Hallo Diagnose-Funk: Da habt ihr euren Inkompetenz-Salat! (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 19.04.2023, 19:00 (vor 392 Tagen) @ KlaKla

2023 greift Diagnose-Funk erneut die Salat Storie auf. "Impacts of Radio-Frequency Electromagnetic Field (RF-EMF) on Lettuce (Lactuca sativa)—Evidence for RF-EMF Interference with Plant Stress Responses" und ganz wichtig, die TU-Darmstadt i.P. Prof. Dr. Ralf Kaldenhoff ist dabei. Gesponsert wurde die Studie von Software AG Stiftung, Anthroposophische Medizin (Mistel-Therapie), Gründer Peter Schnell (Anthroposoph).

Mit dem Beitrag macht sich Diagnose-Funk mMn wieder einmal lächerlich. Denn wie immer pumpen die Blähboys des Vereins dramatisch auf, was bei Drei nicht auf den Bäumen ist. Die Salatstudie hat es leider nicht bis zum nächsten Baum geschafft ...

Es geht schon gut los (Beginn des DF-Beitrags):

Eine Studie an der TU-Darmstadt beweist: DECT-Telefone und WLAN-Router im Normalbetrieb beeinflussen massiv die Entwicklung von Salatpflanzen.

Soso, eine Studie der TU Darmstadt beweist ... Na dann schaun wir mal. Die Studie nennt fünf Autoren, zwei sind dem Forschungsring der Anthroposophen zugeordnet, drei der TU Darmstadt: Prof. Ralf Kaldenhoff leitet dort im Fachbereich Biologie die Arbeitsgruppe "Applied plant sciences", Nam Trung Tran ist Postdoc in der Arbeitsgruppe, Luca Jokic ist weder in der Arbeitsgruppe noch an der TU Darmstadt zu verorten.

Ein Postdoc, weiß Wikipedia, ist ein Wissenschaftler, der nach Beendigung einer Promotion den Doktorgrad erlangt hat und nun an einer Universität oder einem Forschungsinstitut befristet tätig ist. Während dieser Zeit arbeitet er an Forschungsprojekten, wobei die Stelle des Postdoktoranden meist durch Drittmittel finanziert wird. Die Drittmittel kamen in diesem Fall von der anthroposophischen Stiftung Software AG.

Damit handelt es sich bei der Studie um eine Auftragsforschung, mit der TU Darmstadt als Auftragnehmer und der Stiftung Software AG als Auftraggeber. Diagnose-Funk vertuscht diesen Sachverhalt und erweckt den irreführenden Eindruck, die TU Darmstadt habe aus Eigeninitiative heraus die Salatstudie durchgeführt. Sonst extrem sensibel, was die interessengeleitete Finanzierung von EMF-Studien angeht, drücken die Stuttgarter bei den Anthroposophen beide Augen fest zu. Zu verlockend brauchbar ist das Ergebnis für die Alarmisten. Allein damit schon blamiert sich der Verein und bestätigt Vorwürfe, er werte wissenschaftliche Ergebnisse konsequent einseitig aus und präsentiere somit ein Zerrbild der Realität.

Über die biologischen/botanischen Ergebnisse der Salatstudie kann ich nichts sagen, dazu fehlt mir die Qualifikation. Bei Diagnose-Funk ist das nicht anders, der Verein tischt seinen Lesern dennoch im Abschnitt "Die Hauptergebnisse" die Studienresultate mit einer Terminologie auf, die mit Sicherheit keiner der Blähboys verstanden hat. Irgendeinen konkreten Hinweis, welche gesundheitlichen Auswirkungen die Befunde für Menschen haben könnten, verkneift sich der Verein nicht etwa, er kann sie wegen Inkompetenz schlicht nicht benennen. Darin erkenne ich Desinformation durch Nichtwissen. Die Jungs wissen wie so oft nicht wovon sie reden, verbreiten unqualifiziert Panik und spielen sich gegenüber dem BfS anmaßend als die Schlauberger vom Dienst auf.

Dass es bei Diagnose-Funk auch an einfachsten fachlichen Qualifikationen mangelt ist ein offenes Geheimnis. Man benötigt wirklich nicht viele Kenntnisse, um Schwachpunkte/Widersprüche der Salatstudie aufzuspüren.

Was mir bei der Dosimetrie auf die Schnelle aufgefallen ist:

► Bild 8 (Versuchsanordnung) in der neuen Dokumentation steht klar im Widerspruch zu den Fotos der alten Dokumentation. Mal stehen die Pflanzen in einer Reihe vor der Strahlungsquelle (schlecht, inhomogene Exposition), mal sind sie kreisförmig drumherum angeordnet (gut, homogene Exposition).

► Die prahlerischen Wertungen von Diagnose-Funk beruhen allein auf den Freilandversuchen, denn die kontrollierten Versuche im Gewächshaus ergaben Belangloses. Die neue Dokumentation geht darauf auch ein und erklärt den Widerspruch mit dem natürlichen Stress, dem die Salatpflanzen im Freiland durch Sonne, Wind, Insekten, Krankheitserreger, Regen usw. ausgesetzt wären. Darüber könnte man zwar streiten, sollte dies jedoch zutreffen, ist die Schirmwirkung des Metallgitters zwischen Fall- und Kontrollgruppen im Freiland von entscheidender Bedeutung, denn allein sie ermöglicht eine Differenzierung zwischen den natürlichen Stressoren, denen beide Gruppen ausgesetzt sind und dem künstlichen Stressor EMF, dem nur die Fallgruppe ausgesetzt sein sollte. Doch ausgerechnet in diesem wichtigen Punkt ist die Dokumentation wie weiter unten gezeigt wird seltsam vage.

► Die neue Dokumentation nennt schwammig lediglich zwei Expositionswerte (pauschal, getrennt nach DECT und W-Lan). Ob es sich dabei um die Exposition der Fall- oder Kontrollgruppen handelt wird nicht klar gesagt. Mutmaßlich handelt es sich um die Exposition der Fallgruppen, die der Kontrollgruppen fehlt dann. Damit ist eine Bewertung der Schirmwirkung des nur 1,2 Meter hohen Schirmgitters, das die beiden Gruppen trennte, nicht möglich. Ohne diese Kenntnis sind jedoch sämtliche Befunde fragwürdig.

► Die genannten Messwerte sind laut Dokumentation Spitzenwerte (peak values), wirkungsrelevant wären jedoch Effektivwerte gewesen (RMS). Dies gilt insbesondere für die W-Lan-Messung, denn weil kein W-Lan-Client für Traffic sorgte, wurden lediglich die W-Lan-Impulse des Accesspoints (Fritz-Box) im Leerlauf gemessen. Im Leerlauf ist der Unterschied zwischen Peak- und RMS-Wert wegen sehr niedriger RMS-Werte besonders hoch.

► Der schwache Expositionswert (2000 μW/m²) für 5-GHz-W-Lan im Vergleich zur Exposition durch DECT und 2,4-GHz-W-Lan (8000 μW/m²) ist nicht plausibel. Denn je nach verwendetem Kanal arbeitet 5-GHz-W-Lan mit 200 mW Sendeleistung oder 1000 mW Sendeleistung. Angaben, welcher Kanal bei der Salatstudie genutzt wurde fehlen. 2,4-GHz-W-Lan hat maximal 100 mW Sendeleistung, DECT maximal 250 mW (alles Peakwerte).

► Die dilettantische Dosimetrie der Studie sowohl bei der Signalgewinnung als auch bei der Signalmessung haben wir bereits 2022 bemängelt (siehe oben). Die Versuchsanordnung (Fotos, alte Dokumentation) mit einem W-Lan-Router und zwei Schnurlostelefonen (DECT) wenige Zentimeter daneben begünstigt starke Interferenzen zwischen den HF-Signalen und damit eine inhomogene Feldverteilung im Bereich der Salatpflanzen. Die Breitbandmessung mit einem Hobby-Messgerät ist ein Unding, da derartige Geräte nicht nur die zu beobachtenden Signale messen, sondern alle Signale im Frequenzbereich der Geräte. Das Modell HF59B hat ±3 dB Messfehler, d. h. ein tatsächlicher Messwert kann doppelt oder halb so groß sein, wie der angezeigte Wert. Eine diesbezügliche Fehlerbetrachtung fehlt in der neuen Dokumentation völlig, die alte habe ich nicht betrachtet.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Stress, Dosimetrie, HF-Detektor, Auftragsarbeit, Blähboy, mangelhafte Qualität, Software AG Stiftung, Salatstudie, Salatpflanzen, TU Darmstadt


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