Bahn: Handyfreie ICE-Wagen für 4 Mio. "Elektrosensible" (Elektrosensibilität)

H. Lamarr @, München, Freitag, 04.09.2015, 22:35 (vor 3180 Tagen)

Die Lautsprecher der Anti-Mobilfunk-Szene können es einfach nicht lassen: Um Ihrer befremdlichen Forderung nach handyfreien ICE-Wagen für überzeugte Elektrosensible Nachdruck zu verleihen, behauptet die "Geschäftsführerin" des "Verein zur Hilfe umweltbedingt Erkrankter e.V." (VHUE) in einem Brief an die Deutsche Bahn im Januar 2015 frech wie Oskar:

Selbst wenn man nur von 5 % EHS in der Bevölkerung ausgeht, so sind das mehr als 4 Millionen Menschen in Deutschland, für die eine Reise mit der Bahn mittlerweile eine Tortur darstellt oder die bereits nicht mehr in der Lage sind, die Bahn als Transportmittel zu benutzen.

Und weil der VHUE sich weithin unerkannt in den Niederungen des bundesdeutschen Vereinswesens aufhält, hat sich die Führerin der Vereinsgeschäfte den Beistand von nicht weniger als 16 Beipflichtern gesichert. Im Originaltext lautet dies so:

Unserer Forderung nach einer Berücksichtigung der EHS-Betroffenen (wie geht unsere Gesellschaft mit den Schwachen um?) schließen sich die folgenden Organisationen und Verbände an:

Das Problem mit diesen "Organisationen und Verbänden" ist, dass diese entweder ebenso bekannt sind wie der VHUE, oder, wenn man meint den Namen doch schon einmal gehört zu haben, wie dies beim "BUND Naturschutz in Bayern" der Fall sein könnte, dann schrumpft dieser vermeintlich gewichtige Unterstützer doch nur wieder auf den einsamen Mobilfunkgegner dort zusammen, im konkreten Beispiel auf die unvermeidliche Helga Krause. Nein, wirklich nicht, mit diesen "Organisationen und Verbänden" ist mMn in Sachfragen der Mobilfunkdebatte weder Staat noch Eindruck zu machen.

Wer sich selbst überzeugen möchte: Den Brief des VHUE an die Bahn gibt es hier zum Download (Word-Datei). Auch ein Blick auf das gegenwärtige Personal des Vereins ist erhellend. Ebenfalls typisch für das Klüngeln in die Szene: Ein Blick in die "Eigenschaften" der Word-Datei macht deutlich, die Unterstützung von Frau Krause reichte bei diesem Brief des VHUE viel weiter als nur Beipflichterin zu sein. Als gäbe es in der Mobilfunkgegnerei nicht schon genügend peinliche Enthüllungen :no:.

Warum schreibt Frau Krause den Brief an die Bahn, schiebt mutmaßlich aber die Geschäftsführerin des VHUE als Verfasserin vor? Dieses Bäumchen-wechsle-dich-Spiel wird in der Szene der organisierten Mobilfunkgegner gerne praktiziert, aus gutem Grund. Denn die Anzahl der Aktiven ist im Vergleich zu den Trittbrettfahrern so erschreckend gering, dass nach außen hin stets dieselben Leute als Mobilfunkgegner vom Dienst wahrgenommen werden. Da dies schlecht fürs Image ist (O Gott nein, nicht die schon wieder), schieben die Dauergegner nicht selten andere vor, um ein bisschen personelle/institutionelle Abwechslung vorzutäuschen. Die Arbeit aber bleibt bei den wenigen Dauergegnern hängen.

Hintergrund
Dem Bundesamt für Strahlenschutz sind noch nicht einmal 25'000 "Elektrosensible" bekannt

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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Antwort der Bahn an VHUE: "keine nennenswerte Nachfrage"

H. Lamarr @, München, Freitag, 04.09.2015, 23:31 (vor 3180 Tagen) @ H. Lamarr

Der VHUE ist so frei, auch die Antwort der Deutschen Bahn (PDF) auf seine Forderung zu veröffentlichen. Ob diese Veröffentlichung von der Bahn autorisiert wurde weiß ich nicht. Da das Kind nun aber schon mal im Brunnen liegt, habe ich keine Bedenken, den Text der Antwort weiter zu verbreiten. Schließlich ist die Vorlage eines kompletten Vorgangs (Brief und Antwort) in der Szene der organisierten Mobilfunkgegner die große Ausnahme. Üblich ist es, bis zum Abwinken Briefe "Durchsickern" zu lassen, die zugehörigen Antworten jedoch ohne jeden Hinweis zu unterschlagen.

Erwartungsgemäß geht die Bahn mit keiner Silbe auf die grob verfälschend vorgetragenen 4 Mio. Deutschen ein, für die Bahnfahrten in Funkfeldern angeblich eine Tortur bedeuten. Und auch sonst zeigt die Bahn dem Verein zwischen den Zeilen höflich aber bestimmt das, was er sich mit seiner forsch-dreisten Forderung mMn auch redlich verdient hat: den Mittelfinger.

**************** Hier nun also die Antwort der Bahn an den VHUE ****************


Ihr Schreiben vom 09.01.2015 an Herrn Dr. Grube

Sehr geehrte Frau Frielinghaus,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 09. Januar 2015, in dem Sie uns bitten, in unseren ICE-Zügen handyfreie Wagen/Zonen einzurichten.

Wie Sie wissen, verfügen alle ICE-Züge jeweils in der 1. und in der 2. Klasse über sogenannte Ruhebereiche, in denen das Telefonieren unerwünscht ist. Bei der Reservierung können unsere Kunden gezielt Plätze in diesen Ruhebereichen buchen. Im Zug sind die Bereiche gekennzeichnet mit Piktogrammen "Ruhe" und "Telefonieren verboten". Wir haben die Größe der Ruhebereiche entsprechend der Präferenzen unserer Kunden dimensioniert. Je nach Gesamtkapazität des Zuges handelt es sich je Zug und Klasse mindestens um einzelne Ruhe-Abteile und maximal um einen vollständigen Ruhe-Wagen.

Ruhebereiche werden von einem nennenswerten Anteil unserer Kunden gewünscht. Unseren Kunden geht es dabei in erster Linie darum, nicht von lauten Gesprächen anderer Reisender gestört zu werden, um die Zeit zum Lesen, Arbeiten und Schlafen zu nutzen oder um die Fahrt einfach zu genießen. Viele unserer ruhebedürftigen Kunden möchten allerdings trotzdem die Möglichkeit haben, während der Reise "online-Anwendungen" - z.B. Internet - zu nutzen. Diesen Wunsch werden wir unseren Kunden auch im Ruhebereich nicht verwehren.

Wir haben in den letzten Jahren alle ICE-Züge mit Mobilfunkrepeatern und WLAN ausgerüstet. Natürlich dienen diese Maßnahmen primär der Verbesserung des Datenaustauschs für unsere Kunden. Sie helfen aber auch, die Mobilfunk-Strahlungen im Zug sehr stark zu reduzieren, da hiermit der Effekt des faradayschen Käfigs vermieden wird. Auch die Ruhebereiche verfügen generell über WLAN und teilweise zusätzlich auch über Mobilfunkrepeater. Wir gehen davon aus, dass perspektivisch die meisten Kunden für den Datentransfer WLAN nutzen werden.

Wie Sie richtig schreiben, verstehen wir uns als Mobilitätsdienstleister, der ökonomische mit sozialen und ökologischen Zielen verbindet. Unsere ICE-Züge sind sehr energieeffizient und nutzen überwiegend Ökostrom - daher sind wir bereits heute der umweltfreundlichste Verkehrsträger in Deutschland. Unser Ziel ist, möglichst viele Reisende von Auto und Flugzeug als Kunden in unsere Züge zu gewinnen, um die Welt ein Stück umweltfreundlicher zu gestalten. Dazu müssen wir Produkte anbieten, die den Anforderungen der meisten Menschen gerecht werden und können Trends am Markt nicht ignorieren. Die sehr große Mehrheit unserer Kunden möchte auch während der Reise mit der "Außenwelt" kommunizieren können. Die sinnvolle Nutzbarkeit der Reisezeit zum Arbeiten, Lesen, Kommunizieren ist ein wichtiger Wettbewerbsvorteil gegenüber unseren Wettbewerbern Auto, Flugzeug und Bus. Wir werden also einerseits die Internet und Mobilfunkqualität für unsere Kunden bedarfsgerecht ausbauen und dabei die Strahlenbelastung so gering wie möglich halten. Andererseits werden wir dem Bedürfnis vieler Kunden nach einer ruhigen und entspannten Reise gerecht werden, indem wir die Ruhebereiche weiter stärken. Für einen Bereich, in dem die Nutzung von mobilen Endgeräten verboten wird, sehen wir aktuell leider keine nennenswerte Nachfrage bei unseren heutigen und potenziell künftigen Kunden.

Ich bitte Sie um Verständnis. dass wir daher in diesem Punkt leider Ihrer Forderung nicht gerecht werden können. Selbstverständlich werden wir auch zukünftig kontinuierlich die Märkte beobachten und im engen Austausch mit unseren Kunden stehen, um uns auf sich ggf. ändernde Kundenwünsche entsprechend einstellen und darauf reagieren zu können.

Wir hoffen, dass wir Sie und die von Ihrem Verein vertretenen Patienten trotzdem an Bord unserer Züge begrüßen dürfen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Michael Peterson

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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Misserfolg, Hannemann

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