on the environment“. In diesem Entwurf steht (unter 8.3.2) tatsächlich das von Hensinger behauptete W-Lan-Verbot drin:

... ban all mobile phones, DECT phones or WiFi or WLAN systems from classrooms and schools, as advocated by some regional authorities, medical associations and civil society organisations

Dies sieht auf den ersten Blick nach einer lupenreinen Rehabilitation von Peter Hensinger aus. Doch der Schein trügt, der Mann von Diagnose-Funk verkauft sein Publikum ganz ungeniert für dumm.

Der Umweltausschuss des Europarats ist lediglich eine vorberatende Instanz, die entscheidende Instanz des Europarats ist der „Ständige Ausschuss“ (Standing Committee) der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. Dieser Ständige Ausschuss berät abschließend über die Entwürfe vorberatender Ausschüsse und nur was der Ständige Ausschuss beschließt, gilt als offizielle Wortmeldung des Europarats. In vielen Parlamenten ist dieses Prozedere sehr ähnlich.

Doch zum großen Bedauern von Peter Hensinger hat nun dieser Ständige Ausschuss des Europarats ausgerechnet die Passage 8.3.2 auf seiner Sitzung am 27. Mai 2011 grundlegend entschärft und eine Formulierung verabschiedet, in der von einem W-Lan-Verbot keine Rede mehr ist:

... for children in general, and particularly in schools and classrooms, give preference to wired Internet connections, and strictly regulate the use of mobile phones by schoolchildren on school premises.

Es ist wirklich kaum zu glauben: Die abschließende und verbindliche Stellungnahme des Europarats passt dem gelernten Drucker nicht in den Kram, deshalb greift er auf den unverbindlichen Entwurf der Stellungnahme zurück und legt so dem Europarat fälschlich die Forderung nach einem W-Lan-Verbot in den Mund! Die Verführung zur Fehlinterpretation ist bei Diagnose-Funk-Funktionären auffallend häufig zu beobachten: Sie drücken sich gezielt so aus, dass Zuhörer das Gesagte falsch, jedoch ganz im Sinne des Redners, interpretieren. Hensinger redet vom "Umweltausschuss des Europarats", beim Zuhörer ankommen dürfte hingegen "Europarat".

Das Schlimme daran ist: Hensinger weiß genau was er tut, seine Verdrehung ist kein Versehen, sondern Kalkül, um seine wahnhaften Vorstellungen von Elektrosmog-Risiken mit Scheinfakten zu stützen. Gegenüber den Zuhörern sehe ich darin eine grobe Geringschätzung. Und auch hier sehe ich Kalkül, denn Hensinger tritt ausnahmslos vor Unkundigen auf, die seine gebündelte Desinformation nicht erkennen können. Wer nur ein wenig mehr weiß, als der Stuttgarter, kann dessen Spielchen mühelos durchschauen.

Im Juli 2012 habe ich Diagnose-Funk darauf hingewiesen, dass der Anti-Mobilfunk-Verein auf seiner Website eine irreführende Vertauschung der Passage 8.3.2 anbietet und fälschlich den Eindruck erweckt, der Europarat fordere ein W-Lan-Verbot an Schulen. Der Verein reagierte nicht und verbreitet die Falschmeldung noch heute. Möglicherweise haben sich im Vorstand des Vereins die Grenzen zwischen Wunschdenken und Realität bereits derart verwischt, dass Hensinger die eigene Falschmeldung auf der Website von Diagnose-Funk für bare Münze hält. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, hat der Mann mMn auf keinem Podium in Stuttgart, um Stuttgart und um Stuttgart herum etwas verloren, zu dicht folgt bei ihm eine Desinformation der anderen, als dass man dies noch mit Mängeln bei der Recherche entschuldigen könnte.

Hintergrund
Resolution 1815: Überraschungscoup im Europarat

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Unseriös, Lernresistenz, Falschmeldung, Schule, Dossier, Diagnose:Funk, WLan, Huss, Resolution 1815, Europarat


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