Ärztegruppe (Deutschland) (Allgemein)

M. Hahn, Mittwoch, 13.12.2006, 18:05 (vor 6336 Tagen) @ Gast

Sehr geehrte Ärztegruppe, hier antwortet Ihnen ein Skeptiker, der nichts gemacht hat, als einige Ihrer -allein in Kenntnis des abstract aufgestellten- Behauptungen und Unterstellungen zu einer Studie (sie nennen es "weiterführende Recherche") allein in Kenntnis des abstract auf Stichhaltigkeit zu prüfen.

Nun wurde diese Studie, man staune, am Vortag, den 6.12.06 vorgestellt, vom angegebenen Artikel im "Journal of the National Cancer Institute" Bd. 98, S.1107, 2006 war leider nur das "Abstract" auszudrucken.
Was gibt es da zu staunen? Die Medien haben Ihre Meldung anhand der im abstract verfügbaren Informationen erstellt. Das ist üblich und das geschieht i.d.R. (folge)tagesaktuell.
Sie vermuten doch nicht etwa eine nicht zufällige zeitliche Koinzidenz einer Anhörung im Bayerischen Landtag mit dem Veröffentlichungsdatum einer dänischen Zeitschrift, in der u.a. über eine dänische Studie zur Handynutzung nachzulesen ist? Ist es das, weshalb Sie zum Staunen auffordern?

Folgende Ihrer Behauptungen zur Studie bzw. zu deren Hintergrund sind leicht überprüfbar unzutreffend:
Die "aktuelle" Studie ist keineswegs neu. Sie wurde von Prof. C.Johansen u.a. bereits 2001 veröffentlicht. Die Arbeit wurde aktuell einem statistischen "Uptdate" unterzogen. Die Studie beobachtet Nutzer von "Cellular phones", also mobilen Telephoneinheiten im Zeitraum von 1982 bis 1995! Der Beobachtungsraum bis zum Jahr 1995 [ist] wesendlich zu kurz gegriffen

In der Arbeit wird die gleiche Kohorte beschrieben, wie bereits in der Publikation von Johansen in der gleichen Zeitschrift (Vol. 93 Nr. 3) im Jahre 2001. Neu ist in der Tat nicht die Personengruppe, sondern der verlängerte Beobachtungszeitraum. Was Sie "statistisches Update" oder auch "neu aufgekocht" nennen, wäre das Neuverrechnen bereits vorliegender Daten - eine von der Gruppe Hardell mehrfach angewandte Arbeitsweise. Was hier getan wurde ist etwas anderes: Eine Kohorte von Mobilfunknutzern wurde durch das Datum des ersten Mobilfunkvertrages (zwischen 1982 und 1995) definiert. In der Publikation aus 2001 wurde das Krebsgeschehen in dieser Kohorte für die Jahre 1982-1995 beschrieben. In der nun vorliegenden Publikation wird das Krebsgeschehen in derselben Kohorte bis einschließlich 2002 ausgewertet, das können Sie dem abstract entnehmen. Somit ist die Studie selbstverständlich neu, schon allein deswegen, weil die Zahl der Beobachtungsjahre angestiegen ist. Ihre Kritik liest sich, als bezöge sie sich auf die Publikation aus 2001 bzw. als hätten Sie das wesentlich Neue an der Studie 2006 nicht erkannt.

Es steht abzuklären, ob damit nicht die damalige Krebsquote durch den Vergleich mit dem heute höheren Krebsdurchschnitt fälschlich heruntergerechnet und dadurch die Hochfrequenz-bedingte Krebsrate "verdünnt" wurde.
Abgesehen von der Frage, was konkret Sie mit "damalig" bzw. "heutig" meinen: Die Verwendung volkstümlicher Formulierungen wie "Krebsquote" und "Krebsdurchschnitt" lässt auf mangelnden Fachverstand schließen. Dass der Name Eger über solchen Texten steht, ist ein schlechtes Zeichen für wahrhaft Kritische, für Andere schlicht ein weiterer Beweis.
Ohne die Verwendung klarer Begriffe (Inzidenz/Mortalität/Raten/Standardisierung) ist alles Reden zu diesem Thema wertlos. Die Spekulation darüber, was abzuklären stehe, im Zusammenhang mit einer abzuklärenden Vermutung, die wenige Sätze später dann schon zur böswilligen Unterstellung (statistisch offenbar "verdünnt") mutiert, ist reine Polemik. Bereits im abstract steht, was berechnet wurde, nämlich standardisierte Inzidenzraten. Näheres dazu findet sich sicher in der Veröffentlichung. Wieso Sie sich diese nicht zunächst besorgen und lesen, bevor Sie derartige Unterstellungen abgeben, das steht abzuklären.

Allein die enge Wechselbeziehung dieser beiden Worte "abzuklären" und "offenbar"
nach der Lektüre allein eines abstract!
sagt Wesentliches aus über Ihre Beziehung zu wissenschaftlicher Erkenntnis und wissenschaftlichem Diskurs.

Ferner steht abzuklären, was Sie mit diesen Statements erreichen wollen, welches Ihre Zielgruppe ist. Wollen Sie den Autoren der Studie und denen, die das wissenschaftlich zu bewerten haben, Hinweise auf Mängel/Fehler/offene Fragen geben? Wenn es Ihnen darum -also um die Sache- geht, dann sind Sie mit Texten wie diesen auf dem besten Wege, sich den letzten Rest von Gehör zu verscherzen.
Dem Laien freilich ist "Krebsdurchschnitt" ein nicht weiter differenzierungsbedürftiger Begriff. Ebenso gibt es keinen Diskussionsbedarf mehr, wenn ein Arzt diesen als "heute höher" bezeichnet. Aber Sehen Sie als Ärzte irgendeinen Wert an sich darin, mit solchen "Argumenten" bei Laien "Überzeugungen" zu bewirken?

Es herrscht Übereinstimmung, dass die hochfrequenzbedingte Krebshäufigkeit im allgemeinen (außer bei extremen Werten) erst ab 5 Jahren zu steigen beginnt, und nur ein Zeitraum von 10 Jahren das wirkliche Krebsausmaß repräsentiert. (Siehe z.B. neben anderen Studien die Naila-Studie).
Zu hochfrequenzbedingtem Auftreten von Krebs gibt es Übereinstimmung nicht einmal dem Grunde nach. Geschweige denn darüber, wie dies sich zeitlich vollzieht.
Ist die Naila-Studie jetzt sogar schon geeignet zu beweisen, dass nicht etwa erst nach 15 oder 20 Jahren das "wirkliche Krebsausmaß" sich darstellt?

Die Johansen-Studie endet also genau zu dem Zeitpunkt, an dem sie hätte fündig werden können.
Das kecke Wörtchen "genau" erinnert mich an eine Anekdote, wonach ein Nordpolfahrer beim Erreichen desselben der Welt telegrafisch seine Koordinaten mitteilte. In einer Genauigkeit, die -das wusste er- mit den damaligen Navigationsmitteln gar nicht erzielbar war. Was er auch wusste: Scheinbare Genauigkeit täuscht Wissen vor bzw. verhindert lästige Fragen. Hätte er ehrlich gesagt, dass er es nicht genauer als einige Kilometer weiß, hätten ihm andere -in seinem Fall freilich unberechtigt- womöglich den ganzen Erfolg abgesprochen. Die mittlere Handy-Nutzungsdauer in der aktuellen 2006-er Studie soll nach -für mich- unbestätigten Angaben übrigens bei 8,5 Jahren gelegen haben.

wobei anzumerken ist, dass die Auswertung von 40 Studien (ECOLOG) zeigt, dass die heutige digitale Mobilfunktechnik in ihrer biologische Wirkung wesendlich aggressiver ist als die analoge
Hier möchte ich fragen, in welcher Arbeit von ECOLOG dieser Schluss gezogen wird.

Und ich möchte -ein Tabu brechend- anmerken, dass mich eines ganz außerordentlich irritiert: Wenn vier promovierte Akademiker, die über das für sie wesentliche Thema schreiben, sich schon bei der Schreibweise des Wortes "wesentlich" durchgängig vergaloppieren.

P.S.:
Zwei Fragen noch:
Welche Studie der Universität Rom hat von "Klitzings Ergebnisse" reproduziert?
Und welche Ergebnisse meinen Sie: Die mit den Magnetspulen am Nacken und dem 150-MHz-Signal?

Tags:
Krebs, Aerzte, Unterstellung, Abstrakt, Studie, Landtag, Klitzing, Behauptung, Eger, Johansson, Aerztlicher Qualitätszirkel, Kern, Mediziner


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