Mobilfunkversorgung: Was widerspenstige Gemeinden riskieren (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 15.11.2018, 15:04 (vor 2008 Tagen)

In Bayern hat sich die Deutsche Telekom gegenüber der Staatsregierung verpflichtet, über die lizenzrechtliche Versorgungsverpflichtung hinaus freiwillig 100 Gemeinden, die bislang un- oder unterversorgt sind, mit Mobilfunk zu versorgen. Doch nicht jede Gemeinde reagiert auf einen Versorgungsvorschlag der Telekom erfreut, es gibt auch Absagen, manchmal unverzüglich, manchmal erst nach einer Informationsveranstaltung.

Telekom-Blogger Markus Jodl führt dies in seinem Video ab etwa Minute 8:00 darauf zurück, dass Mobilfunkkritiker in Gemeinden sich stets zu Wort melden und ihre Einwände vortragen, die große Mehrheit derjenigen, die sich Mobilfunk mehr oder weniger intensiv wünschen, jedoch schweigt. Dieses Verhalten der "trägen Masse" ist seit langem z.B. von politischen Wahlen bekannt: Extreme gehen immer zu Wahlen, Gemäßigte gehen bei schönem Wetter lieber spazieren. Dies bewirkt in Maßen eine Verzerrung des Wahlergebnisses, denn Extreme erlangen auf diese Weise ein größere Bedeutung als ihnen zusteht. Am Ende seines Videos appelliert Jodl deshalb an die "träge Masse" von Gemeinden, die Entscheidung für oder gegen eine Standortvergabe nicht allein den Mobilfunkkritikern zu überlassen. Zuweilen kommen diese Kritiker noch nicht einmal aus der Gemeinde, um die es geht, sondern reisen extra von außerhalb an (Beispiel), um eine zu schwach geratene lokale Gruppe von Gegnern zu stärken.

Wie das IZgMF von anderer (betreiberferner) Seite erfahren hat, gibt es trotz aller Bemühungen auch heute noch Gemeinden, die sich selbst nach öffentlichen und nicht-öffentlichen Informationsveranstaltungen gegen einen Mobilfunkstandort auf Gemeindegrund entscheiden. Dies sei nicht immer auf das Wirken organisierter Mobilfunkgegner zurückzuführen, auch eine befürchtete Verschandelung des Orts- oder Landschaftbilds hätte in der Waagschale hohes Gewicht.

Jetzt sei es aber so, Mobilfunkbetreiber hätten inzwischen längst alle lukrativen Standorte in Deutschland erschlossen, was jetzt noch übrig sei wären eher wirtschaftlich unattraktive Versorgungslücken in dünn besiedelten und daher umsatzschwachen Regionen. Keinem Mobilfunkbetreiber täte es daher weh, wenn dort eine Gemeinde Nein sagt. Das Nein nähmen die Betreiber achselzuckend zur Kenntnis, sie würden sich schmerzfrei anderweitig orientieren. Für eine widerspenstige Gemeinden wäre dann aber der Zug für lange Zeit abgefahren. Denn ein Einlenken, z.B. nach zwei Jahren, frei nach dem Motto "wir haben es uns jetzt anders überlegt", stoße bei den zuvor verschmähten Mobilfunkbetreibern in aller Regel auf taube Ohren. Dies klingt glaubwürdig, gute Geschäfte machen die Mobilfunker ja ohnehin woanders. Reuige Gemeinden müssen sich devot hinten anstellen und hoffen, doch noch irgendwann einmal an die Reihe zu kommen. Hilfe vom Staat ist für sie nicht zu erwarten, schließlich kann ein Betreiber das Ausschlagen seines Versorgungsangebots nachweisen. Das Nachsehen hat wieder einmal die "träge Masse".

Sollte das geschilderte Szenario zutreffen und einiges spricht dafür, dass es so ist, blockieren Mobilfunkgegner die Versorgung in einigen Gemeinden befristet, beispielsweise für fünf oder zehn Jahre, nicht aber auf Dauer. Im Rückblick kann der erlittene Verzicht ausgesprochen schmerzhaft sein.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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Versorgungslücken

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