Funkstille: Funklochdrama in Bad Wildbad (Medien)

Gast, Freitag, 05.09.2025, 12:49 (vor 9 Stunden, 38 Minuten)

In Bad Wildbad in Baden-Württemberg herrscht seit zwei Monaten Funkstille für Kunden von O2 und Vodafone, schrieb tagesschau.de schon am 26. August 2025. Kommunikation geht nur noch über Festnetz, Funkgerät oder WLAN. Stadt und Kunden sind machtlos, Mobilfunkgegner haben mit alledem nicht das Geringste zu tun.

Der kleine Kurort Bad Wildbad mit seinen rund 10'000 Einwohnern, idyllisch an der Enz mitten im Nordschwarzwald gelegen, ist ein Magnet für Touristen. Zur Erholung in Kurpark und Thermen gibt es seit zwei Monaten unfreiwillig "Digital Detox" obendrauf. Von einem Tag auf den anderen brachen Ende Juni Handy- und Internetempfang für Vodafone- und O2-Telefónica-Kunden weg. Ohne Vorwarnung, ohne Erklärung.

Der Grund für das Netzdebakel im Schwarzwald: Mobilfunkmasten auf dem Schornstein eines Fernheizwerks oberhalb der Stadt waren abgebaut worden. Und das, ohne dass ein neuer Standort für die Masten gefunden war. Die Stadt selbst ist hilflos. Die Netzabdeckung in Deutschland ist keine kommunale Aufgabe, sondern rein privatwirtschaftlich organisiert. Das Grundstück, auf dem der Mobilfunkmast stand, gehört der Fernwärmegesellschaft Baden-Württemberg (fbw). Die teilt auf Anfrage mit, dass die Netzanbieter die Masten abbauen mussten, weil der alte, nicht mehr genutzte Schornstein des Fernheizwerks abgerissen werden soll. Darüber, so die fbw weiter, habe sie die Anbieter bereits vor drei Jahren informiert und deren Verträge fristgerecht gekündigt.

Kundinnen und Kunden vor Ort sind fassungslos. Auch mithilfe des Sonderkündigungsrechts kommen viele nicht aus ihren Verträgen. Beschwerden beim Kundenservice blieben erfolglos. Zurück in die Steinzeit also, so fühlt es sich an für die Bad Wildbader. Von unterwegs mal kurz zuhause anrufen oder sich telefonisch verabreden? Fehlanzeige. Schnell mal über die Handy-Navigation nach dem Weg schauen oder an der Kasse mit dem Handy bezahlen? Keine Chance.

Stadt und Grundstückseigentümer sehen Anbieter in der Pflicht

Dass die Netzanbieter nicht rechtzeitig reagiert und nach alternativen Standorten gesucht hätten, dafür hat die Stadt, selbst mit rund 140 Verträgen bei Vodafone, "weder Verständnis noch eine Erklärung". Die stellvertretende Bürgermeisterin Ursula Jahn-Zöhrens (SPD) sagt: "Bestenfalls bekommen sie es technisch nicht hin. Schlechtestenfalls ist es ihnen einfach nicht so wichtig, weil ihnen der Standort hier nicht lukrativ genug ist." Es dränge sich der Verdacht auf, dass Bad Wildbad mit seiner überschaubaren Einwohnerzahl schlicht weiter hinten auf der Prioritätenliste stehe, klagt sie.

Netzanbieter verweisen auf schwierige Topografie

Auf Anfrage räumt O2 Telefónica ein, dass im Vorfeld des Abbaus nicht ausreichend informiert worden sei. In einer schriftlichen Stellungnahme betonen beide Netzanbieter, dass sie die Unannehmlichkeiten für die Kunden bedauerten und intensiv an Lösungen arbeiteten. "Wir versichern Ihnen, dass die Wiederherstellung der Mobilfunkversorgung in Bad Wildbad für uns höchste Priorität hat", teilt ein Sprecher von O2 Telefónica mit. "Bereits seit 2024 arbeiten wir intensiv an einer Ersatzlösung."

Die Topografie der Stadt, im engen Enztal gelegen, umgeben von steilen, bewaldeten Hängen, gestalte die Standortsuche allerdings schwierig, so die Netzanbieter. Generell sei die Standortsuche in Deutschland ein Problem, so ein Sprecher von Vodafone. "Alle Bürger wollen starken Mobilfunk haben, aber kaum jemand Mobilfunkstationen in der unmittelbaren Nachbarschaft", heißt es.

Wirtschaftliches Fiasko für Touristik und Hotellerie

Thermenchef Jürgen Schwarz hat dafür kein Verständnis. Er sei sofort bereit, eigene Liegenschaften anzubieten. Bisher habe es von den Netzanbietern aber keine Anfrage dazu gegeben. Auch die Stadt und der Grundstückseigentümer fbw geben an, Vorschläge zu alternativen Standorten gemacht zu haben – ohne Resonanz.

Zwei Monate Funkstille: Für die auf Tourismus angewiesene Bäderstadt sei das ein wirtschaftliches Fiasko, sagt Stefanie Bott von der Touristik Bad Wildbad. Bei ihrer Touristeninformation gingen täglich Beschwerden ein - von Wanderern, die sich ohne funktionierende Navigations-Apps verlaufen oder von Hotelgästen, die nicht online einchecken können.

Die Ironie für Bäderleiter Jürgen Schwarz: Erst kurz vor der Netzpleite hatte er sämtliche Mobilfunkverträge der Belegschaft bei der Telekom gekündigt und war zu Vodafone gewechselt. Weil die Telekom keinen eigenen Mast über der Stadt betreibt, sondern die Abdeckung über umliegende Antennen sicherstellt, war das Netz hier bislang schlechter. Ein Schritt, den er bitter bereut.

Im Bäderbetrieb ist der fehlende Empfang auch ein Sicherheitsrisiko. Die Notfallknöpfe in den Saunen beispielsweise laufen über den Mobilfunk. Alle Mitarbeitenden wurden nun mit Walkie-Talkies ausgestattet, damit die Kommunikation über die Distanzen einigermaßen funktioniert.

Ende der Funkstille in Sicht?

Ein zarter Hoffnungsschimmer: Vodafone hat angekündigt, Ende August als Zwischenlösung einen mobilen Mast im Stadtgebiet aufzustellen. Mitte September soll die Netzabdeckung damit überwiegend wiederhergestellt sein. Auch Telefónica wolle eine solche Lösung prüfen, heißt es auf Anfrage. Bis ein dauerhafter Standort gefunden und ein neuer Mobilfunkmast errichtet ist, können laut Vodafone Jahre vergehen. Zumindest über eines dürften die Bad Wildbader sich freuen: Auch das Strafzettel-System des städtischen Ordnungsamtes läuft über Vodafone.

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