Schweden-Mythos: David unterliegt dem Goliath Mathematik (Elektrosensibilität)
Die Behauptung, Schweden habe "Elektrosensibilität" (EHS) als Erkrankung oder Behinderung offiziell anerkannt, ist in der Mobilfunkdebatte weitverbreitet, z.B. hier.
Die verlinkte Quelle ist eine Website der mutmaßlich "elektrosensiblen" Peggy Freiberger, Hamburg. Freiberger legt Wert auf Anonymität (wahrscheinlich ist der Name deshalb ein Pseudonym) und gibt auf dieser Seite ihres Webauftritts über ihre Motivation, Ziele und Haftung Auskunft. Zur Rechenschaftspflicht schreibt sie:
elektrosensibel-ehs.de stellt diese Website mit größter Sorgfalt zusammen und achtet auf die Richtigkeit der bereitgestellten Informationen. Diese Informationen stammen zum Großteil von Dritten. Daher ist elektrosensibel-ehs.de nicht verantwortlich und/ oder haftbar für etwaige Fehler oder Unvollkommenheiten.
Peggy spricht sich damit selbst frei von Schuld, wenn sie fehlerhafte Informationen anderer verbreitet.
Auslöser für dieses Posting ist Freibergers Start auf der eingangs im Zitat verlinkten Seite mit der Behauptung:
Elektrosensibilität (historisch als „Mikrowellenkrankheit“ bezeichnet) gilt ...
Wo mag sie diese Behauptung mit der seltsamen Wortwahl aufgeschnappt haben? Derweil Freiberger brav ihre Quelle nennt, lässt sich ohne Mühe David O. Carpenter als Primärquelle ausmachen. Und damit ist klar, woher der Wind weht, denn Carpenter ist maßgebliches Mitglied der hinlänglich bekannten "Bio-Initiative" und zugleich einer von zwei Chefredakteuren des Fachblatts Reviews on Environmental Health. Carpenter hat seinen Artikel also in seinem eigenen Blatt publiziert. Das hatte, anders als bei einem fremden Blatt, vermutlich eine äußerst schwache redaktionelle Prüfung zur Folge, was sich, wie wir gleich sehen werden, wiederum rächen sollte.
◄ Ausriss aus David O. Carpenters Artikel
Keine der obigen Einwände ließen sich Peggy Freiberger vorwerfen, steckte in dem Artikel nicht ein kleiner, aber ziemlich schwerwiegender Fehler (siehe Bild), den mMn auch Peggy hätte finden können. Denn Carpenter versteigt sich in seinem Artikel zu der völlig verkorksten Umrechnung 10 mW/cm² wären identisch zu 0.01 mW/m². Träfe dies zu, hätten die Amerikaner im Kalten Krieg noch viel strengere HF-EMF-Grenzwerte gehabt als die Sowjets. Doch das trifft nicht zu, weil die Werteumrechnung total neben der Spur ist. Richtig ist: 10.mW/cm² sind identisch zu 100 W/m², womit auch das ehemalige internationale Grenzwertgefüge zwischen Ost und West wieder im Lot ist. Schon Grundschülern hätte auffallen können, dass der auf Quadratzentimeter bezogene Wert einer physikalischen Größe (hier Leistungsflussdichte) beim Umrechnen auf Quadratmeter nicht kleiner werden darf, sondern größer werden muss.
Der Ausrutscher von Carpenter weist auf ein systemisches Problem der EHS-Szene hin. Die weit überwiegende Mehrheit überzeugter "Elektrosensibler" sind funktechnische Laien, die blind alles glauben (müssen), was ihnen über Funk erzählt wird. Deshalb blühen auf diesem Acker wesentlich mehr Unkräuter, als Nutzpflanzen oder anders formuliert: Statt anerkanntem Wissen gedeiht dort faktenfernes Munkeln & Raunen viel besser.
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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –
gesamter Thread:
- Schweden-Mythos: Elektrosensibilität keine anerkannte Erkrankung -
H. Lamarr,
24.06.2025, 22:07
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