Helmstadt: Richtfunk vs. Mobilfunk (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Montag, 21.02.2022, 15:34 (vor 817 Tagen) @ KlaKla

Das Video zeigt gleich zu Beginn einen mächtigen 50-Meter-Funkturm mit vielen Richtfunk- und wenigen Mobilfunkantennen. Das ist deshalb von Bedeutung, weil Richtfunk nicht der Flächenversorgung dient, sondern immer einer Punkt-zu-Punkt oder Punk-zu-Mehrpunkt-Verbindung. Alle Richtfunkantennen auf dem Turm sind für das Krebsgeschehen in Helmstadt deshalb ohne jeden Belang. Es wäre schön gewesen, hätte Klaus Scheidsteger darauf hingewiesen und nicht die Dramatik seines Videos über den Informationsgehalt gestellt. In der YouTube-Fassung des Videos wird an keiner Stelle auf die Irrelevanz der bedrohlich wirkenden Richtfunkantennen hingewiesen. Scheidsteger fördert unauffällig die Täuschung von Laien, indem er den Funkturm zu einer "Mobilfunksendeanlage" erklärt.

Schaut man sich den Standort des Funkturms in der Datenbank der BNetzA an (Standortbescheinigungs-Nr.: 660289), sticht einem jedoch ein Widerspruch ins Auge. Der Standort zeigt zahlreiche Mobilfunksysteme, jedoch null "sonstige Funkanlage", was üblicherweise bei der BNetzA als Synonym für Richtfunkantennen verwendet wird. Der Augenschein des Scheidsteger-Videos und die Anzeige der EMF-Datenbank passen also nicht zusammen.

Ein Anruf bei der BNetzA Außenstelle in Würzburg klärte auch dieses Rätsel. Da Richtfunkverbindungen immissionstechnisch bedeutungslos sind (sie benötigen Sichtverbindung zwischen den beteiligten Antennen und "strahlen" nicht nach unten ab) werden sie seit einigen Jahren nicht mehr von der EMF-Datenbank angezeigt. Möglicherweise gilt dies jedoch nur für jüngere Datensätze und nicht für ältere (dort fliegen die Richtfunkantennen erst bei einer Aktualisierung der Standortbescheinigung raus).

Außerdem sollte man wissen: Die EMF-Datenbank zeigt nicht die Anzahl der sichtbaren Mobilfunkantennen eines Standorts an, sondern die Anzahl der installierten Funksysteme (GSM, UMTS, LTE, 5G). Da seit vielen Jahren Mehrbandantennen montiert werden, die in ihrem Gehäuse mehrere Funksysteme enthalten, ist die sichtbare Anzahl der Mobilfunkantennen eines Standorts immer deutlich kleiner als die Anzahl der Funksysteme, die dem Eintrag des Standorts bei der BNetzA zu entnehmen ist.

Ich erwähne dies deshalb, weil Hans Schmelzer in unserem Telefonat meinte, die Mobilfunknetzbetreiber hätten die Anzahl der Antennen auf dem Funkturm bei Helmstadt verringert. Dieser Eindruck ist irreführend, es wurden lediglich im Zuge der Aufrüstung bislang separate Antennen gegen modernere Mehrbandantennen ersetzt, was nur optisch nach einer Verringerung aussieht, tatsächlich aber häufig mit einer Zunahme der Funksysteme einhergeht.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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