Desinformation förderte Bereitschaft zum Krieg (Allgemein)

H. Lamarr @, München, Mittwoch, 06.01.2016, 12:10 (vor 3588 Tagen)

Die Anti-Mobilfunk-Szene lebt im wesentlichen von Desinformation, um verdeckte materielle/immaterielle Interessen (finanzieller Gewinn, Ausleben von Profilneurosen) zu bedienen. Einer der fleißigsten Desinformanten ist der Forenteilnehmer "wuff", der seine Arbeit hier verrichtete, bei hese und bei Gigaherz. Im Vergleich zu den großen Desinformanten, die Weltgeschichte geschrieben haben, ist "wuff" freilich bestenfalls ein Pausenfüller.

Der folgende Auszug aus dem Artikel "Am Anfang stand die Lüge" beschreibt eine nachträglich recherchierte Desinformation, die "Brutkastenlüge", mit der irakische Soldaten nach ihrem Einmarsch in Kuwait (1990) weltweit stigmatisiert wurden. Berichte wie dieser sollten die Weltöffentlichkeit empören und so auf den Krieg gegen den Irak einschwören.

Das wohl international Aufsehen erregendste Element der H&K-Kampagne war die Verbreitung der Gräuelgeschichte, plündernde Soldaten der irakischen Besatzungsmacht hätten in Kuwait Brutkästen aus Krankenhäusern gestohlen und insgesamt über 300 Frühgeborene auf dem Fußboden zurückgelassen, wo sie starben. In einem Hearing vor dem Menschenrechtsausschuss des US-Kongresses am 19. Oktober 1990 berichtete ein 15-jähriges Mädchen namens "Nayirah", die man als geflüchtete kuwaitische Schwesternhelferin und Augenzeugin vorstellte, sie selbst habe im al-Adan Hospital in Kuwait City beobachtet, wie irakische Soldaten 15 Babies aus Brutkästen nahmen und "auf dem Steinboden sterben ließen".

Die Vorsitzenden des Ausschusses, Tom Lantos, Demokratische Partei, und John Edward Porter, Republikaner, baten während des Hearings um Verständnis dafür, dass der Ausschuss Nayirahs wahre Identität verheimlichen müsse, um deren Familie in Kuwait vor Repressionen zu schützen. John MacArthur berichtete später:

"Kein Teilnehmer des Hearings, auch kein Reporter, fragte. 'Nayirah, das ist eine schreckliche Geschichte und ich bin den Tränen nahe. Aber was hast Du getan? ... Hast Du Hilfe gerufen? Was ist dann geschehen?' Die elementarsten Fragen die ein Reporter stellen sollte, wurden nicht gestellt. Nayirah war ein fantastischer Propagandaerfolg. Hill & Knowlton produzierten einen brillianten Nachrichtenfilm über das Hearing und verteilten ihn weltweit. Millionen Menschen sahen das Video in den NBC Nightly News. ... Das war der Beginn, die Kampagne 'bekam Beine', wie wir im Public Relations- und Nachrichtengeschäft sagen."

Am 27. November 1990 wiederholte Nayirah ihre Schilderungen sogar vor dem UN-Sicherheitsrat, gemeinsam mit einem weiteren Augenzeugen, der als Chirurg Dr. Behbehani vorgestellte wurde und nach eigenen Angaben einem Begräbnis von 40 Babys beigewohnt hatte, die auf die gleiche Weise ermordet worden waren.

Der Coup gelang. Die Horrorstory beeinflusste die Debatte über eine militärische Intervention in den nächsten Monaten nachhaltig und sogar Amnesty International übernahm die Geschichte und prangerte die Verbrechen der irakischen Besatzungsarmee in Kuwait an. Nach John MacArthur hatte keine der vielen Anschuldigungen gegen Saddam Hussein mehr Einfluss auf die öffentliche Meinung in den USA als die von den ermordeten Babys in Kuwait City.

Umfragen hätten gezeigt, dass 50 Prozent der Bevölkerung weitere Sanktionen, 50 Prozent ein militärisches Eingreifen forderten. Als der US-Senat am 12. Januar mit einer äußerst knappen Mehrheit die Kriegsresolution der Bush-Administration befürwortete, gaben sechs Senatoren an, die Brutkasten-Geschichte sei der ausschlaggebende Grund für ihre Entscheidung gewesen, einem Krieg zuzustimmen.."

Die Brutkasten-Story hielt sich nicht nur bis Ende des Krieges in den Massenmedien, sondern wurden auch von den Regierungen der am Krieg beteiligten "Anti-Hussein-Koalition" immer wieder zur innenpolitischen Legitimation des Waffengangs gegen den Irak vorgebracht. Der ABC-Reporter John Marti war der erste Journalist, der nach der Befreiung Kuwaits den Behauptungen über die Ermordung kuwaitischer Babys nachging. Er interviewte Krankenhausärzte, die während der irakischen Besetzung im Land geblieben waren und niemand von ihnen konnte Nayirahs und Dr. Behbehanis Behauptungen bestätigen. Auch verschiedene Menschenrechtsgruppen forschten nach und konnten ebenfalls keine Hinweise darauf finden, dass die "Brutkasten-Story" einen realen Hintergrund hatte. Amnesty International distanzierte sich von der Geschichte.

Wie sich später herausstellte, war Dr. Behbehani ein Zahnarzt und kein Chirurg, der nach dem Krieg offen zugab, dass er gelogen hatte. Bei Nayirah, das fand John MacArthur heraus, handelte es sich in Wirklichkeit um die Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA, Saud Nasir al-Sabah. Wo sie sich im August und September 1990 aufgehalten hatte, konnte MacArthur damals nicht ermitteln. Die kuwaitische Botschaft reagierte auf seine Nachfragen schroff; sie verweigerte jegliche Stellungnahme und schirmte Nayirah vor der Presse ab.

Autorin des Artikels ist Elvi Claßen (Dipl. Soz.-Wiss.), sie arbeitet als Medienwissenschaftlerin am Thema "Krieg und Informationsgesellschaft" und ist Mitglied der Forschungsgruppe Informationsgesellschaft und Sicherheitspolitik.

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Jedes komplexe Problem hat eine Lösung, die einfach, naheliegend, plausibel – und falsch ist.
– Frei nach Henry Louis Mencken (1880–1956) –


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