Mast vs. Smartphone: Der Mast muss nicht weg! (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 09.02.2021, 23:27 (vor 1189 Tagen) @ Andy

ich plane in zwei Jahren evtl. einen Umzug in eine Wohnung, die sich in ~200 Meter Entfernung (Sichtkontakt) zu einem Dach mit zahlreichen Mobilfunk-Sendeanlagen befindet.
Liege ich korrekt, dass die von dort von den Masten auf meine Wohnung einwirkende Strahlung wesentlich geringer ist als z. B. die Strahlung meines Smartphones in meiner Hand z. B. beim Telefonieren oder Surfen? Ich habe auch permanent WLAN-Hotspots bereits jetzt in meiner direkten Umgebung.

Mit einem Vergleichsmesswert kann ich jetzt nicht aufwarten. Der Ladestecker des Netzteils passte zwar, die Ladespannung von 9 V ist jedoch zu gering, um den 12-V-Akku des Messgeräts nennenswert zu laden. Sobald ich das richtige Netzteil gefunden habe, reiche ich den Messwert nach.

Deine Frage, Andy, wird mit der Grafik in diesem Posting eigentlich schon schlüssig beantwortet. Dort ist erkennbar, dass immissionstechnisch ein Abstand von 100 Meter bis 200 Meter zur nächstgelegenen Basisstation deines Mobilfunkversorgers optimal ist: Die Funkfelder des Sendemasten sind in diesem Bereich schon schwach und das Smartphone "sieht" den Sendemasten noch so gut, dass es mit schwacher Sendeleistung auskommt (niedriger SAR-Wert). So gesehen liegt die mögliche neue Wohnung also optimal, gäbe es da nicht ein paar Einwände.

► Die Grafik beschreibt die Situation an nur einem von derzeit rd. 85'600 Standorten für Mobilfunksendeanlagen in Deutschland und kann deshalb nur zur grundsätzlichen Orientierung verwendet werden.

► Die smarten Antennen von 5G haben steuerbare Hauptstrahlrichtungen, die eine Vorhersage der Immission an einem bestimmten Punkt in der Umgebung (deine Wohnung) nur noch mit statistischen Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen möglich machen.

► Smarte 5G-Antennen bieten aber den weithin unbekannten Vorteil, dass sie jeden Nutzer nur mit der situationsbezogen erforderlichen Leistung "bestrahlen" (diese ist z.B. beim Telefonieren gering, beim Video-Streamen dagegen hoch). Deshalb spielt es bei diesen Antennen auch keine große Rolle mehr, ob deine neue Wohnung im EG liegt oder im DG. Bislang spielte die Lage der Wohnung eine maßgebende Rolle bei der Immission, je höher eine Wohnung liegt, desto höher war auch die Immission. Smarte 5G-Antennen bedeuten deshalb für DG-Bewohner eine substanzielle Entlastung.

► Du weißt nicht, ob auf dem Dach mit den Antennen auch dein Mobilfunkversorger vertreten ist. Die Grafik geht davon aus, dass dies der Fall ist.

► Selbst wenn du weißt, dass dein Mobilfunkversorger auf dem Dach eine Sendeantenne in deine Richtung betreibt, hast du in urbaner Umgebung mit vielen Mobilfunkstandorten keine Garantie, dass sich dein Smartphone, wenn du es in der neuen Wohnung nutzt, auch auf die Dachantenne in 200 Meter Entfernung einbucht. Bucht es sich z.B. bei einem anderen Standort in 400 Meter Entfernung ein, sendet das Smartphone nicht mit doppelter, sondern 4-facher Leistung. Es gibt jedoch (Gratis-)Apps für Smartphones (z.B. Network Cell Info für Android), die grafisch in einer Karte anzeigen, mit welchem Sendemasten das Mobiltelefon momentan verbunden ist.

Also, du siehst schon, Andy, war zu den guten alten GSM-Zeiten eine Fernprognose der Immission wegen statischer Feldsituationen noch zutreffend möglich, ist dies heute wegen der dynamisch wechselnden Feldsituationen nicht mehr möglich. Oder vorsichtiger gesagt: Mir ist es nicht mehr möglich.

Wir müssen daher anders an die Sache herangehen. Auch mit 5G gilt: Ein Sendemast darf maximal 0,08 W Funkleistung pro Kilogramm Körpergewicht in deinen Körper eintragen. Mit so einem Wert musst du rechnen, wenn du dich einem Sendemasten bis an den Rand des Sicherheitsabstands näherst, üblicherweise also auf etwa 12 Meter (starker Sender) bis 3 Meter (schwacher Sender) und der Sendemast mit voller Leistung sendet (Silvester um Mitternacht). Beim Smartphone hingegen sind 2 W Funkleistung pro Kilogramm Körpergewicht zulässig, weil die Befeldung nicht mehr den gesamten Körper einhüllt, sondern nur noch den Kopf/Oberkörper trifft. Ein Smartphone kann deine grauen Zellen daher bei schlechtem Empfang (maximale Sendeleistung) bis zu 25-Mal stärker befelden als dies ein Funkmast in der Silvesternacht kann, selbst wenn du ihm bis auf wenige Meter auf die Pelle rückst.

Ein anderes Beispiel ist noch plakativer: Wer bei sehr schlechtem Empfang mit dem Smartphone telefoniert, pumpt sich in 1 Sekunde mehr Funkleistung in den Kopf als bei einem 1-wöchigen Dauertelefonat bei sehr gutem Empfang. Die Herleitung, die diese Behauptung zu einem nachprüfbaren Fakt macht, findest du hier.

Mehr auf deine Situation zugeschnitten ist noch ein Beispiel aus der Zeit vor 5G, das tendenziell aber noch immer zutreffen dürfte:

"Sie können sich rd. 2 1/2 Jahre lang Tag für Tag in 100 m Abstand zu einer städtischen Mobilfunk-Basisstation aufhalten. Ihr Kopf nimmt in dieser Zeit nicht mehr Energie auf als bei einem einzigen 45-Minuten-Gespräch mit einem schon ziemlich strahlungsarmen Handy!"

Die Herleitung dieses Beispiels findest du hier.

Alle Beispiele gelten übrigens für die Allgemeinbevölkerung (Privatpersonen inkl. Kinder, Kranke, Senioren). Wer am Arbeitsplatz Funkeinwirkung ausgesetzt ist, darf 5-Mal stärker befeldet werden. Das übersehen Mobilfunkgegner gerne. So sind am Arbeitsplatz statt 0,08 W/kg (Ganzkörper) 0,4 W/kg zulässig und Endgeräte (z.B. Tetra-Funkgeräte von Polizei/Feuerwehr) dürfen statt 2 W/kg immerhin 10 W/kg Funkleistung eintragen.

Fazit

Nach bestem Wissen und Gewissen kann ich deine Einschätzung bestätigen: Ja, die von dem 200 Meter entfernten Dachstandort auf deine Wohnung einwirkende Strahlung ist wesentlich geringer als die Strahlung deines Smartphones beim Telefonieren oder Surfen. Aller Voraussicht nach wird dies auch mit 5G so sein, auf jeden Fall dann, wenn die 5G-Immissionen zeitlich gemittelt werden. Hältst du dein Smartphone nicht an den Kopf, sondern in der Hand, gelten auch für Privatpersonen ohnehin höhere Grenzwerte (4 W/kg statt 2 W/kg). Aus alledem resultiert der seit mindestens 20 Jahren geltende wissenschaftliche Kenntnisstand: Wenn von Mobilfunk überhaupt ein Gesundheitsrisiko ausgeht, dann nicht von den Funkmasten, sondern von den Endgeräten.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Handy, Analogie, Immission, Sendeleistung, Basisstation, App, Immobilie, Teilkörper


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