Wikipedia, 2016 - Desinformation über "Reflex"-Replikation (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 06.07.2016, 16:16 (vor 2942 Tagen) @ H. Lamarr

Am 6. Juli 2016 zeigte Wikipedia über die "Reflex"-Studie die folgende Textpassage und die zugehörigen beiden Literaturquellen:

[...] Während bei einer vom Humangenetiker Günter Speit geleiteten Wiederholung der Experimente die Ergebnisse nicht reproduziert werden konnten,[5] gelang dies einem Autor, der an an der REFLEX-Studie beteiligt war,[8] und weiteren Forschern.[9]
[...]
[8] Schwarz, C. et al., 2008, Radiofrequency electromagnetic fields (UMTS, 1.950 MHz) induce genotoxic effects in vitro in human fibroblasts but not in lymphocytes. Int. Arch Occup Environ Health 81(6), S. 755-767

[9] AUVA, Medizinische Universität Wien, Seibersdorf Labor GmbH: Untersuchung athermischer Wirkungen elektromagnetischer Felder im Mobilfunkbereich, Bd. 47, 2., revidierte Aufl. 2011, S. 136 (Fußnote 29)

Die Textpassage erweckt den Eindruck, "Reflex" sei erfolgreich repliziert worden. Dieser Eindruck ist jedoch falsch.

Begründung: Die Original-"Reflex"-Studie (Diem et al., 2005) untersuchte Fibroblasten des Menschen und GFSH-R17-Zellen von Ratten bei 1800-MHz-GSM-Exposition. Schwarz et al., 2008, hingegen untersuchten Fibroblasten und Lymphozyten des Menschen bei 1950-MHz-UMTS-Exposition. Die Studie von Schwarz et al. ist damit eigenständig und keine Wiederholung der Diem-Studie. Es kommt aber noch besser: Die "weiteren Forscher" der unter [9] genannten Auva-Studie sind bei dem relevanten Teilprojekt (Abschnitt 5 der Auva-Dokumentation) keine unabhängigen anderen Wissenschaftler gewesen, sondern sie haben eng mit Schwarz et al. zusammen gearbeitet und z.B. die Auswertung von deren Zelllinien nach der Exposition übernommen. Das Ganze ist für mich als Beobachter ziemlich dubios abgelaufen, ich habe den Eindruck, ein und dieselbe Arbeit wird hier zuerst als publizierte Alarmstudie vermarktet (Schwarz et al., 2008) und 1 Jahr später noch einmal als davon unabhängiges Teilprojekt im Abschlussbericht der sogenannten Auva-Studie. Weder in der einen noch in der anderen Arbeit wird auf diese Verquickung hingewiesen. Die Darstellung in Wikipedia ist daher aus meiner Sicht irreführend falsch: Diem et al., 2005, konnte bislang kein einziges mal erfolgreich wiederholt (repliziert) werden. Das, was Wikipedia als geglückte mehrfache Wiederholung nennt (Schwarz et al., 2008 & Auva-Studie, 2009) ist in Wirklichkeit ein und dasselbe und überdies keine Wiederholung, sondern eine Studie mit anderen technischen Parametern.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Irreführung, Fibroblasten, Diem, AUVA-Studie, UMTS-Exposition


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