Anruf einer Elektrosensiblen (Elektrosensibilität)
Heute rief mich eine Frau an und fragte, ob von einer Satellitenschüssel, die ein Nachbar ausgerechnet genau an der Grundstückgrenze montiert habe, eine Gefahr ausgehe.
Ich beantwortete Ihr die Frage wahrheitsgemäß, dass die Schüssel, weil Empfangs- und keine Sendeantenne, so gefährlich sei wie ein Wattebällchen.
Im weiteren Gespräch stelle sich dann heraus, ich telefonierte mit einer überzeugten Elektrosensiblen. Das WLAN des Sohnes habe sie gespürt, wegen dem nahen Sendemasten vor dem Haus sei sie in ein anderes Zimmer umgezogen ...
Meinen Vorschlag, ihre Beschwerden für andere nachvollziehbar zu machen, indem sie selber eine Objektivierung herbeiführen soll (Blindversuche mit Exposition) hörte sie sich an. Doch dann kippte das Gespräch, denn die Frau fing an, all die Geschichten als "wahre Tatsachen" aufzuzählen, zum Beispiel von erkrankten Rindern, denen wir hier im Forum seit Jahren erfolgreich auf den hohlen Zahn gefühlt haben. Damit war klar, wo sich die Frau informiert, obwohl sie sagte, ihre Quellen seinen "Süddeutsche" und "Die Zeit". Nur, dort werden die bekannten "Fallgeschichten" nicht erzählt, die innerhalb der Szene wie Kostbarkeiten herumgereicht werden.
Die <hier> angesprochene selektive Wahrnehmung, sie war bei meiner Gesprächspartnerin unübersehbar: "Argumente, die die eigene Position stützen, werden stärker wahrgenommen als solche, die sie beschädigen."
Und so war unser Gespräch relativ schnell zuende, als ich Einspruch einlegte und sagte, dass ich selber am Stengel-Hof gewesen sei und dort eine Funkfeldbelastung nahe Null gemessen habe.
Was ich aus dem Telefonat mitgenommen habe: Meine Gesprächspartnerin beeindruckte mit verbal gepflegtem Auftreten, mit allerlei Detailkenntnissen über angebliche Beweise und mit einer großen Portion Überzeugung aus Eigenerfahrung. Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Laie oder ein Politiker der Frau erst einmal Glauben schenken. Wer es jedoch besser weiß, der durchschaut die Argumentation innerhalb weniger Minuten als "angelesen". Angelesen aus den einschlägig bekannten Quellen im Internet, allesamt organisiert als Vereine. Und weil die dort heruntergeleierten Argumente mMn ausnahmslos schwach sind, die meisten sogar völlig wertlos weil gnadenlos überzogen, sind Elektrosmoggegner in Rededuellen die geborenen Verlierer. Dies erklärt auch die seltsame Abwesenheit der Leute in Diskussionsforen. Man "informiert" sich lieber still, und tauscht sich mit Gleichgesinnten aus. Zwei oder drei Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel, ändern aber nichts an der Feststellung. Anders ist dies nur dann, wenn Profit mit ins Spiel kommt. Dann sitzen schon mal "Experten" aus der E-Smog-Szene auf Podien oder auf Zuschauerrängen und machen den Mund auf. Das aber ist risikolos und daher wenig beeindruckend. Denn nahezu ausschließlich können sie davon ausgehen, dass der Rest des Publikums begeistert applaudieren wird, wie üblich, wenn mit populistischen Unterstellungen oder Forderungen dem Volk nach dem Maul geredet wird. Und wenn so ein Auftritt wider erwarten doch einmal schief geht, auch kein Problem, zwei Tage später wächst Gras über die Sache. In Foren ist das anders, dort bleiben Niederlagen lange Zeit für jeden sichtbar - für mich der Hauptgrund, warum so gut wie nie ein Anführer der Mobilfunkgegnerei sich in nachvollziehbare Diskussionen mit Skeptikern einlässt - sondern lieber Monologe hält.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –