Eindringtiefe von Funkstrahlung in kleine und große Köpfe (Forschung)

H. Lamarr @, München, Sonntag, 06.10.2024, 23:48 (vor 295 Tagen)

Eindringtiefe von Funkstrahlung in den Kopf von Kindern und Erwachsenen

Einspruch gegen eine alarmierende Studie von Gandhi et al., 1996

Eine Simulation der Eindringtiefe von Funkstrahlung (Mobiltelefon) in den Kopf von Kindern und Erwachsenen, machte den US-Wissenschaftler Om P. Gandhi 1996 auf einen Schlag weltbekannt. Vor allem Mobilfunkgegner nutzen die alarmierende Darstellung bis in unsere Tage, um Eltern das “Risiko Mobilfunk” drastisch vor Augen zu führen. Der Stuttgarter Verein Diagnose-Funk verwendete sie z. B. noch 2021 in seinem Webinar Nr. 3, gab die Simulation allerdings fälschlich als Messung aus. Kein Beinbruch, wäre zumindest die plakative Darstellung zutreffend. Doch auch die ist falsch. Das ist seit spätestens 2002 verbrieft – u. a. von Om P. Gandhi. weiter ...

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Diagnose-Funk, Irreführung, Gandhi

Peak-SAR im Kopfgewebe mit Peak-SAR im Gehirn verwechselt

H. Lamarr @, München, Montag, 07.10.2024, 14:57 (vor 294 Tagen) @ H. Lamarr

C-K Chou hat die Referenzliste in seinem Beitrag um zwei jüngere Papers ergänzt:

► K. Foster, C-K. Chou. Are Children More Exposed to Radiofrequency Energy from Mobile Phones than Adults? IEEE Access Volume 2:1497-1509, 2014. (Volltext)

► K. Foster and C-K. Chou. Response to “Children Absorb Higher Doses of Radio Frequency Electromagnetic Radiation From Mobile Phones Than Adults” and “Yes the Children Are More Exposed to Radiofrequency Energy From Mobile Telephones Than Adults”. IEEE Access 4: 522-5326, 2016, DOI: 10.1109/ACCESS.2016.2601490 (Volltext)

Damit, so Chou, sei das Argument geklärt, dass Gandhi aufgrund des dickeren Schädels von Erwachsenen von einer höheren Spitzen-SAR im Gehirn von Kindern als im Gehirn von Erwachsenen sprach.

Weiter weist er auf eine versteckte Diskrepanz hin: Die IEEE- und ICNIRP-Grenzwerte gäben die Spitzen-SAR in Geweben an (in diesem Fall Kopfgewebe), nicht die Spitzen-SAR im Gehirn! Wenn man über zwei verschiedene Dinge redet, könne man mühelos zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen.

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Tags:
SAR, Kinder, Gehirn, Eindringtiefe

Om P. Gandhi: zwei Bilder, eine Geschichte

H. Lamarr @, München, Samstag, 26.07.2025, 21:24 (vor 2 Tagen) @ H. Lamarr

Hier sind zwei Bilder zu sehen, die aus je vier Teilbildern bestehen. Beide Bilder wurden von Gandhi et al., 1996, anlässlich einer Studie veröffentlicht. Beide Bilder zeigen mit drei der vier Teilbilder anhand von Simulationen, wie tief Funkstrahlung in den Kopf von Menschen eindringt, wenn diese erwachsen sind (a), zehn Jahre alt (b) oder fünf Jahre alt (Kennbuchstabe fehlt).

Das Bild links kennt (in mehr oder weniger geschönter Form) jeder, das Bild rechts kennt so gut wie niemand.

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Bilder: Gandhi et al., 1996

Was steckt dahinter?

Das Bild links (im Original Fig. 2) ist spektakulär. Denn es zeigte einen dramatischen Zuwachs der Eindringtiefe von Funkstrahlung in den Kopf von Kindern, je jünger, desto tiefer. Dieses Bildmotiv ist heute in mindestens zehn großen Online‑Archiven weltweit verfügbar und es wurde in mehreren Dutzend wissenschaftlichen Arbeiten sowie in zahlreichen populärwissenschaftlichen oder aktivistischen Beiträgen weltweit übernommen (Quelle: ChatGPT).

Das Bild rechts (im Original Fig. 3) ist unspektakulär. Denn es zeigt keinen dramatischen Zuwachs der Eindringtiefe von Funkstrahlung in den Kopf von Kindern. Deshalb hat ChatGPT nach kurzer Recherche die Abschätzung für realistisch befunden, für Fig. 3 interessierten sich nur ein bis vier Prozent der Personen, die sich für Fig. 2 interessieren.

Was unterscheidet Fig. 3 von Fig. 2?

Die beiden Bilder unterscheiden sich in nur zwei funktechnischen Parametern:

Fig. 2: Frequenz = 835 MHz, Strahlungsleistung = 600 mW
Fig. 3: Frequenz = 1900 MHz, Strahlungsleistung = 125 mW

Damit liegt auf der Hand, warum Fig. 2 so spektakulär ist: Die Strahlungsleistung ist ungefähr fünfmal höher als bei Fig. 3 und sie profitiert zusätzlich von der tiefen Trägerfrequenz (835 MHz), die Objekte (hier Kopf) besser durchdringt als höhere Trägerfrequenzen.

Weltweit verwursteten Mobilfunkgegner Fig. 2 ohne auch nur einen Funken Rücksicht auf die US-amerikanischen funktechnischen Parameter zu nehmen, die dem Bild zugrunde liegen. Es zählte allein die schauderhafte Eindringtiefe in Kindsköpfe, mit der sich Eltern vorzüglich verunsichern ließen.

In unseren Breiten gab es zum Entstehungszeitpunkt der Bilder keinen Mobilfunk auf 835 MHz und 1900 MHz. GSM900 nutzte im Uplink 890 MHz bis 915 MHz und GSM1800-Mobiltelefone sendeten auf 1710 MHz bis 1785 MHz. Wegen der nicht unerheblichen Abweichungen von den US-Frequenzen darf angenommen werden, dass Fig. 2 mit den europäischen Frequenzen etwas weniger spektakulär ausgesehen hätte und Fig. 3 dafür etwas spektakulärer. Vertiefen muss man diesen Gedanken aber nicht. Denn bekanntlich ist ohnehin seit spätestens 2002 klar, dass beide Bilder, vor allem aber Fig. 2, wegen fehlerhafter Skalierung die Eindringtiefe von Funkfeldern bei Kindern unzutreffend wiedergeben.

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Leif Salford: zwei Bilder, eine Geschichte

Schutti2, Montag, 28.07.2025, 14:39 (vor 9 Stunden, 3 Minuten) @ H. Lamarr

Weltweit verwursteten Mobilfunkgegner Fig. 2 ohne auch nur einen Funken Rücksicht auf die US-amerikanischen funktechnischen Parameter zu nehmen, die dem Bild zugrunde liegen.

So ein Bild, das Beine bekommen hat, kennt man auch aus einer Arbeit von Leif Salford (2003).
"Gefahr für die Blut-Hirn-Schranke!" Hieß es damals und heißt es auch heute immer wieder mal.
Dieses Bild
[image]
findet man auch heute noch vielfach.
Es stammt aus einer fehlerhaften Fassung der Publikation Nerve cell damage in mammalian brain after exposure to microwaves from GSM mobile phones von Salford et al. (2003).
Sogar Nichtfachleuten war damals aufgefallen, dass in den Bildern unterschiedliche Regionen des Rattenhirns dargestellt sind.
Tatsächlich stammt das rechte Bild nicht einmal aus den in der Arbeit beschriebenen Untersuchungen. Man hatte einfach ein Bild aus irgendwelchen anderen Versuchen hergenommen, das ist in der verlinkten Arbeit unter der Überschrift "Correction" nachzulesen.

Dieses "Vorher-Nachher-Bild" wie oben zu sehen beschreibt also keine Realität. Es ist fake.
Meines Erachtens wären wir hier haarscharf an der Grenze zu scientific misconduct (Täuschung und Fälschung in der Wissenschaft), wenn Salford et al das im Jahr 2003 in der finalen Fassung nicht korrigiert hätten.

Das Bildpaar gibt es seit 22 Jahren nicht mehr in der wissenschaftlichen Literatur.
Aber es geistert fröhlich weiter durchs Internet, bei Kinderpostämtern der Wissenschaft.
- Bei "Ärzte und Mobilfunk", wie oben verlinkt
- Bei Uli Weiner. Na ja, wer auf diesen Käse von Klagemauer-TV reinfällt, ist selber schuld.
- Bei diagnose funk ganz aktuell im Februar 2025. Und zwar richtig dreist: Aus dem 20-minütigen Youtube-Video wird ausgerechnet das Standbild von Minute 9:15 gezeigt.
Dieser Vortrag von Salford persönlich stammt aus dem Jahr 2009 oder noch später.
Merkwürdig.

Leif Salford: zwei Bilder, eine Geschichte

H. Lamarr @, München, Montag, 28.07.2025, 21:57 (vor 1 Stunden, 45 Minuten) @ Schutti2

[image]

Die Bildbeschriftung ist schon sehr lustig: Damit meine ich nicht "Saalford", das ist geschenkt, sondern den fleckigen Hirnschnitt, den Salford von einer Ratte genommen hat, nachdem diese zuvor zwei Stunden mit einem Mobiltelefon telefoniert hat. Wegen der enormen Dauer des Telefonats mutmaße ich, die Spenderratte war weiblich.

- Bei diagnose funk ganz aktuell im Februar 2025. Und zwar richtig dreist: Aus dem 20-minütigen Youtube-Video wird ausgerechnet das Standbild von Minute 9:15 gezeigt.

Weil Derartiges bei Diagnose-Funk nicht die Ausnahme ist, sondern die Regel, dokumentieren solche Vorkommnisse aus meiner Sicht den unbedingten Willen des Vereins zur Desinformation.

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