Ex-Physiklehrer füsiliert Physik von Signalreflexionen (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Samstag, 10.06.2023, 22:36 (vor 328 Tagen)

André Masson, Physiklehrer im Ruhestand und anerkannter Wärmebildquerulant in der Schweiz, echauffiert sich auf der Gigaherz-Website, bei drei neu ausgeschriebenen Antennenprojekten in Langenthal verlange die Fachbehörde des Kantons Bern überraschenderweise keine Abnahmemessungen mehr an Omen (Orte mit empfindlicher Nutzung). Die zuständige kantonale Behörde kann, muss aber nicht, eine solche Abnahmemessung anordnen, wenn die berechnete Immission an einem Omen den Anlagengrenzwert (5 V/m) zu mehr als 80 Prozent ausschöpft.

Da leider auch Masson von der Gigaherz-Seuche befallen ist, sich leidlich wirr zu artikulieren, war für mich der Grund für die Erregung des Gigaherz-Gastautors nicht eindeutig auszumachen. Irgendwie stört sich Masson daran, Signalreflexionen würden bei der rechnerischen Ermittlung der maximalen Immission an einem Omen nicht berücksichtigt. Der Ex-Physiklehrer ist der Ansicht, mit rechnerischer Berücksichtigung der Immissionen würden Überschreitungen des Anlagegrenzwerts ersichtlich. Da dies aber nicht geschehe, seien Abnahmemessungen der einzige Weg, Überschreitungen des Anlagegrenzwerts infolge Reflexionen festzustellen.

Das klingt halbwegs vernünftig. Ist es aber aus meiner Sicht nicht.

Masson bringt zur Untermauerung seiner Thesen von den Tod und Verderben bringenden Reflexionen steinalte Diagramme, die er vor mehr als 20 Jahren selbst angefertigt haben will. Diese Diagramme zeigen Signalschwankungen in der Größenordnung von 30 dB (Faktor 30), die angeblich allein auf Reflexionen beruhen sollen. Soweit, so gut. Eine qualitative Beurteilung der Diagramme ist jedoch nicht möglich, da die Y-Achsen keine Angaben zur Feldstärke geben. Es kann sich also um belanglose Schwankungen im Bereich von mV/m handeln, oder um starke Schwankungen im Bereich von V/m. Die Diagramme sind daher nicht mehr als schmückendes aber weitgehend nutzloses Beiwerk, zumal Masson es versäumt hat, Auskunft über die Basisline der gemessenen BCCH-Signalisierung zu geben (BCCH-Messkurve ohne Fremdeinflüsse).

Was das Bafu über die Auswirkungen von Reflexionen zu berichten weiß, ist leicht verständlich in dem Urteil 1C_100/2021 des Bundesgerichts vom 14. Februar 2023 nachzulesen (Abschnitt 7.2.1 ff), auf das Masson zwar aufmerksam macht, das er aber anscheinend nicht gelesen hat. Hätte er man tun sollen.

Das Gezeter um Reflexionen ist mMn für einen Physiklehrer beschämend absurd. Denn die unberechenbaren Interferenzen infolge Reflexionen sind besonders in Innenräumen jedem bekannt, der schon einmal ein EMF-Messgerät in den Fingern hatte und vergeblich versucht hat, die wild zappelnden Messwerte auf einen konkreten Wert festzunageln. Das gelingt nicht, weil die chaotisch verteilten Minima und Maxima zeitlich und räumlich instabil sind. Wo eben noch ein Maximum war kann im nächsten Moment ein Minimum sein, weil z.B. draußen ein Fahrzeug vorbeifährt. Und wird das Messgerät zudem im Raum bewegt genügen wenige Zentimeter, um auch noch mit der räumlichen Abhängigkeit der Interferenzen konfrontiert zu werden. Sollte also tatsächlich wegen eines Maximums der Anlagegrenzwert überschritten werden, so ist dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein vorübergehender Vorgang, der gut und gerne nach z.B. ein paar Sekunden von einem Minimum abgelöst werden kann. Diesen schnöden Sachverhalt zu einem Gefährdungsszenario hoch zu spielen ist mMn eines Physikers unwürdig.

Entscheidend dabei ist: Es geht Masson nicht um eine Überschreitung der Immissionsgrenzwerte, sondern der vorsorglich in der Schweiz geltenden Anlagegrenzwerte. Wie hier in epischer Breite dargelegt, ist mit einer begrenzten Überschreitung der Anlagegrenzwerte jedoch keine Gefährdung von Personen verbunden, sondern im Falle einer Interferenzwirkung lediglich eine kurzzeitige Reduzierung der Dicke des Vorsorgepolsters, das sich die Schweiz gegönnt hat. Aus eben diesem Grund wird bei Abnahmemessungen auch nicht die Messunsicherheit in das Messergebnis mit eingerechnet, es gilt einfach der abgelesene Messwert. Diese Großzügigkeit gilt nicht, geht es um die Immissionsgrenzwerte, die in der Schweiz nicht tiefer sind als z.B. in Deutschland oder Frankreich. Dann wird die Messunsicherheit auf den Messwert aufgeschlagen, um eine Gefährdung von Personen verbindlich auszuschließen. Doch um die Immissionsgrenzwerte geht es in der Posse nicht, die Masson auf der Website von Gigaherz für Laien veranstaltet.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Brief an das Bafu: Reflexionen über reflektierte Reflexionen

H. Lamarr @, München, Samstag, 21.10.2023, 23:12 (vor 195 Tagen) @ H. Lamarr

André Masson, Physiklehrer im Ruhestand und anerkannter Wärmebildquerulant in der Schweiz, echauffiert sich auf der Gigaherz-Website, bei drei neu ausgeschriebenen Antennenprojekten in Langenthal verlange die Fachbehörde des Kantons Bern überraschenderweise keine Abnahmemessungen mehr an Omen (Orte mit empfindlicher Nutzung). Die zuständige kantonale Behörde kann, muss aber nicht, eine solche Abnahmemessung anordnen, wenn die berechnete Immission an einem Omen den Anlagengrenzwert (5 V/m) zu mehr als 80 Prozent ausschöpft.

Das Ausbleiben von Abnahmemessungen beschäftigt Masson noch immer. Im Kanton Bern soll nicht einmal mehr in Wohnungen gemessen werden, deren Strahlungsprognose auf 4,95 V/m und 4,99 V/m lautet, was weit über der 80-Prozent-Marke wäre. Damit, so Masson, könne man nicht mehr sagen, ob die gesetzlichen Anlagegrenzwerte eingehalten werden oder nicht. Der Ex-Physiklehrer erkennt darin eine krasse Verschlechterung der Lage. Sein Brief an das Bafu (Bundesamt für Umwelt) blieb ihm zufolge unbeantwortet und auf Nachfrage, ob noch etwas komme, soll das Amt weiterhin stumm geblieben sein.

Das Bafu könne seine Fragen nicht beantworten glaubt Masson und veröffentlichte seinen Brief an die Behörde auf der Gigaherz-Website in der Hoffnung, damit in anderen Kantonen eine andere Entwicklung einzuleiten. Ich meine, der gelernte Physiker hofft vergeblich, denn das Ausbleiben von Abnahmemessungen ist keineswegs eine krasse Verschlechterung der Lage.

Begründung

Masson begründet sein Drängen auf Beibehaltung der Abnahmemessungen mit unberechenbaren Signalreflexionen, welche dazu führten könnten, dass knapp eingehaltene Anlagegrenzwerte überschritten werden. Er folgt damit der jüngsten fixen Idee des Gigaherz-Präsidenten, was wiederum keine gute Idee ist, denn der Ex-Elektriker versteht von Funkmesstechnik mMn noch weniger als der Ex-Physiklehrer. Die Bedenken der beiden selbsternannten Experten sind Retortenbabys, die grundsätzliche Aspekte der Abnahmemessungen völlig außer Acht lassen.

► Der wichtigste Aspekt lautet: Die Anlagegrenzwerte sind keine Gefährdungswerte (auch wenn Jakob in Bezug auf oxidativen Stress ebenso gerne wie unqualifiziert das Gegenteil behauptet), sondern Vorsorgewerte. Mit deren (begrenzter) Überschreitung sind für die Bevölkerung keinerlei nachgewiesene Gesundheitsgefährdungen verbunden, sondern lediglich die (begrenzte) Reduzierung eines äußerst dicken Sicherheitspolsters.

► Was könnte nun so eine begrenzte Überschreitung der Anlagegrenzwerte sein? Die HF-Messtechnik gibt mit der erweiterten Messunsicherheit eine anerkannte Antwort: ±45 Prozent des Messwerts. Heißt im Klartext: Wenn eine Abnahmemessung 4,99 V/m ergibt, dann liegt die unbekannte tatsächliche Immission irgendwo im Wertebereich zwischen 3,45 V/m und 7,24 V/m. Und welche Sorgen plagen Masson? Er fürchtet, eine berechnete Maximalimmission von 4,99 V/m könne infolge Reflexionen in der realen Welt unerkannt auf z.B. 5,09 V/m anwachsen. Ohne Messung würde das niemand bemerken. Stimmt, wie schrecklich :-). Mit Blick auf die Messunsicherheit ist auch Massons Vorschlag an das Amt, die zulässige berechnete Maximalimmission zur pauschalen Berücksichtigung von Reflexionen vorsorglich von 5 V/m auf 4,1 V/m zu senken, völlig daneben. Denn selbst bei 4,1 V/m kann die Messunsicherheit noch immer eine tatsächliche Immission verbergen, die den Anlagegrenzwert um rd. 1 V/m überschreitet.

Weil eine unerkannte Überschreitung der Anlagegrenzwerte um ±45 Prozent für die Bevölkerung kein Risiko bedeutet, wird die Messunsicherheit bei Abnahmemessungen ignoriert, es gilt der Messwert, den das Messgerät anzeigt (siehe auch nächsten Punkt). Diese Praxis wäre beim Immissionsgrenzwert (Icnirp-Grenzwert) jedoch fahrlässig, da dieser (in der Schweiz) als Gefährdungswert eingestuft wird, obwohl auch darin ein Sicherheitsfaktor von Sieben (bezogen auf elektrische Feldstärke) gegenüber nachgewiesenen Gesundheitsauswirkungen enthalten ist. Bei Messungen im Bereich des Immissionsgrenzwerts wird die erweiterte Messunsicherheit von +45 Prozent deshalb nicht ignoriert, sondern auf den Messwert aufgeschlagen.

► Jakob und Masson unterschlagen schließlich und endlich den Aspekt, dass bei Abnahmemessungen der abgelesene Messwert noch nicht eine Beurteilung auf Einhaltung des Anlagegrenzwerts erlaubt, denn der Messwert hängt von der momentanen Auslastung des gemessenen Funkmasten ab. Deshalb wird zur Beurteilung der Messwert auf maximale Anlagenauslastung hochgerechnet. Maximale Auslastung erreichen Funkmasten üblicherweise nur tagsüber während der Geschäftszeiten, nicht nachts. Massons dramatisches Reflexionsszenario mit Grenzwertüberschreitung wirkt ergo, sollte es überhaupt existieren, nicht ständig auf Anwohner ein, sondern nur gelegentlich tagsüber.

► Die Schutzwirkung der Anlagegrenzwerte ist keineswegs erwiesen, wie eine einfache Gegenüberstellung des Krebsgeschehens (Hirntumoren) in der Schweiz und europäischen Staaten ohne Vorsorgewerte zeigt.

Fazit: Aus meiner Sicht täte den beiden selbsternannten Experten in der Schweiz eine Selbstreflexion von mindestens –45 Prozent außerordentlich gut.

Hintergrund
Gibt es in der Schweiz die rechtlich geduldete Grenzwertüberschreitung?
Externer Cybermobber beim BAFU? :-)
Keine Ruhe im Departement Umwelt-Verkehr-Kommunikation :-)

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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