Südtirol: Landesumweltagentur entdeckt "Elektrosmog" (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 04.01.2018, 19:03 (vor 2306 Tagen)

Die "Landesagentur für Umwelt" der italienischen Provinz Südtirol gibt auf ihrer Website vermeintlich Tipps, "wie sich Elektrosmog im Haushalt reduzieren lässt". Doch die Ankündigung ist falsch. Keiner der Tipps reduziert den häuslichen Elektrosmog auch nur um 1 µV/m, sondern es wird lediglich gezeigt, wie man sich dem überall vorhandenen Elektrosmog durch Abstand halten etwas entziehen kann. Insofern sind die Tipps banal und mit Blick auf Mikrowelle und W-Lan auch ziemlich hausbacken-weltfremd. Gut finde ich hingegen den Tipp, weil mir neu, bei Induktionsherden vorsorglich bevorzugt die hinteren Kochfelder zu nutzen.

Ungeschickt ist mMn die Wortwahl im Untertitel der Webseite: "Die Landesumweltagentur zeigt, wie man sich am besten schützt." Dies suggeriert, Personen, denen die Tipps der Agentur keinen Pfifferling wert sind, seien ungeschützt. Dies aber trifft nicht zu. Jeder ist auch ohne besonderes Zutun vor allen bekannten Risiken von W-Lan, Mikrowelle und Induktionskochherd durch Grenzwerte geschützt. Und Jahr für Jahr sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass diese Techniken noch unbekannte Risiken bergen. Niemand aber kann sicher sein, dass sich irgendwann nicht doch ein Restrisiko bemerkbar machen wird. Wer sich davor fürchtet und sonst keine Sorgen hat kann Vorsorge betreiben, um sich gegen alle Eventualfälle zu wappnen. Schwangeren an Induktionsherden wäre z.B. so eine Vorsorge anzuraten, Rentnern eher nicht.

Szene aus dem Messvideo der Südtiroler Landesumweltagentur.
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Sämtliche E-Smog-Tipps der Landesumweltagentur sind Vorsorgetipps. Als solche kann man sie auch akzeptieren. Doch das Wort "Vorsorge" kommt bei den Südtirolern kein einziges mal auf der Seite vor und das finde ich befremdlich. Denn so entsteht der falsche Eindruck, die Agenturtipps schützten vor irgendwelchen bekannten biologischen Risiken. Befremdlich ist mMn auch das Messvideo der Agentur (Download über den Dienst "Wetransfer", 1 GByte). Dass das Video ohne Ton kommt stört schon mal beträchtlich, muss man sich so selbst zusammenreimen, was einem die Agentur eigentlich mitteilen will. Dass einem jedoch jede Menge Messungen vorgeführt werden, die einen Messkopf nur wenige Millimeter oder Zentimeter vor einer Emissionsquelle zeigen (z.B. DECT-Basis), das ist regelrecht irreführend. Denn niemand bettet des Nachts seinen Kopf auf einer DECT-Basis oder auf einem W-Lan-Router. Die gezeigten Messwerte sind praxisfremd und wertlos. Gut zu Gesicht gestanden hätte es der Agentur auch, wenn sie die unübersehbar groß im Bild gezeigten Herstellernamen diverser Produkte abgeklebt hätten, um sich nicht dem Vorwurf der Schleichwerbung auszusetzen.

Mein Fazit: Hätte die Südtiroler Landesumweltagentur ihre "Aufklärungskampagne" Elektrosmog nicht gestartet, niemand hätte sie schmerzlich vermisst. Das Ganze wirkt unprofessionell und lässt nur einen bescheidenen Mehrwert erkennen. Südtirol tut sich seit Jahren schwer im kompetenten Umgang mit harmlosem Elektrosmog (siehe Hintergrund).

Hintergrund
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Nur achtzige Euro, Signore, und du bist dabei ...

H. Lamarr @, München, Freitag, 05.01.2018, 12:55 (vor 2305 Tagen) @ H. Lamarr

Ungeschickt ist mMn die Wortwahl im Untertitel der Webseite: "Die Landesumweltagentur zeigt, wie man sich am besten schützt." Dies suggeriert, Personen, denen die Tipps der Agentur keinen Pfifferling wert sind, seien ungeschützt.

Die Erklärung für die dezent angstschürende Webseite der Landesumweltagentur ist die, die in der Elektrosmogszene mit gefühlt 95 Prozent der Treffer führend ist.

Bei "Landesumweltagentur" vermutet man zunächst weit und breit kein kommerzielles Interesse. Doch Südtirol liegt in Italien, und auch dort muss man sehen, wo man bleibt.

Wenn ich mich recht entsinne, kostete mich 2002 eine Messung (mit Spektrumanalysator) durch Prof. G. Käs ungefähr 700 DM. Viele Jahre später sind die 450 Euro, die die Agentur für eine ebensolche Messung verlangt, unter Berücksichtigung der Geldentwertung zwar noch immer teuer, aber nicht unverschämt teuer. Für achtzige Euro packen die Spaghetti-Techniker nur eine Knatterbox zur orientierenden Schnellmessung aus. Das machte Käs damals bei mir auch – und 14 Tage später hatte ich mir das Gerät teuer besorgt und glaubte, jetzt ein Messgerät zu besitzen. Doch es war nur ein Detektor, so genau wie der feuchte Finger im Wind.

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