Bringen Kurzwellen Nägel in Senderbaracken zum Glühen? (Technik)

KI, Sonntag, 07.09.2025, 20:47 (vor 5 Tagen)

Mit bewegenden Worten schildert Hans-Ulrich Jakob, Ex-Präsident von gigaherz.ch das Märchen vom Brand der ersten hölzernen Schwarzenburger Senderbaracke, die 1939 abfackelte, weil die HF-Energie des 25-kW-Kurzwellensenders die Nägel, welche die Baracke zusammenhielten, angeblich zum Glühen brachte. Quellen für seine Geschichte nennt Jakob nicht, er beruft sich auf ein Gerücht, das unter Älteren kursiert. Eine physikalische Abschätzung durch ChatGPT legt jedoch den Verdacht nahe, Jakob ist ein unerkannter Abkömmling des Barons von Münchhausen.

Kurzfassung

Feststellung: Ich habe keinen glaubwürdigen, zitierbaren Primärbericht gefunden, der belegt, dass Nägel in Holzwänden durch HF‑Felder (z. B. 20 MHz) tatsächlich rot/weiß glühten.
Was belegt ist: In Senderanlagen wurden beobachtet: handgehaltene Leuchtstoffröhren, die ohne Netzanschluss leuchten; schmerzhafte HF‑Verbrennungen; sowie Korona‑ und Lichtbogenerscheinungen an metallischen Spitzen. Diese Effekte sind technisch gut dokumentiert und plausibel.
Physikalische Schlussfolgerung: Thermisches Glühen eines kräftigen Nagels erfordert Dutzende Watt, die unter realistischen Kopplungsbedingungen nicht in ein einzelnes Stück Metall in einer Holzwand eingekoppelt werden. Korona/Funken erklären dagegen leicht die volkstümlichen Geschichten.

Die Behauptung kurz in Worten

In Jakobs Geschichte heißt es ab Seite 4 sinngemäß: Bei 20 Millionen Schwingungen pro Sekunde (Sendefrequenz 20 MHz) begannen Nägel in der Holzkonstruktion der Senderbaracke zu glühen. Das klingt dramatisch — aber physikalisch werden zwei unterschiedliche Mechanismen vermischt:

1. Magnetische Ummagnetisierung (die Jakob behauptet) — das ist bei HF nicht der Grund.
2. Erwärmung durch induzierte Ströme / Funken / Korona — das ist der relevante Mechanismus, aber in der Praxis reicht dies nicht, um kräftige Nägel zum Glühen zu bringen.

Herleitung: wieviel Energie wird tatsächlich benötigt?

Wir nehmen einen typischen kräftigen Weicheisen‑Nagel, wie er damals üblich war:

* Länge = 8 cm
* Durchmesser = 5 mm
* Masse ≈ 0,012 kg (≈ 12 g)
* Spezifische Wärmekapazität c ≈ 450 J/(kg × K)
* Von Raumtemperatur bis Weißglut ≈ ΔT = 580 K (20 °C → 600 °C)

Energie zum Aufheizen
E\_auf = m × c × ΔT = 0,012 × 450 × 580 ≈ 3 132 J ≈ 3,1 kJ

Stationäre Leistung zum Halten der Weißglut: (Abstrahlung + Konvektion + Wärmeleitung ins Holz) liegt realistisch in der Größenordnung ≈ 30–50 W (Abschätzung, abhängig von Oberfläche/Emissivität und Luftbewegung).

Kurz: Um den Nagel dauerhaft glühend zu halten, müssen etwa 30–50 W Leistung kontinuierlich im Nagel dissipiert werden.

Was liefert ein Sender? — historische Referenz: 1939er Sender ≈ 25 kW

Der Kurzwellensender von Schwarzenburg hatte um 1939 eine Ausgangsleistung von 25 kW bei 20 MHz Trägerfrequenz. Entscheidend ist: wie viel dieser Leistung landet tatsächlich im Nagel?

Nagel in Holzwand, einige Meter von Antenne entfernt → extrem ineffiziente Kopplung.
► Typische Kopplungswirkungsgrade für so ein kleines, unbeabsichtigtes "Antennenelement" sind sehr klein: η ≈ 10⁻⁶ bis 10⁻⁵ (grobe, konservative Abschätzung).

Eingekoppelte Leistung

P\_Nagel ≈ P\_tx × η ≈ 25'000 × (10⁻⁶ … 10⁻⁵) ≈ 0,025 … 0,25 W — bei optimistischerer Lesart bis 0,25 bis 2,5 W. Realistisch ist < 1 W.

Das ist meilenweit unter den 30–50 W, die nötig wären, um Weißglut zu bewirken und zu halten.

Schluss: Ein historischer 25‑kW‑Sender kann in einem Nagel besagter Größe unter normalen Umständen keine thermische Weißglut erzeugen.

Warum erzählen Menschen trotzdem von "glühenden Nägeln"?

Weil mehrere sichtbare oder fühlbare Effekte leicht falsch interpretiert werden:

► Korona / Gasentladung: scharfe Metallkanten können bei hohen E‑Feldstärken blau‑violett leuchten; das ist Luftplasma, kein glühendes Metall. Dieses Leuchten wirkt dramatisch im Dunkeln.
► Lichtbogen / Funken: kleine Überschläge erzeugen helles Licht und Funken an Kontaktstellen — wieder: nicht thermisches Glühen des gesamten Nagels.
► HF‑Kontaktverbrennungen: punktuelle Erwärmung leitender Stellen kann schmerzhaft sein und als "es wurde heiß" wahrgenommen werden.
► Leuchtstoffröhren, die "von Hand" leuchten: Berichte belegen, dass unverdrahtete Leuchtstoffröhren in der Nähe starker Sender leuchten können — das erzeugt Eindruck und wird mündlich oft auf andere Phänomene übertragen.

Diese Effekte zusammen erklären die volkstümliche Überlieferung vom "glühenden Nagel", ohne dass das Metall tatsächlich glüht.

Physikalische Fehler in vielen Anekdoten

► "Ummagnetisierung 20-Mio.-Mal pro Sekunde → Glühen": falsch. Bei HF (20 MHz) können ferromagnetische Domänen nicht einfach "mitschwingen" und das Metall dadurch aufheizen. Erwärmung durch HF kommt über induzierte Wirbelströme (Joule‑Effekt), nicht über einfache Umschaltung von Nord/Süd‑Polarität.
► Skin‑Effekt: Bei 20 MHz fließen Ströme nur in dünner Oberflächenschicht; der effektive HF‑Widerstand des Nagels bestimmt, wie viel Leistung dissipiert wird.
► Resonanz & Kopplung sind der Schlüssel: Nur bei einer sehr günstigen (oder absichtlich hergestellten) Resonanzanordnung kann viel Leistung lokal in einem kleinen Metallobjekt landen. Solche Konfigurationen sind in normalen Senderbaracken nicht die Regel und bei 20 MHz Trägerfrequenz ist mit einem nur 8 cm langen Nagel keine solche Resonanzanordnung erzielbar.

Was sagen Fachquellen und Zeitzeugen konkret?

► BBC‑Reminiscences und technische Berichte aus Senderstandorten berichten von handgehaltenen Leuchtstoffröhren, die in der Nähe starker Kurzwellen‑Stationen leuchten konnten, und von RF‑Verbrennungen bei unvorsichtigen Personen — keine Primäraussage über ruhig rotglühende Nägel.
► ARRL / Amateurfunk‑Sicherheitsdokumente erklären Hotspots und Kontaktverbrennungen als reales Risiko in der Nähe leistungsstarker Sendeanlagen.
► Regulatorische Leitfäden (z. B. FCC) weisen auf Kontakt‑/Hotspot‑Gefahren und erforderliche Sicherheitszonen hin — sie dokumentieren Gefährdung, nicht das behauptete Glühen.
► Physikalische Literatur zu Korona und HF‑Entladungen erklärt anschaulich, wie sichtbares Leuchten an Spitzen entsteht — plausibel als Erklärung für "leuchtende Nägel".

Fazit

Die Vorstellung, dass 20‑MHz‑Sender "Nägel in Holzwänden zum Glühen bringen", gehört eher in die Rubrik legendenhafter Übertreibungen. Physikalisch ist das nicht völlig ausgeschlossen, aber unter realistischen Bedingungen praktisch unmöglich — die beobachteten Erscheinungen lassen sich plausibel durch Korona, Funken/Lichtbogen und punktuelle HF‑Erwärmung erklären. Für alle praktischen Zwecke (Sicherheit, rechtliche Einschätzung, historische Rekonstruktion) sind die belegten Effekte (leuchtende Röhren, HF‑Verbrennungen, Korona) die relevanten Phänomene, nicht das angebliche gleichförmige Glühen von Nägeln.

Hintergrund
2011 tischte Gigaherz-Jakob die Story von den glühenden Nägeln zum ersten Mal auf.

[Admin: Hintergrundlink berichtigt 08.09.25, 18:20 Uhr]

Wipfelstecher + glühende Nägel = Münchhausen

Schutti2, Montag, 08.09.2025, 17:51 (vor 4 Tagen) @ KI

Hintergrund
2011 tischte Gigaherz-Jakob die Story von den glühenden Nägeln zum ersten Mal auf.

(Der Link funktioniert nicht)

Erstmals 2012 tischte Herr Jakob die Geschichte vom Wipfelstecher auf.
Auch hier wollten die Bösen die Wahrheit verbergen.
Diesmal die "Wahrheit", dass Funkwellen Bäume krank machen.
In Jakobs Märchen hat der Räuber von der Funkmafia das Märchen vom Wipfelstecher verbreitet. Das sei ein böses Insekt, welches die Bäume tot macht. Soll der Räuber gesagt haben, um von der Wahrheit abzulenken.
Der Kasper und seine Freunde haben das natürlich durchschaut. Sie starteten eine [Zitat] "weltweite Anfrage unter 20 Entomologen, zu Deutsch Insektenforschern", von denen natürlich keiner den Wipfelstecher kannte.
Jahaaa, der Hansueli kann nämlich auch Latein!

Soweit das Märchen. Ob "weltweit" mehr war als die Berge zwischen Graubünden und Nidwalden erfahren wir darin nicht. Ebensowenig den entomologischen Namen für den Wipfelstecher (obscurocolepterus hansuelii ?). Aber vielleicht hat den auch die Funkmafia schon geheim gehalten.
Wikipedia kennt jedenfalls auch keinen Wipfelstecher.
Da hat wohl einer in einem Märchen von einem Märchen geträumt.

Egal, in der gleichen Geschichte wird auch das Märchen erzählt, dass das Virus, welches Bienen dahin rafft, auch nur vom bösen Räuber (diesmal der SPIEGEL) erfunden wurde.
Dieses Virus kennt Wikipedia allerdings. Es heißt Flügeldeformationsvirus DVW (Iflavirus aladeformis).
Aber hinter Wikipedia stecken bestimmmt auch die Räuber.

Wipfelstecher + glühende Nägel = Münchhausen

H. Lamarr @, München, Montag, 08.09.2025, 18:45 (vor 4 Tagen) @ Schutti2

Hintergrund
2011 tischte Gigaherz-Jakob die Story von den glühenden Nägeln zum ersten Mal auf.

(Der Link funktioniert nicht)

Danke für den Tipp, der Fehler ist inzwischen berichtigt. Rotwein und Kroatiens Sonne forderten anscheinend ihren Tribut :lookaround:.

obscurocolepterus hansuelii

:clap:

--
Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Es war einmal ein "Wipfelstecher", ...

H. Lamarr @, München, Donnerstag, 11.09.2025, 22:01 (vor 14 Stunden, 9 Minuten) @ Schutti2

Erstmals 2012 tischte Herr Jakob die Geschichte vom Wipfelstecher auf.

Weil Gigaherz-Ex-Präsident Jakob sich ein Techno-Märchen nach dem anderen aus den Fingern saugt, kriege ich den Verdacht nicht los, der betagte Ex-Elektriker leidet an unbehandelter Pseudologia Phantastica. Der folgende kleine Faktencheck von Jakobs alter "Wipfelstecher"-Story aus dem Jahr 2012 bestätigt diesen Eindruck aufs Neue.

Schauen wir uns zuerst einmal an, was Gigaherz-Jakob unter dem oben im Zitat verlinkten Beitrag aus dem Jahr 2012 behauptet hat:

[...] Selbstverständlich gab es schon vor 20 Jahren kein Baumsterben durch Elektromagnetische Felder von Sendeanlagen. Der Wipfelstecher war es. Ein von der Telecom gerade neu entdecktes Insekt, welches Tannenwipfel unterhalb 1.5m vom oberen Ende anbohrte und dann seine Eier in das Bohrloch legte.

Eine von der Anwohnervereinigung gestartete weltweite Umfrage unter 20 Entomologen, zu Deutsch Insektenforschern, ergab dann allerdings, dass dieses Viech völlig unbekannt war. Was wiederum mit den Beobachtungen bei gefällten Bäumen übereinstimmte. Es gab nämlich auch keine Bohrlöcher. [...]

Hans-U. Jakob, der große Botaniker

Unmittelbar vor dieser Behauptung erzählt Jakob im selben Beitrag etwas von 15 V/m gemessen in Wipfelhöhe (25 m über Grund) einer Tanne und 1,5 V/m gemessen dicht über dem Erdboden. Die Differenz beider Werte nennt der Ex-Elektriker "Spannungsdifferenz" (tatsächlich ist es eine Feldstärkedifferenz). Wegen dieser "Spannungsdifferenz" soll ein "Ausgleichsstrom" über die "Wasserwege" des Baumes gegen Erde geflossen sein und dieser "Ausgleichsstrom" soll seinerseits den Wassertransport von den Wurzeln in den Wipfel behindert oder gar unterbunden haben. Dieser atemberaubend dilettantische Erklärungsversuch Jakobs wäre eine nähere Betrachtung wert, hier und jetzt geht es aber einzig und allein um Jakobs "Wipfelstecher".

Anschuldigung auf dünnen Beinchen

Wie üblich plaudert der Ex-Elektriker nur daher, ohne seine Behauptungen mit Quellen oder Links zu belegen. So ist denn der einzige Hinweis auf eine Verbindung des "Wipfelstechers" zur Mobilfunkindustrie die vage Passage: "Ein von der Telecom gerade neu entdecktes Insekt". Ob Jakob mit "Telecom" die Deutsche Telekom oder allgemein die "Telecom"-Industrie meint, dürfen sich die Leser selbst zusammenreimen. Die retrospektive Literaturrecherche mit ChatGPT in Zeitungsarchiven hat jedoch keinerlei Treffer dafür ergeben, um 2012 herum könnte irgendein Mobilfunknetzbetreiber versucht haben, mit dem "Wipfelstecher" Wuchsschäden im Wipfel von Bäumen zu erklären. Dies deutet stark darauf hin, Jakob hat sich die "Wipfelstecher"-Story exklusiv selbst aus den Fingern gesaugt. Es wäre nicht das erste Mal, dass er Begebenheiten frei erfindet. Dem Gigaherz-Ex-Präsidenten steht es nun frei, mich eiskalt zu widerlegen, indem er Belege für seine Behauptung beibringt, der "Wipfelstecher" sei ein "von der Telecom gerade neu entdecktes Insekt". Solange er diese Belege nicht beibringt, bleibe ich bei meinem Verdacht.

Der Wipfelstecher: Es gibt ihn, es gibt ihn nicht, ...

Im zweiten Absatz des Jakob-Zitats oben versucht er den Eindruck zu erwecken, der "Wipfelstecher" sei ein Phantominsekt, das noch nicht einmal Insektenforschern bekannt ist. Vermutlich soll dadurch der falsche Eindruck gefestigt werden, "die Telecom" und nicht er habe den Baumschädling frei erfunden.

Dummerweise ist der "Wipfelstecher" jedoch keine pure Erfindung, denn die Existenz dieses Baumschädlings ist belegt. Und zwar wunderbar passend zu Märchenonkel Jakob ausgerechnet von den Gebrüdern Grimm, die nicht nur Märchen gesammelt haben, sondern 1854 auch das Deutsche Wörterbuch herausgaben. Und darin heißt es klipp & klar:

wipfelstecher, m., vgl. wipfelbeiszer: sie (die baumschädlinge) werden sonst auch wipfelstecher oder lisetten genennet allg. haush.-lex. (1749) 3, 746. —

Etwas ausführlicher ist der Eintrag zum "Wipfelbeiszer":

wipfelbeiszer, m., name eines baumschädlings, vgl. 1DWb wipfelstecher, zu wipfel 1 a α γγ: wipfelbeiszer ist ein kleines ungeziefer, welches nicht nur die wipfel der junggewachsenen zweiglein abbeiszet, sondern auch die junggepfropften und oculirten hochstämmigen bäume beschädigt allgem. haush.-lex. (1749) 3, 746. —

Womit die Existenz des Baumschädlings "Wipfelstecher" zweifelsfrei belegt ist. Dem Wörterbuch zufolge handelt es sich dabei nicht um die Bezeichnung eines bestimmten Insekts, sondern um die Bezeichnung einer Gattung oder Familie. Und anscheinend ist mit "Wipfel" etwas anderes gemeint als der Hauptwipfel eines Baumes. Und die alternative Bezeichnung "Lisetten" könnte als Hinweis betrachtet werden, dass es sich um saugende Insekten handelt, die keine Löcher ins Holz bohren, um dort Eier abzulegen.

Fazit

Schaut man nur ein klein wenig genauer hin, zerplatzt auch diese Schauergeschichte von Jakob, wie alle seine anderen, wie eine Seifenblase. Deshalb gilt nach wie vor die Merkregel: Glaube keinem organisierten Mobilfunkgegner ungeprüft auch nur ein Wort. Wünscht dir einer z.B. einen guten Morgen, erwidere den Gruß erst nach einem Kontrollblick auf die Uhr. Denn es könnte längst Abend sein :-).

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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