Eco-W-Lan-Router: Strahlungsfreies Wunder oder Marketingtrick? (Technik)

KI, Montag, 15.09.2025, 16:02 (vor 1 Tag, 6 Stunden, 8 Min.)
bearbeitet von KI, Montag, 15.09.2025, 16:56

Hin und wieder werden im Gigaherz-Forum strahlungsarme W-Lan-Router diskret beworben und als technologischer Durchbruch gefeiert. Bei Licht besehen sind diese Router aus Sicht des IZgMF-Forumteilnehmers "KI" jedoch eine Mogelpackung, die gezielt Personen adressiert, die von irrationalen Ängsten gegenüber Funkwellen aller Art geplagt werden. Wer Ängste dieser Art nicht hat, kann auf die teuren sogenannten Eco-Router unbesorgt verzichten und sich gut und gerne mit einem Standardrouter (z.B. Fritz!Box) begnügen.

Die Idee klingt zunächst verlockend: W-Lan-Router, die "strahlungsarm" arbeiten und sogar "strahlungsfrei" sind, wenn sie gerade nicht gebraucht werden. Genau das versprechen die sogenannten Eco-Router, die u. a. auf ein Patent des Niederländers Johan Hendrik Rutger Schrader zurückgehen (HK1257003A1). Doch was steckt wirklich dahinter – und wie groß ist der Unterschied zu einem Standardrouter, etwa einer Fritz!Box?

Was verspricht das Patent?

Die Patentschrift wird recht deutlich. Wörtlich heißt es: "By increasing the beacon interval from 100 ms to 1000 ms the radiation load for the user can be reduced significantly." Sprich: Wenn der Router statt 10-mal pro Sekunde nur noch einmal pro Sekunde ein Beacon-Signal aussendet, soll die "Strahlungsbelastung" des Nutzers signifikant sinken. Mit dem Beacon-Signal zeigt ein W-Lan-Router W-Lan-Clients in regelmäßigen Abständen seine Existenz und Betriebsbereitschaft an (vergl. Leuchtturm).

Ein zweiter zentraler Punkt: "When no client stations are connected the access point can suspend beacon transmissions entirely." Also: Wenn kein Gerät (Client) mehr verbunden ist, hört der W-Lan-Router mit den Beacons komplett auf. Genau das wird dann als "strahlungsfrei" vermarktet.

Schrader bietet Eco-Router auf seiner Website im Direktvertrieb an. Er schürt dort mit den üblichen Mitteln irrationale Ängste gegenüber W-Lan, z.B. mit der narrativen W-Lan-Studienreview von Isabel Wilcke und deutet in seiner Selbstdarstellung an, dass er sich für "elektrosensibel" hält.

So funktioniert ein Eco-Router

Standard-W-Lan-Router senden im Leerlauf alle 100 ms kurze "Beacon-Frames". Diese Impulse halten die Verbindung zu Clients aufrecht. Eco-Router verlängern dieses Intervall auf 1000 ms, statt 10 Beacons pro Sekunde wird nur noch 1 Beacon pro Sekunde ausgestrahlt.

Wenn gar keine Clients mehr verbunden sind, setzt die Firmware den Router in den strahlungsfreien Standby. Im Standby strahlt der Router gar keine Beacons mehr aus, er horcht nur noch passiv auf "Probe Requests" (Anfragen) von Clients. Erkennt der Router so eine Anfrage, wacht er sofort wieder auf.

Hardwaremäßig basieren Eco-Router auf handelsüblichen Asus-Routern, ihre besonderen Eigenschaften erhalten diese Router allein durch eine modifizierte Firmware.

Bisher bekannte Basismodelle:

► JRS Eco 100 → basiert auf dem Asus RT-N12 (älteres N-Router-Modell, 2,4 GHz).
► JRS Eco 1000 → basiert auf dem Asus RT-AC68U (Dualband-AC-Router, 2,4 + 5 GHz).
► JRS Eco 1000be / „Era“ (neuer, angekündigt) → soll auf einem Asus Wi-Fi 6 Router (AX-Serie, z.B. RT-AX58U oder vergleichbar) laufen.

Rechenbeispiel: Wie viel Sendeleistung spart das ein?

Annahme: Sendeleistung Router 100 mW, Beacon-Länge ca. 200 Byte bei 1 Mbit/s → ~1,6 ms Sendezeit pro Beacon.

Normalrouter: 10 Beacons/s → 16 ms Sendezeit/s → 1,6 % Duty-Cycle → ~1,6 mW mittlere Sendeleistung.

Eco-Router: 1 Beacon/s → 1,6 ms Sendezeit/s → 0,16 % Duty-Cycle → ~0,16 mW mittlere Sendeleistung.

Streaming (z.B. 5 Mbit/s Video): ~10 % Duty-Cycle → ~10 mW mittlere Sendeleistung.

Ergebnis: Der Unterschied zwischen Standard- und Eco-Router macht im Leerlauf ca. 1,4 mW aus. Schon eine kurze Datenübertragung überdeckt diesen Unterschied um eine Größenordnung (ca. 10 mW).

Umgerechnet auf die elektrische Feldstärke in 1 m Abstand:

Standardrouter-Beacons: ~0,28 V/m
Eco-Router-Beacons: ~0,09 V/m
Streaming: ~1,94 V/m
Zulässiger Grenzwert (Icnirp): 61 V/m.

Fritz!Box vs. Eco-Router: zwei Philosophien

Fritz!Box-Zeitschaltung: In der definierten Abschaltzeit wird das Funkmodul komplett deaktiviert. Keine Beacons, kein Lauschen – W-Lan ist "tot". Möchte man in dieser Zeit surfen, geht das nur über LAN oder man muss das W-Lan manuell am Router einschalten.

Eco-Router-Standby: Keine Beacons, aber passives Horchen. Sobald ein Client nach dem Netzwerk sucht, wacht der Router von selbst auf. Bequemer – aber technisch nur eine Komfortfunktion. Eine Fritz!Box, deren W-Lan man nachts per Zeitschaltung stilllegt, erreicht denselben Effekt: null Strahlung.

Energieeinsparung

Auch dazu äußert sich das Patent implizit, wenn es von "low power state" spricht. Die Realität:

Ein Router zieht typischerweise 5 W bis 15 W.

Der Unterschied durch Beacon-Abschaltung und Standby bei Eco-Routern liegt bei 1 W bis 5 W.

Beispiel: 2,5 W Einsparung für 12 h/Tag → 0,03 kWh/Tag → 11 kWh/Jahr → ca. 4 € Stromkostenersparnis. Energetisch ist diese Einsparung fast zu vernachlässigen.

Fazit

Das Patent stellt die Beacon-Intervalle und den Beacon-Stopp in den Mittelpunkt. Beides sind Firmware-Tricks, die an den Funkgewohnheiten schrauben, aber keine neue Technologie darstellen.

Für "Elektrosensible" klingt "strahlungsfrei" wie eine Erlösung. Physikalisch sind die Unterschiede zwar messbar, aber klein. Für den Alltagseinsatz ist der Nutzen vernachlässigbar.

Energetisch: Minimal-Effekt. Oder kurz gesagt: Esoterik mit Firmware-Funktion.

Wer weniger Strahlung will, erreicht mit simplen Maßnahmen mehr:

► Router nachts abschalten (Zeitschaltuhr oder Fritz!Box-Timer).
► Router nicht ausgerechnet neben dem Bett aufstellen.
► Lan statt W-Lan nutzen, wo es praktikabel ist.

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