SZ: Tarn-Antennen machen Schule (Allgemein)

RH, Samstag, 15.05.2004, 21:07 (vor 7328 Tagen)

Süddeutsche Zeitung vom 12.05.2004, Ressort 'München'

Mobilfunkbetreiber verweisen auf städtebauliche Gründe:
Tarn-Antennen machen Schule
Ummanteln, anstreichen, versenken - Sender werden immer häufiger verborgen

Von Renate Winkler-Schlang

Nicht überall, wo keine Mobilfunkantenne zu sehen ist, strahlt auch keine Mobilfunkantenne. Darauf macht nun das unabhängige Umweltinstiut München alle Elektrosmog-Sensiblen und Hauseigentümer aufmerksam. Gerade in der Nachbarschaft umstrittene Sendemasten würden nicht mehr wie bisher einfach weithin sichtbar auf Hausdächer montiert. Sie würden stattdessen getarnt, verkleidet, ummantelt, gestrichen oder versenkt. "Es spricht für sich, dass man Mobilfunkantennen verstecken muss", kommentiert Instituts-Sprecher Hans Ulrich-Raithel. Stellvertretend für die Betreiber erklärt dagegen Markus Jodl von T-Mobile Bayern, damit entstehe keineswegs ein neuer "Trend".
Der spektakulärste, dem Umweltinstitut bekannte Fall liegt in Schwabhausen unweit von Dachau. Dort steckt die Antenne in einem Kreuz am Turm eines kleinen Friedhofs. In München selbst sind die Antennen teilweise so unauffällig, dass sie die Mitarbeiter des Umweltinstituts nicht finden, selbst wenn die beiden Datenbanken der Stadt München und der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post übereinstimmend die Information enthalten, dass von einer Stelle aus gesendet wird. So ein Fall sei das Gebäude Herzogstraße 1 in Schwabing, erklärt Ulrich-Raithel vom Umweltinstitut: "Ich kann auf dem Gebäude keinen Mobilfunk-Standort erkennen." Ob die strahlenden Stangen an anderer Stelle auch in bunten Werbeträgern oder anderem Zierrat stecken, will das Institut nun von den Münchnern erfahren, um so die Dokumentation auf seiner Web-Seite www.umweltinstitut.org vervollständigen zu können (Telefon 30 77 49 0, Fax 30 77 49 20).
Antennen verbergen sich auch in Litfasssäulen wie etwa im Tal vor einem großen Elektromarkt. "Beliebt sind Standorte, wo viele Autofahrer oft im Stau stehen und dann zum Handy greifen", erklärt der Experte. Am weitesten verbreitet unter Hauseigentümern sei die unauffällige Kamin-Variante. Entweder wird die Antenne wie etwa auf dem Dach eines Handy-Shops von T-Mobile an der Amalienburgstraße 14 oder dem Wohnhaus an der Königsseestraße 13 in Trudering oder auch den Fünf Höfen an der Theatinerstraße 11 wie ein etwas höherer zusätzlicher Rauchfang ummantelt. Oder man greift wie an der Pasinger Dachstraße 29 zum Pinsel und verpasst der Antenne dasselbe Rot wie dem Rauchfang aus Backsteinen.
Dabei handle wohl kein Eigentümer nach der Devise "Unser Dach soll schöner werden", glaubt man im Umweltinstitut. Der Grund sei eher die Angst vor Ärger mit den Nachbarn, die gegen die Gesundheitsgefahr vor ihrem Schlafzimmer protestieren würden, wenn sie nur wüssten, was dort oft schnell und unbemerkt errichtet wurde. Um des nachbarschaftlichen Friedens willen sei in letzter Zeit unter Münchner Hauseigentümern die Bereitschaft gesunken, auf die Angebote von Betreibern einzugehen und ihr Haus als Standort zur Verfügung zu stellen. Das habe auch der Haus- und Grundbesitzerverein bemerkt, weiß Ulrich-Raithel. Das belegten viele Anrufe, die bei ihm eingingen. Daher nun das neue Angebot der Anbieter inklusive Verpackung. "Beispiele gibt es von fast allen Betreibern", so das Umweltinstitut.
T-Mobile allerdings wehrt sich im Briefwechsel mit dem Institut: Man "verstecke nichts in dem Sinne, dass niemand davon erfahren solle". Lediglich architektonische, städtebauliche und denkmalschützerische Gründe führten zur Nachfrage nach den Gehäusen. Auf Anfrage erklärt Markus Jodl von T-Mobile Bayern dazu, aus eigenem Antrieb würde der Betreiber keine Antenne ummanteln: Die Verkleidung störe die Wirkung, koste Geld und bringe nichts fürs Image: "In der öffentlichen Diskussion setzen Sie sich dem Vorwurf aus, etwas verstecken zu wollen. Wo also sollte für uns der Nutzen liegen?" Verkleidet würden denn auch noch nicht einmal fünf Prozent der Antennen.
Baurechtlich sei das Verkleiden völlig in Ordnung, erklärt Günter Suska, Sprecher des Planungsreferats der Stadt: "Sie dürfen sie auch in Plastikkakteen stecken wie in Las Vegas."

Abb.: Auf den ersten Blick sind die überhohen Kamine auf einem Handy-Shop an der Amalienburgstraße nicht als Sendemasten erkennbar. Foto: Stephan Rumpf

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Tags:
Umweltinstitut München, SZ, Pasing, Kamin, Ulrich, Trudering, Antenne


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