How to buy a scientist: "Es fängt ganz unschuldig an" (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Dienstag, 13.10.2015, 23:52 (vor 3137 Tagen)

Der britische Kardiologe Peter Wilmshurst machte der Pharmaindustrie mächtig Ärger: Er ließ sich zeitlebens nicht kaufen, um unerwünschte Forschungsergebnisse gegen Bares unter den Tisch fallen zu lassen. Da bleibt einem schon die Spucke weg, mit welch' simplen Holzhammermethoden die Pillendreher ihre Interessen wahren möchten, nachzulesen in einem aktuellen Spiegel-Interview mit Wilmshurst.

Was würde die Anti-Mobilfunk-Szene alles geben, könnte sie mit einer ähnlich glaubwürdigen Geschichte aufwarten. Doch das kann sie nicht. Um nicht mit leeren Händen dazustehen, griffen Strippenzieher der Szene ab 2002 sogar zu dem Trick, die böswillige Unterdrückung einer Studie (Ecolog-Studie) frei zu erfinden. Das Gerücht, T-Mobile (heute Deutsche Telekom) hätte das Ecolog-Institut, Hannover, erfolglos an der Veröffentlichung seiner "brisanten" Studie hindern wollen, hielt sich viele Jahre, ohne dass das Ecolog-Institut auch nur das Geringste zur Aufklärung des spektakulären Sachverhalts beisteuerte. Gut möglich, dass das Institut den unverdient erhaltenen Imagegewinn (ehrenvolle Publikation angeblich alarmierender Ergebnisse gegen den Willen des Auftraggebers) bis zuletzt auskosten wollte. Erst als Forumteilnehmerin "Doris" der Sache – sechs Jahre nach Erstveröffentlichung der Studie – auf den Grund ging und 2007 von Ecolog wissen wollte, was an dem Gerücht dran ist, stellte der Institutsleiter fest: nichts. Dennoch versuchen Trittbrettfahrer noch heute mit der erfundenen Leidensgeschichte der Ecolog-Studie Eindruck zu schinden, und sei es nur, um den Absatz eines bröselnden Kalksandsteins mit diesem unlauteren Mittel zu fördern.

Szenenwechsel.

Das 16 Mio. Euro schwere Deutsche Mobilfunk Forschungsprogramm DMF wurde zu 50 Prozent von der Mobilfunkindustrie finanziert. Das Bundesamt für Strahlenschutz, verantwortlich fürs DMF, beteuerte, als "Firewall" zwischen der Mobilfunkindustrie und den Forschern zu stehen, um jeden unerlaubten Durchgriff auf die Wissenschaftler zu unterbinden. Doch es nutzte nichts. Viele Mobilfunkgegner ereiferten sich hingebungsvoll wegen der Finanzierung, die Bauernregel "Wer zahlt, schafft an" machte die Runde. Ein paar der ewig Gestrigen von damals glaubt wahrscheinlich noch heute daran, dass das für die Gegner unerquickliche Ergebnis des DMF mit dunklen Machenschaften zusammenhängt. Auch nur die Spur eines Beweises können diese Leute freilich nicht vorbringen. In einer Szene, die zu gefühlt 95 Prozent ohnehin nur Munkeln & Raunen ausgesetzt ist, bleibt ein Mangel an Beweisen für böswillige Gerüchtesetzer allerdings ohne Folgen.

Netterweise schlägt ausgerechnet Enthüller Wilmshurst am Ende des Interviews haargenau das Modell zur Interessenentflechtung von Wissenschaft und Geldgebern vor, mit dem das BfS das DMF schon vor rund zehn Jahren sauber gehalten hat. Einziger Unterschied: Bei Wilmshurst ist es die Pharmaindustrie, die sich die Wissenschaft vom Leib halten soll, nicht die Mobilfunkindustrie.

Ich gehe dennoch nicht davon aus, dass sich in der Mobilfunkindustrie alle Heiligen dieser Welt die Klinke in die Hand drücken. Auch in dieser Branche wird es schwarze Schafe geben, die zur Beichte müssten. Einen (kleinen) Übergriff der Mobilfunkindustrie habe ich in all den Jahren jedoch nur 1-mal erlebt. Über die Verfehlungen organisierter Mobilfunkgegner und Scheinheiliger könnte ich dagegen ein dickes Buch schreiben. Das Phänomen der Schwarmintelligenz ist vielen Menschen bekannt, wer sich mit Mobilfunkgegnern beschäftigt wird auch mit Schwarmdummheit und Schwarmbösartigkeit konfrontiert, wie immer, wenn sich Überzeugungssysteme bei Menschen in ungesunder Weise verdichtet haben. Aber: Im Fall von Mobilfunkgegnern ist der Schwarm klein. Sehr klein. Eigentlich ist es gar kein Schwarm, eher eine Herde.

Hintergrund
T-Mobile wollte brisante Ecolog-Studie unterdrücken

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Finanzierung, Interessenentflechtung, Geldgeber


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