Ferkeldrama von Ruhstorf: der unbeachtete vierte Hauptdarsteller (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 29.10.2025, 20:07 (vor 8 Tagen)

Die Jüngeren unter uns erinnern sich vielleicht noch an das Ferkeldrama, das bayerische Sendemastengegner von 2008 bis 2014 in Ruhstorf bei Passau aufführten. Hauptdarsteller waren der Schweinewirt Josef Hopper, der Allgemeinarzt Horst Eger und der Mathematiker Klaus Buchner. Doch in Ruhstorf gab und gibt es noch einen vierten Hauptdarsteller, den keiner auf dem Schirm hatte.

[image]◄ Funkmast und Hopper-Hof trennen rd. 413 Meter
Bild: Google Earth

Schon 2008, als der Funkmast noch gar nicht errichtet war, setze Hopper gegen das Bauwerk alle Hebel in Bewegung. So drohte er mit einer wissenschaftlichen Studie, welche die Gesundheit seiner Ferkel dokumentieren sollte, wenn Telefonica nicht einlenkt. Hopper fuhr damals schweres Geschütz auf, denn Studienleiter sollte Prof. Dr. Dr. Karl Heinritzi sein, Inhaber des Lehrstuhls für Krankheiten des Schweins an der Ludwig-Maximilian-Universität München. Wenn jemand gesundheitliche Auswirkungen der HF-EMF-Exposition auf Ferkel seriös erfassen konnte, dann war Heinritzi erste Wahl. Doch wie sich herausstellte, wusste der Wissenschaftler gar nichts von der mit ihm geplanten Studie und er war an einer Mitwirkung daran auch nicht interessiert. (Quelle)

Hopper musste sich nach neuen Autoren für seine Studie umsehen und wurde bei Eger und Buchner fündig. Die Autoren vom Fach wurden also durch drei Laien ersetzt, einen Schweinewirt, einen Humanmediziner und einen Mathematiker. Das konnte nicht gut gehen und es ging auch nicht gut. Wahrscheinlich haben die drei es gar nicht versucht, ihre Studie einem ernst zu nehmenden wissenschaftlichen Fachblatt zur Veröffentlichung anzubieten. Denn erschienen ist das Werk 2014 in dem 2015 eingestellten Verbandsblatt UMG, das keine hohen Qualitätsansprüche hatte und wissenschaftlich völlig bedeutungslos war. Gleichwohl konnten die drei Autoren sich fortan rühmen, vom EMF-Portal wahrgenommen worden zu sein. Das ist gut fürs Ansehen unter Gleichgesinnten. Mit dem Untergang des UMG-Verlags 2015 versiegte allerdings auch für das Portal die Primärquelle der Studie. Die für den Volltext ersatzweise genannte Sekundärquelle "Kompetenzinitiative" ist inzwischen ebenfalls ausgetrocknet, sodass die berühmt-berüchtigte Ferkelstudie heutzutage nur mit Mühe über Umwege zu bekommen ist.

Dem vierten Hauptdarsteller auf der Spur

Ruhstorf an der Rott ist ein Dorf mit etwa 7000 Einwohnern. Buchner und Eger wurden dort schon lange nicht mehr gesehen. Josef Hopper lebt weiterhin dort und strebt nach 18 Jahren als 3. Bürgermeister nun das Amt des 1. Bürgermeisters an. Möglicherweise war die Popularität, die ihm das Ferkeldrama einbrachte, ein willkommenes Sprungbrett in die Kommunalpolitik.

Der unbeachtete vierte Hauptdarsteller in Ruhstorf ist zwar ohne Frage ein direkter Nutznießer des inszenierten Ferkeldramas, es gibt aber keine Hinweise, dass er mit dessen Aufführung etwas zu tun hat. Die Rede ist von der Firma Yshield GmbH, die ebenfalls in Ruhstorf ansässig ist und alles im Programm hat, was die Herzen überzeugter Mobilfunkgegner höher schlagen lässt. Eigenen Angaben zufolge entwickelt YShield seit 2003 Produkte zur Schirmung elektromagnetischer Felder und will damit von Anfang an die Nr. 1 in der Baubiologie gewesen sein.

Von Zuhause ist Josef Hopper mit dem Auto in acht Minuten bei YShield. Den heutigen Firmensitz am Rand von Ruhstorf gibt es aber erst seit Mitte 2018, zuvor war er in der Dorfmitte. Die große Nähe eines ungewöhnlich aktiven Mobilfunkgegners zu einer Firma, die, ob sie will oder nicht, von irrationalen Ängsten gegenüber elektromagnetischen Feldern geschäftlich profitiert, mag seltener als ein madenfreier Steinpilz sein, doch gibt es keine Anhaltspunkte oder Beweise für ein abgekartetes Spiel. Alles deutet auf Zufall hin. Beweisen kann ich diese entlastende Einschätzung allerdings auch nicht.

Hintergrund
Alles über das Ferkeldrama von Ruhstorf

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

Tags:
Ruhstorf, Hopper, Mutation, Ferkeldrama, Anomalien, Erbfehler, YShield

Neuer Link zur alten Ferkelstudie

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 05.11.2025, 18:59 (vor 1 Tag, 10 Stunden, 19 Min.) @ H. Lamarr

Die für den Volltext ersatzweise genannte Sekundärquelle "Kompetenzinitiative" ist inzwischen ebenfalls ausgetrocknet, sodass die berühmt-berüchtigte Ferkelstudie heutzutage nur mit Mühe über Umwege zu bekommen ist.

Nein, die Sekundärquelle "Kompetenzinitiative" ist nicht ausgetrocknet, sie hat die Ferkelstudie nur auf einen anderen Platz des Webauftritts verschoben, sodass der Link im EMF-Portal ins Leere führt. Der neue Link zur Ferkelstudie lautet jetzt:

https://kompetenzinitiative.de/wp-content/uploads/2025/06/Ferkelstudie_Prof_Klaus_Buchner.pdf

Ursprünglich lautete der Dateiname des PDFs "umg-3.14-Buchner-k4.pdf". Die Einfügung des akademischen Titels von Buchner im neuen Dateinamen fast 20 Jahre nach seiner Pensionierung ist mMn befremdlich. Besser wird die methodisch dilettantische Studie dadurch nicht.

Das Ziel der Ferkelstudie ist Meinungslenkung, nicht Erkenntnisgewinn

Veröffentlicht wurde die Studie 2014 in dem Verbandsblatt "Umwelt Medizin Gesellschaft", in dem z.B. auch Peter Hensinger (Diagnose-Funk) gerne schreibt. In den seither verstrichenen elf Jahren wurde Google Scholar zufolge die Ferkelstudie zweimal zitiert. Bei näherer Betrachtung der Zitationen stellt sich jedoch schnell heraus, dass beide identisch sind, es also real nur eine einzige Zitation durch die türkischen Autoren Yusuf Ziya Güzey und Ali Galip Önal gibt. Nun ist eine Zitation sicher besser als gar keine.

Aber da kommt noch etwas hinzu, nämlich die wissenschaftliche Bedeutungslosigkeit von Veröffentlichungen in irgendwelchen Druckerzeugnissen.

Auf meine Frage an ChatGPT, ob die Ferkelstudie nicht in PubMed zu finden sein müsste, ließ mich die KI wissen: Nein, müsste sie nicht – und sie ist es auch nicht.

Hier die ausführlichere Begründung, warum:

PubMed ist eine Datenbank der U.S. National Library of Medicine (NLM) und listet:

► Artikel aus biomedizinischen Fachzeitschriften,
► die von der NLM kuratiert und zugelassen wurden,
► meist peer-reviewed und mit DOI versehen,
► häufig in englischer Sprache und mit standardisiertem Abstract.

Die Aufnahme in PubMed ist also ein Qualitätssignal: Nur Zeitschriften, die bestimmte redaktionelle und wissenschaftliche Kriterien erfüllen, werden dort geführt.

Die Arbeit "Reduzierte Fruchtbarkeit und vermehrte Missbildungen unter Mobilfunkstrahlung – Dokumentation aus einem landwirtschaftlichen Nutzbetrieb" ist – soweit öffentlich bekannt –

► nicht in einer wissenschaftlichen Zeitschrift erschienen,
► nicht peer-reviewed,
► ohne DOI,
► und nicht von einer NLM-gelisteten Zeitschrift veröffentlicht worden.

Das heißt: Sie erfüllt keines der Kriterien, um bei PubMed indexiert zu werden.

Wenn eine Arbeit nicht in PubMed erscheint, ist das kein Zufall, sondern ein Hinweis darauf, dass sie nicht Teil der wissenschaftlich anerkannten Primärliteratur ist. Für die Bewertung der wissenschaftlichen Relevanz ist das ein entscheidendes Kriterium.

Da von der Publikation der beiden Türken in PubMed ebenso wenig zu finden ist wie von der Ferkelstudie, lässt sich mit Fug und Recht behaupten: Der weltweiten wissenschaftlichen Community ist die Ferkelstudie von Prof. Dr. Dr. Klaus Buchner auch elf Jahre nach deren Veröffentlichung gänzlich unbekannt. Wahrscheinlich kennt die Ferkelstudie aber jeder überzeugte Mobilfunkgegner in den D-A-CH-Ländern.

Die Ferkelstudie erweckt den Anschein einer wissenschaftlichen Studie, erfüllt jedoch grundlegende Anforderungen an wissenschaftliche Methodik (Peer Review, Datentransparenz, Reproduzierbarkeit) nicht. Ihre Argumentation ist daher eher als pseudowissenschaftlich und populistisch einzustufen, da sie sich an die öffentliche Meinung richtet, nicht an das Fachpublikum. Das Ziel ist Meinungslenkung statt Erkenntnisgewinn.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –

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