Und immer wieder: krasse Widersprüche (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 23.03.2008, 23:05 (vor 5921 Tagen)

Was Mobilfunkkritikern der 1. Generation auf längere Sicht gnadenlos die Luft rauslassen wird, sind die krassen Widersprüche, in die sie sich immer wieder verwickeln. Hier zwei neue Beispiele, an denen diesmal - Fee, das wird Sie besonders interessieren - zwei ES-Frontleute und Dr. Oberfeld mitwirken. Reden wir also nicht lange herum, sondern schauen wir uns an, was da wieder hochgespült wurde.

Wie ja nun hinlänglich bekannt ist, predigten Mobilfunkkritiker der ersten Generation seit vielen Jahren, dass es die Pulsung ist, die modernen Digital-Mobilfunk so gefährlich macht und diesen grundlegend von Radio-, TV- und Analog-Mobilfunk unterscheidet. Ich denke dies ist unstrittig, das Internet kennt dazu jede Menge Fundstellen. Zwei dieser Fundstellen belegen, dass auch Frontleute der Elektrosensiblen (ES) dem ungepulsten Mobilfunk ohne Wenn & Aber Unbedenklichkeit attestieren und sich das alte analoge C-Netz aus Zeiten der Deutschen Bundespost zurückwünschen. Eine logisch nachvollziehbare Argumentation, die auf der empirischen Beobachtung beruht, dass jahrzehntelange Befeldung mit starker analoger (ungepulster) EMF der Bevölkerung insofern nicht geschadet hat, dass sie keinerlei ES und auch keine EMF-Kritiker hervorgebrachte.

Beispiel 1: Die Politologin Dr. Birgit Stöcker darf als Vorsitzende des Bundesverbands Elektrosmog e.V., sowie als Vorsitzende des Vereins für Elektrosensible e.V. und als Autorin des Buches "Elektrosmog - eine reale Gefahr" mit Fug und Recht als große Nummer der Kritikerszene gesehen werden. Eben sie machte am 8. Mai 2007 Vertretern des BfS einen kühnen Vorschlag: ... die Rückkehr zum alten analogen, nur beruflich genutzten, vor allem aber "ungepulsten" C-Netz als Alternative (zum gepulsten Mobilfunk). (Quelle gefunden hier von KlaKla).

Beispiel 2: Uli Weiner, medienerprobter Vorzeige-ES, haute schon zuvor in die selbe Kerbe wie Dr. Birgit Stöcker. In einem Interview aus dem Jahr 2004 heißt es: "Ich habe immer gesagt, wenn Handys schädlich wären, müsste ich es als erster merken, schließlich arbeite ich rund um die Uhr damit", berichtete Ulrich Weiner. Doch seine gesundheitlichen Probleme zeigten sich schleichend. Zunächst bemerkte er Konzentrationsschwächen nach dem Gebrauch seines Handys. Er stieg von der digitalen Technik auf das analoge C-Netz um, mit dem Ergebnis, dass diese Probleme verschwanden. Nach der Abschaltung der analogen Technik ein Jahr später war er jedoch gezwungen, erneut ins digitale D1-Netz zu wechseln. Das PDF des Interviews wurde mir übrigens von Uli Weiner selbst zugeschickt, ohne dass er irgendwelche unrichtige Darstellungen durch den Interviewer beklagte.

So, und nun zu dem krassen Widerspruch: Anfang Februar 2008 präsentierte der Salzburger Umweltmediziner Gerd Oberfeld eine Studie, in der er ausgerechnet im Umkreis eines anlogen Mobilfunksenders (C-Netz) einen starken Zuwachs an Krebserkrankungen beobachtet haben will. Das österreichische C-Netz hat mit dem deutschen C-Netz zwar wenig zu tun, die im hier betrachteten Zusammenhang wichtigste Eigenschaft haben beide Netze jedoch gemeinsam: beides sind Analognetze. Der Widerspruch ist offenkundig: Wurden bislang (untergegangene) analoge Mobilfunknetze von schwer elektrosensiblen Meinungsmachern über viele Jahre hinweg als unbedenkliche Technik propagiert, so steht eben jene Technik jetzt im Verdacht, Krebs ausgelöst zu haben! Krebs, das finale Schreckensszenario, gegenüber dem die Befindlichkeitsstörungen von ES beinahe zur Bedeutungslosigkeit verblassen.

Wer nun erwartet hat, dass die Oberfeld-Studie, von etablierten Mobilfunkkritikern mit Skepsis betrachtet wird, schließlich torpediert diese Studie die langjährigen Behauptungen von der vermeintlich harmlosen ungepulsten Analogtechnik, der irrte sich gewaltig. Die Bürgerwelle berichtete ungerührt schon Ende 2005 von den Krebsfällen in Hausmannstätten und dem Beginn der Oberfeld-Studie, niemand störte sich daran, dass es um den Sender eines Analognetzes ging. Auch von Dr. Oberfeld selbst ist, was den Widerspruch anbelangt, nichts Erhellendes, sondern eher Kryptisches zu lesen: "Die Untersuchung von C-Netz Sendern ist aus mehreren Gründen zielführend. Diese ergeben sich etwa aus dem Umstand, dass die Antennencharakteristika hinreichend bekannt sind und im Prinzip nur die Information über den Standort und die Antennenhöhe erforderlich ist, um die Exposition nachzubilden. Weiters waren im Expositionszeitraum 1984-1997 die Hochfrequenzexpositionen noch überschaubar, ein Umstand, der die Erforschung gesundheitlicher Auswirkungen der neuen Technologien zunehmend erschwert." Auch Kritiker Jürgen Groschupp fragte nicht nach, wieso die lange Jahre von der Kritik gehätschelte Analogtechnik nun plötzlich zum Krebspromotor werden konnte. Nein, kein Interesse an Hintergründen, Hauptsache es finden sich irgendwelche Hinweise auf die Gefährlichkeit von Mobilfunksendern, selbst wenn diese Hinweise allem widersprechen, was bislang in mobilfunkkritischen Kreisen mit Hingabe propagiert wurde. Groschupp setzt noch einen drauf und nimmt ausgerechnet die Oberfeld-Studie an einem ungepulsten Analog-Sender mit zum Anlass, zukünftig gegenüber gepulsten Digital-Sendern als Totalverweigerer aufzutreten und nicht mehr an Positiv-Planungen mitzuwirken. Wer bitte soll das noch verstehen? Wer bitte soll solche Mobilfunkkritiker, die ihr Fähnchen mit jeder neuen Studie hemmungslos von Nord nach Süd umhängen, noch ernst nehmen? Außer beim eigenen Gefolge wohl niemand. Alle anderen wundern sich kopfschüttelnd über die Widersprüche in den Aussagen öffentlich wahrgenommener Akteure, die nicht gerade von geballter Kompetenz zeugen und aus meiner Sicht eine der Hauptursachen für die Stagnation sind, in der die Mobilfunkkritik seit Jahren verharrt.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Oberfeld, C-Netz, Exposition, Weiner, Stöcker, Groschupp, Widersprüche, Hausmannstätten


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