Kirchen sind Verbündete der Mobilfunkkritiker (Allgemein)

H. von Medinger @, München, Samstag, 05.03.2005, 15:54 (vor 7016 Tagen)

Die Vorbildfunktion der Kirchen ist keineswegs so gering, wie sie der Verfasser des Artikels im Münchner Norden wahrnehmen mag. Vielleicht täte ihm einmal eine Überlandfahrt über die oberbayrischen Dörfer gut, aus denen sich meines Wissens der erste nennenswerte Widerstand gegen Mobilfunkantennen formiert hat. Hier könnte er dann beobachten, inwieweit die dortige Bevölkerung die Kernaussagen der sonntäglichen Predigt als ihre eigene Argumentation übernimmt. Er würde staunen, denn auch heute noch gibt die Kirche - wider aller Unkenrufe - für sehr viele Menschen, wichtige Orientierungshilfen. Und welche Bedeutung der Einfluß der Kirche/Religion nicht zuletzt weltweit hat, können wir tagtäglich aus der Zeitung ersehen. Die jüngsten Wahlen in den USA sind ein Paradebeispiel: hier hat Bush mit allen Mitteln, erfolgreich und letztendlich wahlentscheidend versucht, sich die Sympathie der Kirchen zu sichern.

Wenn sich nun die Kirchen dahingehend äußern, daß sie ihre Kirchtürme grundsätzlich für Mobilfunksendeanlagen nicht zur Verfügung stellen, dann hat das sehr wohl eine Signalwirkung, denn dieses Verhalten trägt unter der Bevölkerung dazu bei, daß eine ganze Menge Leute eine mobilfunkkritische Haltung entwickelt. Ich sehe die Kirche und die einzelnen Pfarreien damit als eine der ganz wenigen Verbündeten der Mobilfunkkritiker an . Nunmehr die Kirchtürme wegen ein paar angeblich eingesparter Mikrowatts als "idealeren Standort" zu deklarieren, halte ich für ausgesprochen ungeschickt, denn in Anbetracht der exorbitant zu hohen Grenzwerte ist es mir, um es flapsig zu formulieren, ziemlich egal, ob ich an der Pest oder an Cholera erkranke. Auch wenn ihre Überlegung der Schadensbegrenzung sicherlich aus rein menschlicher Sicht unterstützenswert ist, handelt es sich doch nur um eine Schadensbegrenzung und mit einer Schadensbegrenzung darf sich eine Kirche m. E. nicht zufrieden geben, wenn der Schaden von ihrem Kirchturm ausgeht. Deswegen sollte man, wie es der Verfasser auch schreibt, die Kirchen vielmehr auffordern und bestärken, ihre Gemeindemitglieder drastisch über die Risiken der Mobilfunktechnologie aufzuklären, um so den Widerstand gegen ignorante Politik und gewinnfixierte Industrie zu aktivieren.

Den Kirchen wurde nach dem zweiten Weltkrieg vehement vorgehalten, sich mit den Machthabern des Dritten Reichs viel zu sehr "arrangiert" zu haben, denn diese "Arrangements" wirkten nach Außen als Aufforderung zur Annerkennung der Diktatur und ihrer Ideologie. Nimmt man die Forschungsergebnisse von Reflex-, TNO-, Salford Studie oder Naila Studie (u.v.a.m.) ernst und fordert man dann die Kirchen dennoch dazu auf, sich mit dieser, was die Gesundheit der Bevölkerung betrifft, menschenverachtenden Technologie zu arrangieren, dann scheint sich zu bestätigen, daß nur wenige Menschen die Geschichte nutzen, um aus ihr etwas abzuleiten. Wenn der Verfasser darüber einmal nachdenkt, könnte es sein, daß er die Schuldzuweisungen, die er der Diözese Linz wegen ihres Pauschalverbotes macht, als einseitig und unüberlegt erkennt.

Mit freundlichen Grüßen
Hubertus von Medinger

Tags:
Schadensbegrenzung, Pest, Cholera


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