Prof. Belpomme will Biomarker für EHS gefunden haben (Elektrosensibilität)
Frau Buchs berichtet aus der Alpenfestung gegen Elektrosmog von einer neuen Studie, die zuverlässige Biomarker für EHS und MCS gefunden haben will.
Prof. Belpomme gibt an, 839 eingeschriebene Fälle gehabt zu haben, von denen 727 auswertbar waren: Bei 521 Personen (71,6 %) wurde EHS festgestellt, bei 52 (7,2 %) MCS und bei 154 (21,2 %) EHS und MCS. Zwei von drei Patienten mit EHS und/oder MCS waren weiblich; das Durchnittsalter ist 47 Jahre. Aha.
Anhand von einfachen Tests, die käuflich zu erwerben und klinisch anerkannt sein sollen, wurden angeblich Biomarker gefunden, die EHS/MCS zuverlässig und objektiv diagnostizieren:
Nitrotyrosin zu 28 % bei EHS/MCS erhöht
Protein S100B zu 15 % bei EHS/MCS erhöht
Autoantikörper gegen O-Myelin zu 23 % bei EHS/MCS nachgewiesen
Zunahme von Hsp27 und/oder Hsp70-Chaperon-Proteine zu 33 % bei EHS/MCS erhöht
24 h-Urin 6-Hydroxymelatonin Sulfat (6 Ohm) / Kreatinin-Verhältnis verringert (in allen untersuchten Fällen).
So weit das Wichtigste von Gigaherz, wobei ich die Aufregung von Frau Buchs nicht nachvollziehen kann. Denn niemand bei Gigaherz dürfte auch nur den blassesten Schimmer haben, was es mit diesen kryptischen "Biomarkern" auf sich hat. Und auch ich stehe in dieser Schlange der Ratlosen, allerdings skeptisch und keineswegs freudig erregt.
Kommentar: Die Studie wurde in der selben Zeitschrift publiziert, ja sogar in der selben Ausgabe wie die unglückliche EMF-Leitlinie 2015. Auch Olle Johansson und andere sind in dieser EHS-Sondernummer (Band 30, Heft 4 vom Dez 2015) vertreten. Ein wenig befremdlich ist: Wer in "Reviews on Environmental Health" publizieren möchte muss dafür zahlen. Dafür sind die Artikel dann frei für jedermann verfügbar. Doch eigenartigerweise war das PDF der EMF-Leitlinie anfangs kostenpflichtig, erst ein paar Tage später war es plötzlich gratis zu haben. Auch die Belpomme-Studie ist bei "Reviews on Environmental Health" kostenpflichtig (30 Euro, Stand: 12. Januar 2016), es gibt den Volltext jedoch gratis im www zu finden (emfanalysis.com), aller Voraussicht nach ist dieser alternative Download jedoch illegal. Bleibt zu hoffen, de Gruyter, Berlin, hat ein einsehen und gibt die Belpomme-Studie frei, auch wenn kein EHS damit etwas anfangen kann.
Die Studie umfasst 21 Seiten, ab Seite 15 quälen die Autoren den Leser mit einer endlosen Literaturliste, die mutmaßlich üppige Kompetenz signalisieren soll. Gelesen habe ich das Werk nicht und ich beabsichtige auch nicht es zu tun, denn a) Zielgruppe sind Mediziner, b) halte ich von den Entdeckungen eines Autors, dem Psiram eine Seite widmet erschreckend wenig und c) hat sich Prof. Belpomme bei mir endgültig disqualifiziert, als er 2011 ganz ungeniert auf dem Gigaherz-Kongress auftrat. Unklar ist, wieso der Franzose überhaupt noch nach Biomarkern für EHS forschte, wo er doch schon vor Jahren mit seinem "Encephaloscan" eine treffsichere Diagnosehilfe gefunden haben wollte.
Berichten aus dem Internet zufolge soll Dominique Belpomme saftige Honorare dafür verlangen, einem EHS einen Standardvordruck auszuhändigen, in dem er seinen Patienten EHS attestiert. Umso überraschender ist deshalb mMn die Interessenerklärung in der Studie:
Conflicts of interest statement:
All the authors declare no financial conflict of interests.
Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder sind die Meldungen über Belpommes Honorarforderungen falsch - oder der Professor lügt.
Hintergrund
Dominique Belpomme: Spuren im IZgMF-Forum
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –